BT-Drucksache 16/4425

Afrika auf dem Weg zu Demokratie und nachhaltiger Entwicklung unterstützen

Vom 28. Februar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4425
16. Wahlperiode 28. 02. 2007

Antrag
der Abgeordneten Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Dr. Uschi Eid,
Jürgen Trittin, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Renate Künast,
Fritz Kuhn, Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg),
Rainder Steenblock, Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Afrika auf dem Weg zu Demokratie und nachhaltiger Entwicklung unterstützen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In Afrika bieten sich neue Chancen der Kooperation. Afrika ist mehr als Krisen
und Katastrophen, Afrika ist kein „verlorener Kontinent“. Es finden durchaus
demokratische und ökonomische Fortschritte statt, die aber von Politik und
Medien oft unbemerkt bleiben. Die deutsche EU-Präsidentschaft und die G8-
Präsidentschaft schaffen die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit Afrika auf
allen politischen Feldern weiterzuentwickeln.

Nach mehr als zwei Jahrzehnten Stagnation gibt es in den letzten Jahren reale
Zeichen eines wirtschaftlichen Aufschwungs auf dem afrikanischen Kontinent.
In vielen Ländern stabilisiert sich das Wirtschaftswachstum, verbessern sich
Handelsbedingungen und ergeben sich neue Investitionsmöglichkeiten. In einem
Großteil der afrikanischen Staaten wurden Reformen eingeleitet, die zu besserer
wirtschaftlicher Entwicklung führen können. Dies stellt der Weltbankbericht
„Doing Business 2006“ fest. Lagen die Privatinvestitionen beispielsweise vor
sechs Jahren bei rund 10 Mrd. US-Dollar, waren es 2005 bereits 28 Mrd. US-
Dollar. International wurden Erfolge bei der Entschuldung der ärmsten Ent-
wicklungsländer erzielt. Die Ausgaben für Gesundheit und Bildung konnten in
den entschuldeten Ländern erhöht werden.

Doch trotz dieser Fortschritte und eines durchschnittlichen Wirtschaftswachs-
tums von 5,5 Prozent in 2005 ist Afrika die einzige Region der Erde, in der die
Zahl der Armen insgesamt noch immer steigt. 33 Prozent der Menschen in
Afrika südlich der Sahara – ein doppelt so hoher Anteil wie im Schnitt der Ent-
wicklungsländer – hungern oder leiden an Unterernährung. Die Kindersterb-
lichkeit in der Region ist weiterhin auf einem unerträglich hohen Stand. Die Le-
benserwartung ist in Subsahara-Afrika 16 Jahre niedriger als im Schnitt der
Entwicklungsländer.
Diese Probleme stellen den Kontinent vor enorme Herausforderungen. Deren
Bewältigung ist ohne aktive innerstaatliche Reformbemühungen durch die poli-
tisch Verantwortlichen in Afrika nicht vorstellbar. Sie muss flankierend verbun-
den werden mit Unterstützung durch die Industrieländer.

Zentrale Organisationen und Referenzrahmen, innerhalb derer die Bundesregie-
rung Afrika auf seinem Weg zu Demokratie und Entwicklung unterstützen soll,

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sind traditionell die Internationalen Organisationen Vereinte Nationen, die
WTO und ihre Handelsrunde, die Weltbank und der IWF. Von herausragender,
handlungsleitender Bedeutung für die deutsche Afrikapolitik sind zugleich die
von den Vereinten Nationen, der G8 und der EU als politischer Orientierungs-
rahmen anerkannte afrikanische Reforminitiative NePAD (New Partnership for
Africa’s Development) der Afrikanischen Union von 2001 und die EU-Afrika-
Strategie aus dem Jahr 2005. Daneben sind die Kooperation und Unterstützung
mit den für die Entwicklung und Integration des Kontinents zentralen afrikani-
schen Regionalorganisationen wie SADC oder ECOWAS von besonderer Be-
deutung.

Die im Jahr 2000 von den Regierungschefs nahezu aller Länder dieser Welt be-
schlossenen Millenniumsziele – allem voran die Bekämpfung der Armut und
des Hungers, bilden eine Art „Magna Charta“ im Zeitalter der Globalisierung
(Kofi Annan). Bei der Umsetzung der Millenniumsziele geht es um die Ver-
wirklichung elementarer Menschenrechte, unter denen in Subsahara-Afrika
dem „Recht auf Nahrung“ besondere Bedeutung zukommt. Aus Sicht des Deut-
schen Bundestages müssen zentrale Bereiche wie „gute Regierungsführung“
und die politischen Menschenrechte stärker berücksichtigt werden.

