BT-Drucksache 16/4815

Menschenrechtliche Lage der Baha'i in Ägypten

Vom 22. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4815
16. Wahlperiode 22. 03. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander
Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock,
Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Menschenrechtliche Lage der Baha’i in Ägypten

Im Jahr 1960 wurde die organisierte Baha’i-Gemeinde in Ägypten durch Präsi-
dent Gamal Abdel Nasser verboten und deren Besitz konfisziert. Dieser Erlass
gilt bis heute. Als Resultat kam es in den letzten Jahrzehnten immer wieder
zu Übergriffen, Verhaftungen und Medienkampagnen gegen die Baha’i. Ein
besonders schwerwiegendes Problem ist die Weigerung der ägyptischen Be-
hörden, den Baha’i Ausweisdokumente auszustellen, da die Religionszuge-
hörigkeit nicht korrekt angegeben werden kann. Hintergrund ist die von der
ägyptischen Regierung betriebene Digitalisierung des Meldewesens, die zur
Folge hatte, dass die Software bei der Angabe der Religionszugehörigkeit nur
die staatlichen Religionen Islam, Christentum und Judentum zulässt. In einem
Urteil des ägyptischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2006 wurde
die Praxis für rechtens erklärt, den Baha’i nicht das Recht zuzustehen, in Per-
sonenstandsdokumenten korrekt identifiziert zu werden. Ein Baha’i-Ehepaar
hatte hierzu im April 2006 erfolgreich vor einem untergeordneten Verwaltungs-
gericht geklagt. Dieses Urteil wurde nun aufgehoben. Den Baha’i können
demnach weiterhin keine Personenstandsdokumente ausgestellt werden. Ohne
Personalausweis kann jedoch ein Ägypter aufgrund der noch geltenden Not-
standsgesetzgebung jederzeit verhaftet werden. Er kann seine Kinder nicht zur
Schule anmelden, keine ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, kein Konto
eröffnen und Gehälter oder Renten erhalten, keine Verträge abschließen und
keine Geburts- oder Sterbeurkunden erhalten. In einem aktuellen Fall wurde
der junge ägyptische Physiker Bassem W. von der German University wieder
entlassen, nachdem er kein Ausweisdokument vorlegen und dadurch kein Ge-
haltskonto eröffnen konnte.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die systematische Diskri-
minierung und Verfolgung der Baha’i in Ägypten?
Welche Rolle spielen dabei die Medien?

2. Wie beurteilt die Bundesregierung das Vorgehen der German University im
Fall Bassem W.?

In welcher Verbindung steht die German University zu Deutschland, und in
welcher Weise wird die Arbeit der Universität durch deutsche Einrichtungen
oder Institutionen gefördert?

Drucksache 16/4815 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Welche Konsequenz sieht die Bundesregierung für die Glaubwürdigkeit
Deutschlands in Menschenrechtsfragen durch die Vorgehensweise der Uni-
versität?

3. Welche Rolle spielen fundamentalistische islamische Kräfte bei Behandlung
der Baha’i durch die ägyptische Regierung?

Welche Personen/Institutionen verantworten innerhalb der ägyptischen Füh-
rung die Verfolgung religiöser Minderheiten?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung das Urteil des ägyptischen Oberverwal-
tungsgerichts vom 16. Dezember 2006?

Stimmt die Bundesregierung mit Menschenrechtsgruppen überein und sieht
dies als Präzedenzfall für den weiteren Abbau ziviler Bürgerrechte in Ägyp-
ten?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung das Urteil gegen den Blogger Kareem A.
vor dem Hintergrund der Presse- und Meinungsfreiheit in Ägypten?

6. Wie thematisiert die Bundesregierung den Komplex Glaubens- und Reli-
gionsfreiheit mit der ägyptischen Regierung?

Inwieweit gibt es dabei konkrete Bezüge zur Situation der Baha’i?

7. Welche Auswirkung hat die Situation der Baha’i auf die Abschiebepraxis
der Bundesregierung?

Berlin, den 22. März 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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