BT-Drucksache 16/4906

Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen effektiv gestalten

Vom 29. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4906
16. Wahlperiode 29. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander
Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock,
Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen effektiv gestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) hat vor einem Jahr, am
15. März 2006, mit der Resolution 60/251 einen neuen Menschenrechtsrat ins
Leben gerufen. Der damalige Generalsekretär Kofi Annan sprach im Rahmen
der Gründung des Rates von einer neuen Ära der Menschenrechtsarbeit der
Vereinten Nationen. Er forderte die Mitglieder zu einem klaren Bruch mit der
Vergangenheit auf und mahnte eine Kultur der Kooperation und der Einstands-
pflicht, inspiriert durch reife Führungskraft an.

Die Vorgängerin des Menschenrechtsrates, die Menschenrechtskommission,
hatte ihren Auftrag, sich für die weltweite Achtung der Menschenrechte einzu-
setzen und konsequent gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen, immer
weniger erfüllt. Viele Resolutionen der Menschenrechtskommission waren
selektiv und einseitig. Ein Jahr nach seiner Gründung hat der neue Menschen-
rechtsrat dieses Muster bisher nicht durchbrochen. Dies ist auch Ausdruck der
momentanen Zusammensetzung des Menschenrechtsrates. Viele Mitgliedstaa-
ten richten nach wie vor ihre Entscheidungen nicht ausreichend an den Maßstä-
ben der VN-Charta und der Menschenrechtskonvention (MRK) der Vereinten
Nationen aus.

Der Menschenrechtsrat hat es deshalb bisher nicht geschafft, differenzierte, ob-
jektive und überparteiliche Resolutionen zu verabschieden.

Die institutionelle Ausgestaltung des Menschenrechtsrates ist Gegenstand
intensiver Debatten im Menschenrechtsrat selber und in der Zivilgesellschaft.
Dazu hat der Menschenrechtsrat Arbeitsgruppen eingesetzt, deren Berichte auf
der vom 12. März bis 5. April 2007 stattfindenden 4. Sitzung des Menschen-
rechtsrates vorgestellt werden sollen. Der Menschenrechtsrat hat dann bis zum
18. Juni 2007 Zeit, zu den Vorschlägen endgültige Entscheidungen zu treffen.
Gegenstand der Diskussion sind die Ausgestaltung der neuen Mechanismen des
Rates, wie auch die Beibehaltung der Sondermechanismen der Menschen-
rechtskommission, die für eine effektive Arbeit des Rates unverzichtbar sind.
Es gibt jedoch in der Diskussion Überlegungen, diese ganz abzuschaffen.

Wichtiger Bestandteil der Diskussion ist auch die Ausgestaltung des Universal
Periodic Review (UPR), durch den die Menschenrechtssituation in allen

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192 Mitgliedsländern der Vereinten Nationen geprüft und Verletzungen von
Menschenrechten öffentlich gemacht werden können. Unklar ist derzeit, in
welchem Umfang die Informationen von unabhängigen Experten und Nicht-
regierungsorganisationen (NROs) in den Prozess des UPR und in die Sitzungen
des Menschenrechtsrates einfließen können. Diese sind für eine umfassende
und objektive Berichterstattung für den UPR-Prozess unverzichtbar.

Diskutiert werden auch die Art und die Anwendung von Länderresolutionen,
die Beauftragung von unabhängigen Experten, die Entsendung von Sonder-
beauftragten und der Umfang der Beteiligung der Zivilgesellschaft an der
Arbeit des Menschenrechtsrates.

Wie auch seine Vorgängerin, kann sich der Menschenrechtsrat in seinen regu-
lären Sitzungen zu aktuellen länderspezifischen Themen äußern, auch wenn er
bisher nicht in dem wünschenswerten Umfang davon Gebrauch gemacht hat.
Länderspezifische Resolutionen gibt es bisher lediglich zu Israel, Libanon und
Sudan.