Bei der Verabschiedung der Millenniumsziele wurde betont, dass die Halbierung
der Armut in Afrika eine jährliche Wachstumsrate von mindestens 8 Prozent
erfordern wird. Betrachtet man die heutigen Armutszahlen, wird klar, dass hier-
für alle Beteiligten ihre Anstrengungen deutlich erhöhen müssten. Notwendige
innerstaatliche Reformen, mehr Investitionen aus dem In- und Ausland, weit
höhere Anstrengungen im Klima- und Umweltschutz, Fortschritte bei internatio-
nalen Handelsverhandlungen, mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit – all
das muss partnerschaftlich im Sinne eines fairen Interessenausgleichs umgesetzt
werden. Hohe Wachstumsraten allein tragen nicht automatisch dazu bei, dass die
Millenniumsziele erreicht werden. In einigen afrikanischen Staaten ist zu beob-
achten, dass trotz steigender Wachstumsraten auch die Zahl der extrem Armen
und Hungernden zunimmt, weil der wirtschaftliche Aufschwung nur einige
wenige Reiche reicher macht, da eine Politik des sozialen Ausgleichs fehlt. Die-
ses Phänomen ist gerade in den Öl exportierenden Staaten zu beobachten.

Die Verantwortung für eine Politik der sozialen und nachhaltigen Entwicklung
sowie für die Erreichung der Millenniumsziele liegt zuallererst bei den afrika-
nischen Ländern selbst. Aber auch die Länder des Nordens – inklusive
Deutschland – sollen dazu ihren Beitrag leisten. Dabei darf eine Kooperation
nicht nur bei den Staatsführern und Wirtschaftseliten ansetzen, sondern muss
sich angesichts des überwältigenden Gewichtes der informellen Wirtschaft der
Herausforderung stellen, Lösungen „von unten“, von den Menschen her, zu be-
fördern. Organisationen afrikanischer Bauern, Frauen, Handwerker und anderer
zivilgesellschaftlicher Akteure müssen darin unterstützt werden, bei wirtschaft-
lichen und gesellschaftlichen Zukunftsfragen stärker mitreden zu können.

Afrika mit neuen strategischen Optionen

Die Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank der 1980er Jahre
sind in Afrika gescheitert. Politisch wird mit den Misserfolgen von Weltbank
und IWF auch die Konditionierung finanzieller Hilfe an Privatisierungen,
Haushaltssanierung mit starken Einschnitten bei Sozialausgaben und die Han-
delsliberalisierung in Frage gestellt. Dass afrikanische, asiatische und westliche
Unternehmen im Rohstoffgeschäft seit Jahrzehnten hohe Gewinne erwirtschaf-
ten und Teile davon bei afrikanischen Politikern, Warlords oder sonstigen Pro-
fiteuren in dunkle Kanäle fließen, ohne dass sich die Lebensbedingungen der
Bevölkerung verbesserten, ist ein Skandal und erregt zu Recht immer mehr

Protest.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4425

Afrikanische Staaten streben ausgewogene Beziehungen und eine Diversifizie-
rung der Wirtschaftspartner an. Die verstärkte Süd-Süd-Kooperation – vor allem
die vertiefte Kooperation mit China, Indien und anderen Schwellenländern –
führt zu einer sich schnell verstärkenden Integration afrikanischer Staaten in
die Weltwirtschaft. Während über Jahrzehnte die Handelsströme zwischen
Nord und Süd verliefen, stellen wir nach 2000 eine massive Erhöhung von
Handel und Investitionen zwischen Asien und Afrika fest. Heute kommen
27 Prozent aller asiatischen Importe aus Afrika, im Jahre 2000 waren es 14 Pro-
zent. Der Handelsanteil der EU hat sich zwischen 2000 und 2005 halbiert.

Damit einher geht eine politische Aufwertung des Kontinents, die am sichtbars-
ten beim diesjährigen China-Afrika-Gipfel in Peking wurde. Das politische und
wirtschaftliche Engagement Chinas in Afrika erweitert den politischen Spiel-
raum zumindest für rohstoffreiche Staaten auf dem Kontinent, birgt aber auch
die Gefahr der Stabilisierung autoritärer Strukturen und einer neuen Form
struktureller Abhängigkeiten. Die gestiegene strategische und wirtschaftliche
Bedeutung Afrikas lässt auf verschiedenen Ebenen der Weltpolitik Auswirkun-
gen erwarten; zum Beispiel wird die Kooperation zwischen Asien und Afrika in
den Vereinten Nationen wohl zunehmen, vermutlich auch in den internatio-
nalen Finanzinstitutionen. Damit deutet sich auch eine Veränderung in den
Beziehungen afrikanischer Staaten zu Europa an; denn sie stellt die tradierte
Zusammenarbeit in Frage und erfordert ein neues Nachdenken über eine zeitge-
mäße Form der Zusammenarbeit auf allen Seiten sowie einen afrikapolitischen
Dialog zwischen Europa und China.

