BT-Drucksache 16/4777

zu der Beratung der Große Anfrage der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/3526, 16/4616- Humanitäre Katastrophe in Darfur

Vom 21. März 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4777
16. Wahlperiode 21. 03. 2007

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Volker Beck (Köln), Marieluise Beck
(Bremen), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock,
Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln),
Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 16/3526, 16/4616 –

Humanitäre Katastrophe in Darfur

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In der westsudanesischen Provinz Darfur findet zurzeit die weltweit größte
humanitäre Katastrophe statt. Im Rahmen der Aufstandsbekämpfung gegen
Rebellengruppen macht sich die sudanesische Regierung seit 2003 schwerster
Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig, Hunderttausende bis eine
Millionen Menschen sind aktuell von dringend benötigter humanitärer Hilfe
abgeschnitten, vier von sechs Millionen Einwohnern von humanitärer Hilfe
abhängig. Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zur Beendigung des
Konflikts sind bisher gescheitert, der Konflikt hat sich inzwischen auf die
Nachbarländer Tschad und Zentralafrikanische Republik ausgeweitet. Im
November 2006 stimmte die sudanesische Regierung auf einem internationalen
Krisengipfel in Addis Abeba einer dreiphasigen Aufstockung der Friedensmis-
sion AMIS der Afrikanischen Union (AU) zu einer hybriden AU-/UN-Friedens-
mission zu. Die Bundesregierung betont zu Recht die zentrale Bedeutung der
Implementierung dieser „Hybridmission“ für einen erfolgreichen Waffenstill-
stand und den Schutz der Zivilbevölkerung.

Am 8. März 2007 lehnte der sudanesische Präsident Omar Hassan al-Bashir in
einem Antwortschreiben an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wesentliche

Elemente der zweiten Implementierungsphase der Hybridmission ab. Nach
einem Treffen der Sicherheitsratsmitglieder sprach Ban Ki Moon am 15. März
2007 von einer unbefriedigenden Antwort Omar Hassan al-Bashirs und von
einer „growing frustration“ der Mitglieder des UN-Sicherheitsrates.

Bereits Anfang 2007 verweigerte die sudanesische Regierung der Ermittlungs-
kommission des UN-Menschenrechtsrates Einreisevisa. Der am 12. März 2007
in einer Vorabversion veröffentlichte Bericht der Ermittlungskommission stellt

Drucksache 16/4777 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

die andauernde Beteiligung der sudanesischen Regierung an Verbrechen gegen
die Menschlichkeit in Darfur fest und kritisiert ihre fortgesetzte Blockade
international vereinbarter Schritte zur Konfliktlösung.

Am 18. März 2007 erklärte die sudanesische Regierung ihre Zusammenarbeit
mit dem Internationalen Strafgerichtshof für ausgesetzt. Zuvor hatte dessen
Chefankläger im Februar erstmalig Ermittlungsergebnisse gegen zwei der
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur Ver-
dächtigte vorgestellt. Die sudanesische Regierung weigert sich, diese auszu-
liefern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die aktuelle EU-Präsidentschaft und den G8-Gipfel in Heiligendamm dazu
zu nutzen, die Europäische Union und die G8-Staaten gemeinsam zu effek-
tivem politischen Druck auf die sudanesische Regierung zu bewegen, damit
sie der vereinbarten AU-/UN-Hybridmission auf Grundlage der UN-Sicher-
heitsratsresolution 1706 endlich zustimmt;

2. folgende Maßnahmen zu ergreifen:

– die massive Ausweitung gezielter personenbezogener UN-Sanktionen
gegen Mitglieder der sudanesischen Regierung auf Basis bereits beste-
hender UN-Sicherheitsratsresolutionen anzustreben,

– solange es für die Ausweitung personenbezogener UN-Sanktionen im
Sicherheitsrat keine Mehrheit gibt, sich für die Verhängung von EU-
Sanktionen gegen Mitglieder der sudanesischen Regierung und von ihnen
dominierte Unternehmen einzusetzen, wie bereits in der interfraktionel-
len Erklärung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
und vom Europäischen Parlament gefordert,

– sich beharrlich gegenüber den Vetomächten China und Russland dafür
einzusetzen, ihrerseits den Druck auf die sudanesische Regierung zu
erhöhen,

– der UNO demonstrative Bereitschaft zur Unterstützung der AU-/UN-
Hybridmission zu signalisieren,

– sich für die Einrichtung einer Flugverbotszone durch den UN-Sicher-
heitsrat auf Basis von UN-Sicherheitsratsresolution 1591 einzusetzen;

3. insbesondere die afrikanischen und arabischen Mitglieder des UN-Men-
schenrechtsrates für eine deutliche Verurteilung der sudanesischen Regierung
für die Menschenrechtsverletzungen in Darfur zu gewinnen;

4. die Ausweitung von Ermittlungen und Anklageerhebungen des Internationa-
len Strafgerichtshofs zu unterstützen;

5. die finanzielle Unterstützung von humanitären Hilfsprogrammen der Verein-
ten Nationen in Darfur wie in den Nachbarländern Tschad und Zentralafrika-
nischer Republik aufzustocken;

6. sich dafür einzusetzen, dass ein umfassender und alle am Konflikt beteilig-
ten Parteien und Gruppierungen einschließender Friedensprozess neu initi-
iert wird, also auch die Nichtunterzeichner des gescheiterten Friedens-
abkommens von Abuja vom Mai 2006 an den Verhandlungstisch bringt;

7. insbesondere die Afrikanische Union und die Arabische Liga sowie andere
Beteiligte der internationalen Gemeinschaft für einen inklusiven Friedens-
prozess zu gewinnen und mit einer entsprechenden, abgestimmten Position
gemeinsam dafür einzutreten;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4777

8. darauf zu drängen, alle am Konflikt beteiligten und von diesem betroffenen
Gruppen, insbesondere aber die relevanten zivilgesellschaftlichen Kräfte,
und hier wiederum insbesondere die Frauen, am Friedensprozess zu betei-
ligen;

9. sich für die schnellstmögliche Einrichtung eines international verwalteten
Entschädigungsfonds für die Opfer des Darfur-Konflikts aus den sudane-
sischen Öleinnahmen einzusetzen;

10. die Bereitschaft zu einer massiven Unterstützung eines zivilen Wiederauf-
bauprogramms in Darfur anzukündigen;

11. verstärkte Initiativen auch zur Stabilisierung des Nord-Süd-Friedens-
prozesses einzuleiten, um ein Auseinanderfallen des Sudan zu verhindern.

Berlin, den 21. März 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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