Es gibt Überlegungen, die Behandlung von länderspezifischen Themen nur
noch in Sondersitzungen zuzulassen. Der Menschenrechtsrat könnte dann als
Resultat nur in begrenztem Maße und nicht schnell genug auf aktuelle
Menschenrechtsverletzungen reagieren.

Auch gibt es Bestrebungen, die länderspezifischen Resolutionen ganz ab-
zuschaffen und diese nur im Rahmen des UPR zuzulassen.

Die Möglichkeit, Sonderbeauftragte (rapporteurs) für länderspezifische Unter-
suchungen einzusetzen, soll möglicherweise ganz abgeschafft werden.

Ebenso befindet sich derzeit ein Verhaltenskodex (code of conduct) für die
unabhängigen Experten in Arbeit, dessen Ausgestaltung Gefahr läuft, die
Unabhängigkeit der Experten in Fragen zu stellen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich im Menschenrechtsrat darum zu bemühen, bis zum 18. Juni 2007 eine
institutionelle Ausgestaltung des Rates zu erreichen, die eine effektive,
objektive und überparteiliche Arbeit des Rates sicherstellt;

2. sich dafür einzusetzen, dass die Beratungen des Menschenrechtsrates bis
zum 18. Juni 2007 von einer breiten öffentlichen Debatte in allen VN-Staa-
ten begleitet werden;

3. sich dafür einzusetzen, dass Vorschläge und Empfehlungen der mit den VN
zusammenarbeitenden NROs zu den jetzt vorgestellten Berichten der
Arbeitsgruppen in allen VN-Sprachen öffentlich zugänglich sind;

4. sich dafür einzusetzen, dass Veranstaltungen und Konferenzen von NROs
zur Begleitung der Regierungsberatungen über die Ausgestaltung des
Menschenrechtsrates finanziell unterstützt werden;

5. sich als EU-Präsidentschaft dafür einzusetzen, dass eine effektive Aus-
gestaltung des Menschenrechtsrates systematisch einbezogen wird in
Kontakte der EU wie auch bilaterale Kontakte einzelner Mitgliedstaaten mit
Staaten anderer VN-Regionalgruppen;

6. sich dafür einzusetzen, dass für den UPR-Prozess auch die Informationen
von unabhängigen Experten und NROs zugelassen werden und ausreichende
Mittel für eine effektive Umsetzung des Prozesses bereitgestellt werden;

7. sich dafür einzusetzen, dass bei der Ausarbeitung von Resolutionen auch auf
die Informationen von unabhängigen Experten und NROs zurückgegriffen

wird;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4906

8. sich für die Beibehaltung von länderspezifischen Resolutionen und deren
regelmäßige Anwendung einzusetzen;

9. sich für die Beibehaltung der Ernennung von unabhängigen Experten
(rapporteurs) bei länderspezifischen Untersuchungen einzusetzen;

10. sich im Menschenrechtsrat für eine zügige Behandlung von aktuellen
Menschenrechtsverletzungen einzusetzen;

11. bei der Erarbeitung eines Verhaltenskodex für unabhängige Experten darauf
zu achten, dass dieser die Unabhängigkeit der Experten nicht in Frage stellt;

12. die USA zu einer konstruktiven Mitarbeit im Menschenrechtsrat aufzu-
fordern und sie zu einer Kandidatur um einen Sitz im Menschenrechtsrat zu
bewegen;

13. die im Menschenrechtsrat vertretenen Positionen zum Gegenstand der
bilateralen Außenpolitik zu machen;

14. im Rahmen der gemeinsamen EU-Außenpolitik alles zu tun, um Resolu-
tionen des Menschenrechtsrates durchzusetzen und die Kooperation der be-
troffenen Länder mit den vom Menschenrechtsrat beschlossenen Inhalten
der Resolutionen sicherzustellen.

Berlin, den 29. März 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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