Die afrikanischen Staaten und die Afrikanische Union (AU) müssen im gleichen
Maße wie unsere Nachbarregionen Naher und Mittlerer Osten und Osteuropa
ein stärkeres Gewicht in der deutschen und europäischen Außenpolitik einneh-
men. Deutschland und die EU haben eine politische und ethische Verpflich-
tung, die Erreichung der MDG in Afrika durch eine aktivere Entwicklungs-
politik zu unterstützen, sie haben aber auch ein eigenes Interesse daran.
Deutschland und die EU dürfen Afrika nicht als Bittsteller behandeln, sondern
müssen ihre eigenen Interessen an Afrika formulieren und diese im partner-
schaftlichen Dialog mit afrikanischen Akteuren verfolgen. Deutschland und die
EU sind keine scheinbar selbstlosen Akteure, sondern haben eigene außen-,
sicherheits- und wirtschaftspolitische Interessen an einem friedlichen, demo-
kratischen und ökonomisch prosperierenden Nachbarkontinent.

Zu diesen Interessen gehören eine Migration zwischen Afrika und Europa, von
der beide Seiten profitieren und die nicht mit einer Festung Europa, Flücht-
lingsdramen und einem brain drain aus afrikanischen Gesellschaften einher-
geht. Gerade nach dem 11. September 2001 und den Anschlägen in Madrid und
London haben auch Deutschland und die EU ein sicherheitspolitisches Inte-
resse daran, dass radikale Islamisten sich nicht – wie z. B. in Somalia und
Nordnigeria – als Ordnungsfaktor etablieren und dass instabile Staaten zu
Rückzugsräumen und Operationsbasen für internationale Terroristen und orga-
nisierte Kriminalität werden. Deutschland und die EU haben ein wirtschafts-
und energiepolitisches Interesse an intensiven Handelsbeziehungen und guten
Investitionsbedingungen, von denen die Gesellschaften auf beiden Kontinenten
profitieren, und nicht daran, dass korrupte Eliten zusammen mit einigen inter-
nationalen Konzernen die Rohstoffe Afrikas plündern und die volkswirtschaft-
liche Leistungskraft niedrig bleibt. Ferner gibt es ein klimapolitisches Interesse
daran, dass die Regenwälder Afrikas im Einklang mit den Bedürfnissen der
Menschen in den entsprechenden Staaten geschützt werden und die Ausbrei-
tung von Wüsten gestoppt wird. Nicht zuletzt gibt es ein generelles außenpoliti-
sches Interesse an einem politisch handlungsfähigen afrikanischen Nachbarn
mit effektiven demokratischen Staaten und supranationalen Strukturen, um ge-

meinsam globale Zukunftsfragen bewältigen zu können. Die Verfolgung dieser
Interessen und die Erreichung der MDG hängen auch eng mit einer erfolgrei-

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chen Beilegung bewaffneter Konflikte und der erfolgreichen Stabilisierung von
Postkonfliktgesellschaften in Afrika zusammen.

Die im Dezember 2005 beschlossene EU-Afrika-Strategie unterstreicht die
außenpolitische Bedeutung Afrikas für die EU und muss weiterentwickelt und
umgesetzt werden. Sie muss endlich auch zu einer besseren Koordinierung der
nationalstaatlichen Afrikapolitiken führen. Der anstehenden deutschen EU-
Ratspräsidentschaft kommt die Aufgabe zu, eine gemeinsame Umsetzung der
Strategie durch AU und EU voranzubringen, die dann auf einem EU-Afrika-
Gipfel im Laufe des Jahres 2007 verabschiedet werden kann. Das Ziel muss
eine wirksame strategische EU-AU-Partnerschaft sein, deren Fundament starke
Beziehungen zu den Regionalorganisationen sein müssen.

Verbesserte Beteiligung afrikanischer Staaten in internationalen Institutionen

Die Effektivität und Legitimität internationaler Organisationen wie der Welt-
bank und des IWF steht auf dem Spiel. Kaum jemand glaubt, dass die Struktu-
ren dieser Institutionen heute noch die wirtschaftlichen Veränderungen der letz-
ten Dekaden widerspiegeln. Während für eine Reihe von Schwellenländern
über eine Erhöhung der Stimmrechte und eine verbesserte Partizipation nach-
gedacht wird, ist offen, inwieweit der afrikanische Kontinent in den Bretton-
Woods-Organisationen besser repräsentiert werden kann.

