BT-Drucksache 16/4853

Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien sicherstellen

Vom 28. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4853
16. Wahlperiode 28. 03. 2007

Antrag
der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg,
Kerstin Andreae, Volker Beck (Köln), Dr. Uschi Eid, Hans-Josef Fell, Britta
Haßelmann, Priska Hinz (Herborn), Dr. Reinhard Loske, Claudia Roth (Augsburg),
Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien
sicherstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Mit der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Arznei-
mittel für neuartige Therapien soll im EU-Arzneimittelrecht auch für Genthera-
peutika, somatische Zelltherapeutika und Tissue-Engineering-Produkte (TEP)
ein hohes Schutzniveau, eine Harmonisierung des Marktzugangs, eine Förde-
rung der Wettbewerbsfähigkeit sowie eine hohe Flexibilität der technischen
Anforderungen gewährleistet werden.

Es ist vorgesehen, alle der drei oben genannten neuartigen Therapie-Produkt-
gruppen zentral durch die EU-Kommission zuzulassen. Die Überprüfung und
Evaluation dieser Produktgruppen wird die Europäische Arzneimittelbehörde
EMEA vornehmen, die laut Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 für die Beurteilung
und Überwachung von Arzneimitteln in der Europäischen Union zuständig ist.

Eine zentrale Zulassung innerhalb der EU im Bereich der Arzneimittel für neu-
artige Therapien ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings darf diese zentrale
Zulassung nicht Produkte auf der Basis embryonaler Stammzellen, für die Em-
bryonen hergestellt oder vernichtet werden mussten, umfassen, deren Herstel-
lung oder Verwendung auf Verfahren basieren, die nach der Rechtsordnung ein-
zelner EU-Mitgliedstaaten unter Strafe stehen.

Beim Thema embryonaler Stammzellen gibt es keinen Konsens unter den EU-
Mitgliedstaaten, der auf EU-Ebene harmonisierte Entscheidungen über die Ver-
wendung dieser Zellen ermöglichen könnte. Darum sollte der Gemeinschaftsge-
setzgeber im Zusammenhang mit embryonalen Stammzellen – wie bereits bei
der Annahme der Richtlinie zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstan-
dards für menschliche Gewebe und Zellen (RL 2004/23/EG) – anerkennen, dass
auch zukünftig über die Verwendung oder ein Verbot von embryonalen Stamm-
zellen auf nationaler Ebene entschieden werden muss.
Die zu diesem Zweck in Artikel 28 der Verordnung geschaffene Ausnahmerege-
lung ist rechtlich zweifelhaft; es ist unsicher, ob sie einer Überprüfung durch den
Europäischen Gerichtshof standhält. Anders als eine Richtlinie ist die EU-Ver-
ordnung gleichzeitig unmittelbar rechtsverbindlich. Nationale Gesetze, die
strengere als die in der Verordnung vorgegebenen Regelungen enthalten, bleiben
nur dann weiterhin anwendbar, wenn sie den in Artikel 30 EGV genannten Zwe-
cken dienen und die EU-Kommission die Anwendung gebilligt hat. Selbst wenn

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die in Deutschland bestehenden Vorschriften zum Schutz embryonaler Stamm-
zellen aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der öffentlichen Ordnung
nach Artikel 30 bestehen blieben, dürften sie bis zur Entscheidung der Kommis-
sion zunächst nicht mehr angewandt werden. Damit würden derartige Produkte
zukünftig – zumindest kurzfristig – auch in Deutschland zugelassen sein, ob-
wohl deren Herstellung und Verwendung hier – wie auch in anderen Mitglied-
staaten – ausdrücklich verboten ist. Der Druck seitens der Anwender und Nutzer
solcher Produkte auf die nationale Gesetzgebung wird zunehmen, auch wenn die
Rechtslage, dass die Mitgliedstaaten über die Herstellungserlaubnis und das In-
verkehrbringen dieser Produkte autonom entscheiden dürfen, später unverändert
bestehen bleiben soll.

Auf der europäischen Ebene existieren bereits Regelungen, die Keimbahninter-
ventionen ausschließen. Dies trifft auf die Richtlinie über die Patentierung bio-
technologischer Erfindungen wie auch auf die Richtlinie über klinische Prüfung
zu in denen Eingriffe in die menschliche Keimbahn grundsätzlich ausgeschlos-
sen sind.

Die Herstellung von Tier-Mensch-Lebewesen, z. B. von Embryonen die sowohl
menschliche als auch tierische Keimzellen enthalten, sollte generell von der Zu-
lassung ausgeschlossen werden.

In der EU-Gewebe-Richtlinie (RL 2004/23/EG) ist festgelegt, dass Produkte auf
der Grundlage von Humangeweben und -zellen auf den Grundsätzen der freiwil-
ligen und unentgeltlichen Spende, der Anonymität von Spender und Empfänger,
der Uneigennützigkeit des Spenders sowie der Solidarität zwischen Spender und
Empfänger beruhen sollen. Allerdings war es seinerzeit der EU-Kommission –
obwohl unter anderem vom EU-Parlament gefordert – mit Verweis auf rechtli-
che Gründe nicht möglich, eine verbindliche Festschreibung dieses Grundsatzes
in die Richtlinie aufzunehmen.

Anders als die RL 2004/23/EG basiert die Verordnung über Arzneimittel für
neuartige Therapien jedoch nicht auf Artikel 152 des EG-Vertrages, sondern auf
Artikel 95 des EG-Vertrages. Dadurch kann die freiwillige und unbezahlte
Spende von Humangeweben und -zellen verbindlicher als in der RL 2004/23/EG
festgeschrieben werden. Die Verbindlichkeit dieser Regelung ist ein Faktor, der
zu hohen Sicherheitsstandards für Gewebe und Zellen und deshalb zum Schutz
der menschlichen Gesundheit bei Arzneimitteln für neuartige Therapien beitra-
gen kann.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, sich bei den wei-
teren Verhandlungen und Abstimmungen zur EU-Verordnung über Arznei-
mittel für neuartige Therapien dafür einzusetzen,
● dass embryonale Stammzellen aus dem Geltungsbereich der Verordnung

ausgeschlossen werden;
● dass Produkte, die auf Zellen und Gewebe von Mensch-Tier-Hybriden

oder Chimären beruhen, von der Zulassung ausgeschlossen werden;
● dass Produkte, die auf Eingriffen in die menschliche Keimbahn beruhen,

von der Zulassung ausgeschlossen werden;
● dass die freiwillige und unbezahlte Spende von Humangeweben und

- zellen verbindlich festgeschrieben wird und die Beschaffung von Ge-
weben und Zellen nicht gewinnorientiert erfolgt.

Berlin, den 27. März 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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