Mit dem Scheitern von Teilen der Reform des UN-Systems, insbesondere der
Erweiterung des Sicherheitsrates, bleibt die Etablierung eines ständigen afrika-
nischen Sitzes im Sicherheitsrat Zukunftsmusik. Neben der Unterstützung regio-
naler Kooperation bedarf es auch hier eines neuen Anlaufs, in diesem zentralen
Gremium der UN eine Repräsentanz Afrikas auf den Weg zu bringen. Es ist be-
dauerlich, dass die afrikanischen Staaten eine Mitverantwortung für das Schei-
tern der UN-Reform tragen, da sie sich im Vorfeld nicht auf eine tragfähigere
Verhandlungsposition einigen konnten. Wenn eine Reform des Sicherheitsrates
wieder auf der internationalen Agenda steht, liegt es im eigenen Interesse auch
der afrikanischen Staaten, zu deren Gelingen beizutragen.

In der WTO stellt sich zwar formal nicht die Frage der Stimmrechte, vielmehr
jedoch die Fähigkeit (capacity), angemessen mitverhandeln zu können. Hier
sind gerade kleinere afrikanische Staaten noch immer nicht in der Lage, an
allen relevanten Verhandlungen teilzunehmen, die Streitschlichtung für sich zu
nutzen und die nötige Expertise im eigenen Land aufzubauen.

Zunehmend friedliche Machtwechsel – größere Stabilität

Frieden und Sicherheit sind wie überall auf der Welt fundamentale Vorausset-
zungen für eine nachhaltige Entwicklung. Im Jahrzehnt zwischen 1990 und
2000 starben in Subsahara-Afrika mehr als doppelt so viele Menschen an ge-
waltsamen Konflikten wie in jeder anderen Region der Welt. Doch inzwischen
zeichnet sich eine positive Entwicklung ab. Seit 2002 ist die Zahl inner- und
zwischenstaatlicher Konflikte in Afrika deutlich zurückgegangen. So konnten
einige der längsten Bürgerkriege beendet werden wie zum Beispiel der 21 Jahre
dauernde Konflikt zwischen Nord- und Südsudan sowie die Kriege in Angola
und Liberia. Die Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo lassen hoffen,
dass auch in der Region der Großen Seen – flankiert von internationaler Unter-
stützung – eine Phase der Stabilisierung beginnt. Vor allem am Horn von Afrika
jedoch führen kriegerische Auseinandersetzungen (im Sudan und seinen Nach-
barstaaten, in Somalia) und schwelende Konflikte (Äthiopien, Eritrea) aktuell
zu teils massivem humanitären Leid und Verlust an Menschenleben. Hier wie in
vielen Postkonfliktgesellschaften bleiben inner- und intrastaatliche Konflikte

bzw. mangelnde Sicherheit ein zentrales Hemmnis für nachhaltige Entwicklung
und die Erreichung der Millenniumsziele. Ein andauerndes Problem ist dabei

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die nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit von Kleinwaffen auf großen Teilen des
afrikanischen Kontinents. Hier brauchen wir viel stärkere Maßnahmen der in-
ternationalen Gemeinschaft zur Abrüstung und gegen den Kleinwaffenhandel.

Die Ausbreitung islamistischer Ideologie ist auch in Afrika eine Gefahr für eine
friedliche Entwicklung. Dies gilt nicht nur für Anschläge von Al Qaida und
deren Aufruf zum Heiligen Krieg z. B. gegen die geplante UN-Friedenstruppe
in Darfur. Konflikte wie in Nordnigeria, wo islamistische Bewegungen die Ein-
führung der Scharia erzwungen haben und es deswegen immer wieder zu ge-
walttätigen Konflikten kommt, drohen auch in anderen Ländern. Eine einseitig
auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus beschränkte Perspektive
auf komplexe Konflikte mit islamistischen Akteuren – wie z. B. in Somalia –
ist jedoch kontraproduktiv. Es bedarf nachhaltiger politischer Konzepte, um der
Ausbreitung von Islamismus – aber auch christlichem Fundamentalismus – in
Afrika zu begegnen.

Mit Gründung der AU haben die afrikanischen Staaten mit dem Aufbau einer
afrikanischen Sicherheitsarchitektur begonnen und übernehmen damit kollek-
tive Verantwortung für Frieden und Sicherheit in Afrika. Es gehört zu den posi-
tiven Errungenschaften der AU, dass sie das aus der Zeit des Kampfes gegen
Kolonialherrschaft stammende Prinzip der Nichteinmischung in innere Angele-
genheiten der Mitgliedstaaten zugunsten der Menschenrechte eingeschränkt hat
und sich gemäß des Grundsatzes der „Responsibility to protect“ im Ernstfall zu
kollektiven friedenssichernden und auch friedenserzwingenden Einsätzen ver-
pflichtet. Leider haben aber auch die 13 afrikanischen Mitglieder im UN-Men-
schenrechtsrat eine von den europäischen Mitgliedern geforderte Verurteilung
der sudanesischen Regierung wegen des schleichenden Völkermords in Darfur
blockiert und verstoßen mit ihrem dortigen Abstimmungsverhalten insgesamt
gegen die eigenen Ansprüche der AU.

Von besonderer Bedeutung ist jedoch die erste gemeinsame AU-Friedensmis-
sion AMIS, die den Schutz der Bevölkerung in Darfur allerdings nicht garantie-
ren konnte. Hier sind aktuell die internationale Gemeinschaft und damit auch
die EU und Deutschland dringend gefragt, energische Initiativen zu ergreifen,
um zusammen mit der AU endlich die Entsendung einer robusten UNO-Frie-
densmission durchzusetzen, die die Zivilbevölkerung effektiv vor weiteren
Massakern schützen kann.

Initiativen im Rahmen der Partnerschaft zwischen den G8-Staaten und NePAD
wie zur Ausbildung von Personal wie im Kofi Annan Peacebuilding Training
Centre in Ghana tragen dazu bei, in Afrika Kapazitäten aufzubauen, friedens-
sichernde Einsätze selbst vornehmen zu können.

Die Europäische Union und Deutschland beteiligen sich ausgehend von ihrem
multilateralen Anspruch gegenüber den Vereinten Nationen an der Konfliktprä-
vention und der Konfliktbeilegung in Afrika. Sie haben ein außen- und sicher-
heitspolitisches Interesse an einer friedlichen Entwicklung auf ihrem Nachbar-
kontinent Afrika, das sie im partnerschaftlichen Dialog mit der AU und ihren
Mitgliedstaaten verfolgen. Dazu muss auch eine verstärkte Bereitschaft gehö-
ren, sich mit europäischen bzw. deutschen Soldaten an UN-mandatierten Frie-
denseinsätzen in Afrika zu beteiligen, so wie es das von der EU verabschiedete,
aber leider bisher wenig praxistaugliche Battlegroup-Konzept vorsieht. Aller-
dings dürfen solche im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Einsätze nicht dazu
führen, dass die zentrale Bedeutung der zivilen Krisenprävention und langfris-
tiger Unterstützungsprogramme bei der Entwaffnung, Demobilisierung und
Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer, bei der Sicherheitssektorreform und
bei der Schaffung eigenständiger afrikanischer Peacekeeping-Kapazitäten in
den Hintergrund gerät.

Drucksache 16/4425 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die EU und Deutschland müssen die Förderung und Achtung der Menschen-
rechte als eine Grundsäule ihrer Beziehungen mit Afrika verfolgen. Dazu müs-
sen auch Überlegungen angestellt werden, wie der Afrikapolitik Chinas begeg-
net werden kann, die afrikanischen Staaten unabhängig von Demokratie- und
Menschenrechtsstandards massive ökonomische Hilfe und Investitionen zu-
kommen lässt und die im Einzelfall offensichtlich bereit ist, auch im Sicher-
heitsrat der Vereinten Nationen vom Veto Gebrauch zu machen. Mittelfristiges
Ziel muss es sein China zur Achtung internationaler Standards zu bewegen.

Mit Kleinwaffen ausgerüstete Personen sind auch in Afrika für einen Großteil
aller Opfer bewaffneter Konflikte, darunter häufig Frauen und Kinder, verant-
wortlich. Im Antrag auf Bundestagsdrucksache 16/1967 hat sich die Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für eine umfassende Begrenzung und Kontrolle
des Handels mit Kleinwaffen und Munition ausgesprochen. Diese wäre gerade
für den afrikanischen Kontinent von großer Bedeutung, da dort in besonderem
Ausmaß Kinder in bewaffnete Konflikte einbezogen sind.

Die Zahl der Kindersoldaten wird weltweit auf 250 000 geschätzt. In vielen
afrikanischen Staaten werden insbesondere von Rebellengruppen die Militari-
sierung und der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen als Mittel eingesetzt,
um ganze Gemeinschaften zu zerstören. Die Bemühungen zur Wiedereingliede-
rung von Kindersoldaten in die betroffenen Familien, Gemeinden und Gesell-
schaften haben in einigen Ländern Fortschritte gemacht. Gleichwohl müssen
sie verstärkt werden. Die Rekrutierung von Kindern ist ein Kriegsverbrechen
und wird vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag als solches ver-
folgt. Kindersoldaten sind Täter und Opfer zugleich. Nicht wenige begehen
Selbstmord, weil sie keine oder unzureichende Hilfe bei der Bewältigung und
Verarbeitung ihrer Erlebnisse bekommen. Die am 13. Februar 2007 in Paris von
58 Staaten verabschiedeten „Pariser Prinzipien“ gegen den Missbrauch von
Minderjährigen als Kindersoldaten, die unter anderem auch Liberia, Kongo und
Sierra Leone unterzeichnet haben, stellen einen wichtigen Schritt zum Schutz
von Kindern in Kriegen dar und müssen – auch mit Unterstützung Deutsch-
lands – tatkräftig umgesetzt werden.

Ehemalige Kindersoldaten haben im deutschen Asylverfahren noch immer
schlechte Chancen. Denn in Deutschland werden im Asylverfahren keine
kindspezifischen Fluchtgründe wie die Rekrutierung als Minderjähriger oder
die Ermordung der Eltern als asylrelevant anerkannt. Dies ist mit einer kinder-
rechtsorientierten Politik nicht vereinbar.

Gute Regierungsführung ist eine Voraussetzung für Entwicklung

Die Entwicklung demokratisch legitimierter Regierungsformen in Afrika ist ein
Fortschritt. Ökonomischer und sozial gerechter Fortschritt brauchen starke
rechtsstaatliche, demokratische Institutionen sowie verantwortliches und effek-
tives Regierungshandeln und eine demokratische politische Kultur.

Die auf dem afrikanischen Kontinent immer noch weit verbreiteten Defizite im
Bereich guter Regierungsführung müssen im Interesse der Wahrung demokra-
tischer, rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Standards, aber auch im Inte-
resse der ökonomischen und menschlichen Entwicklung zuvorderst von den
afrikanischen Staaten selbst aktiv angegangen werden.

Durch die Initiierung der NePAD-Initiative (New Partnership for Africa’s
Development) 2001 ist ein positiver Prozess der politischen Reform eingeleitet
worden. Die im Rahmen von NePAD begonnenen Reformen zielen auf die
Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, menschlicher Entwicklung,
ökonomischen Wachstums und auf Frieden und Sicherheit für den Kontinent.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/4425

Das Herzstück von NePAD zur Verwirklichung der Reformen ist der African
Peer Review Mechanism (APRM). Hierbei handelt es sich um einen Prozess
der freiwilligen gegenseitigen Bewertung der afrikanischen Staaten auf den Ge-
bieten Demokratie und Governance sowie hinsichtlich der sozio-ökonomischen
Entwicklung. Es bleibt abzuwarten, wie mit den Ergebnissen der gegenseitigen
Bewertungen verfahren wird. Der Deutsche Bundestag wird die Umsetzung der
APRM-Berichtsempfehlungen künftig auch gegenüber einer Reihe von Staats-
präsidenten einzufordern haben, die selbst nur unter zwielichtigen Umständen
an die Macht gekommen sind und diese Macht seit über 20 Jahren mit Korrup-
tion und Gewaltanwendung verteidigen.

Der zukünftige Erfolg des APRM hängt im Eigeninteresse der Afrikaner davon
ab, ob es gelingt, grobe Verstöße nicht nur zu benennen, sondern diese durch
entschlossenes Vorgehen zu beseitigen. Sowohl die afrikanischen Parlamente
als auch die lokalen Zivilgesellschaften müssen in den Beratungs- und Über-
wachungsprozess mit einbezogen werden. Nur so kann der NePAD-Prozess
eine breitere gesellschaftliche Teilhabe, über die Partnerregierungen hinaus,
erhalten und somit zum Maßstab für die weitere finanzielle Unterstützung
werden, die der G8-Afrika-Aktionsplan ausdrücklich an die Durchführung von
Reformen knüpft.

Die AU unternimmt aktive Schritte zur Umsetzung von NePAD. So sind im
Bereich der guten Regierungsführung etwa die Verabschiedung der Konvention
der AU zur Korruptionsvorbeugung und -bekämpfung vom Juli 2003 oder die
Einrichtung eines Menschenrechtsgerichtshofs der Afrikanischen Union her-
vorzuheben, der erstmals im Juli 2006 zusammengetreten ist.

Die sozialen und ökologischen Herausforderungen bleiben gewaltig – bei
gleich bleibendem Trend werden die Millenniumsziele in Afrika nicht erreicht

Die positiven Entwicklungen können nicht den Blick dafür verstellen, dass der
Weg zur Umsetzung der Entwicklungsziele der Vereinten Nationen immer noch
weit ist. Die Zahl der Menschen, die in absoluter Armut leben, hat sich in den
letzten 25 Jahren in Subsahara-Afrika fast verdoppelt: Sie stieg von 160 Millio-
nen auf rund 300 Millionen. Die Zahl der Hungernden hat sich in vielen Län-
dern erhöht. Als Beispiel mangelnder Umsetzung der Entwicklungsziele kann
auch der Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung gel-
ten, denen eine Schlüsselfunktion für Entwicklung zukommt. In beiden Berei-
chen gab es in afrikanischen Staaten nur bescheidene Fortschritte. Wenn der
afrikanische Kontinent die Millenniumsziele also erreichen soll, muss die Wirt-
schaft der Länder nach Schätzungen der Vereinten Nationen jährlich um 8 Pro-
zent wachsen. Laut Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation ILO sind
heute in Afrika nur 5 bis 10 Prozent der Erwerbstätigen sozialversichert. Ange-
sichts der demographischen Entwicklung des Kontinents – annähernd die
Hälfte aller Afrikaner ist unter 14 Jahre alt – beschleunigt sich der Druck, der
großen Zahl sehr junger Afrikanerinnen und Afrikaner eine Perspektive zu bie-
ten. Momentan reichen neue Arbeitsmöglichkeiten nicht aus, um genug jungen
Menschen Arbeit zu bieten. Flucht erscheint vielen als letzte Möglichkeit. Der
besonderen strategischen Bedeutung der Frauen im informellen Sektor im
Allgemeinen und in der Landwirtschaft im Besonderen wird bisher in den
Entwicklungsstrategien nicht angemessen Rechnung getragen. Die stärkere
Berücksichtigung von Frauen beim Zugang zu Land und zu Krediten ist von
entscheidender Bedeutung für die Bekämpfung von Hunger und Armut.

Der Afrika-Aktionsplan der G8 sieht vor, die afrikanische Landwirtschaft unter
anderem durch eine verstärkte Agrarforschung zu unterstützen. Zu lange haben
sich diese internationale und nationale Agrarforschung jedoch nur um landwirt-

schaftlich bevorzugte Gebiete und um die Agrarexportindustrie gekümmert.
Diese muss sich ändern: Für eine effiziente Hungerbekämpfung sind die gezielte

Drucksache 16/4425 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ländliche Entwicklung und eine nachhaltige Landwirtschaft besonders vor-
dringlich, die vor allem die Rolle der Kleinbauen für die Ernährungssicherheit
berücksichtigt.

Afrikanische Staaten sind stark abhängig von der Landwirtschaft zur Sicherung
der eigenen Ernährung und zur Steigerung des Einkommens. Die Produktivität
im landwirtschaftlichen Bereich liegt weit hinter der anderer Entwicklungs-
länder. Eine stärkere Konzentration auf die ländliche Entwicklung mit deutlich
größerer finanzieller Unterstützung durch internationale Geber und eine Redu-
zierung negativer Einflüsse auf die ländliche Entwicklung in Afrika sind not-
wendig. Letztere zielt vor allem auf die Abschaffung aller Subventionen in
Industrieländern, die afrikanische Märkte gefährden oder gar zerstören. Für die
Erreichung der Millenniumsziele sollten die „freiwilligen Leitlinien zur Umset-
zung des Rechts auf Nahrung“, die im November 2004 durch den Rat der FAO
verabschiedet wurden, eine wichtige Rolle spielen. Auch das NePAD-Agrar-
entwicklungsprogramm „Comprehensive Africa Agriculture Development Pro-
gramme“ (CAADP) soll Beiträge zur Hungerbekämpfung im Rahmen eines
gemeinsamen Vorgehens von G8 und den Staaten Afrikas leisten.

In vielen afrikanischen Staaten leidet die Landwirtschaft schon jetzt unter dem
Klimawandel. Verringerte Niederschläge in der gesamten Sahelzone, häufigere
Dürren, unbeständigeres Wetter und Starkregenfälle zählen zu den aktuellen
Symptomen. Von allen Wirtschaftssektoren wird die Landwirtschaft und damit
der ländliche Raum die Hauptlast der Folgen des zunehmenden Klimawandels
tragen. Das ist besonders problematisch in den meisten afrikanischen Staaten,
in denen der Agrarsektor zwischen einem Viertel und zwei Drittel zum Brutto-
nationaleinkommen beisteuert und ein Großteil der Menschen seinen Lebens-
unterhalt mit Landwirtschaft verdient.

Die Armut in den rasch wachsenden urbanen Siedlungen Afrikas erlangt zu we-
nig Aufmerksamkeit, obwohl der Anteil der städtischen Armen nach Angaben
von UN-Habitat schneller wächst als die Stadtbevölkerungen. Armut erhält also
einen in steigendem Maße urbanen Charakter. Zu Recht ist ein Teilziel vom
Millenniumsentwicklungsziel 7 den Slumbewohnern gewidmet. Es stellt darauf
ab, das Leben von 100 Millionen von ihnen zu verbessern.

Prognosen stimmen darin überein, dass die negativen Auswirkungen des Kli-
mawandels Afrika ganz besonders stark treffen werden. Der „Bericht über die
menschliche Entwicklung 2006“ des Entwicklungsprogramms der Vereinten
Nationen UNDP stellt fest, dass Wassermangel in den kommenden Dekaden
vor allem in afrikanischen Ländern zu einem akuten Problem wird. Den dürre-
anfälligen Ländern im südlichen Afrika drohten so Probleme der Sicherheit der
Nahrungsmittelversorgung, die zu den schwerwiegendsten auf der Welt zähl-
ten, einhergehend mit großer Armut und verbreiteter Unterernährung. Nach
einer Prognose des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderung IPCC
wird die Getreideproduktion in weiten Teilen Afrikas bis 2080 um 25 Prozent
und mehr zurückgehen. Bei anderen Grundnahrungsmitteln sowie Exportgütern
wie Kaffee und Tee prognostiziert das IPCC einen Rückgang der Erträge in
ähnlicher Größenordnung. Der Klimawandel, so der UNDP-Bericht, sei in
Afrika bereits spürbar. Die Entwicklungszusammenarbeit muss darum ins-
gesamt, aber auch speziell im Bereich ländlicher Entwicklung, weit stärker als
bisher auf die Herausforderung des globalen Treibhauseffekts reagieren. Der
Unterstützung bei Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel muss gerade in
Afrika weit höhere Priorität in der Entwicklungszusammenarbeit zukommen.
Je früher wir handeln, desto geringer sind die Kosten – und desto mehr können
wir bewirken.

Während in den letzten Jahren zu Recht stark in sozialen Bereichen investiert

worden ist, fallen die Investitionen in die Infrastruktur, die Landwirtschaft und
die produktiven Bereiche zurück. Mit der international angekündigten Steige-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/4425

rung der Mittel sollten neue Spielräume entstehen, auch diese Bereiche stärker
zu fördern. Zudem müssten die privaten Investitionen ausgeweitet werden.

Drei Millenniumsentwicklungsziele stehen in konkretem Bezug zur Gesundheit:
die Senkung der Müttersterblichkeit, die Senkung der Rate der Kindersterblich-
keit unter fünf Jahren und die Verringerung der Neuinfektionen mit HIV, Mala-
ria und Tuberkulose. Die mangelnden Fortschritte verursachen unerträgliches
Leid, sie bilden aber auch eine schwere Hypothek für die wirtschaftliche Ent-
wicklung, da häufig Menschen im Berufsalter betroffen sind. Afrikanische
Frauen tragen durch Verarmung, erhöhte Arbeitsbelastung und Einschränkung
ihrer Zukunftschancen meist auch den größten Teil der Folgen der Epidemien.

Entscheidend für die Entwicklung vieler Länder werden die Stärkung der Ge-
sundheitssysteme, der Kampf gegen Malaria und HIV/Aids sowie Fortschritte
bei Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung sein. Rund 80 Prozent der
Krankheiten in Entwicklungsländern sind auf verunreinigtes Wasser zurückzu-
führen, das eine der Hauptursachen für Kindersterblichkeit ist. Rund 60 Prozent
der mit dem HI-Virus infizierten Menschen leben in Afrika. Südafrika,
Botsuana, Sambia und Zimbabwe sind besonders betroffen. Während in der
öffentlichen Debatte das Augenmerk stärker auf HIV/Aids gerichtet ist, fallen
auch der Malaria jährlich eine Million Menschen zum Opfer. Subsahara-Afrika
ist auch hier besonders betroffen: Laut WHO entfallen auf die Region mindes-
tens 86 Prozent der weltweiten Malaria-Opfer. Malaria wird häufig als „stille
Epidemie“ bezeichnet, da Industrieländer nicht betroffen sind und anders als
bei HIV/Aids nicht direkt die produktive Bevölkerungsgruppe, sondern vor al-
lem kleine Kinder unter fünf Jahren und schwangere Frauen betroffen sind.

Die in einigen Ländern bestehende Bereitschaft, auf allen Ebenen offen über
Infektionskrankheiten zu diskutieren, ist Voraussetzung für Fortschritte im
Kampf gegen die Krankheiten. Auch wenn die Kosten für die so genannte erste
Behandlungslinie von HIV/Aids bei anti-retroviralen Medikamenten reduziert
werden konnten und mehr Menschen Zugang zu einer Behandlung haben, sind
die Defizite noch erheblich. Gerade für Frauen und Kinder erweist sich HIV/
Aids in der Regel als tödlich.

Hinzu kommen zwei wenig beachtete Phänomene. Bisher schenkt die Pharma-
industrie der Forschung an Medikamenten gegen HIV/Aids, Malaria und
Tuberkulose sowie gegen andere vernachlässigte Krankheiten nicht genug Auf-
merksamkeit. Ein Grund dafür sind mangelnde Absatzerwartungen infolge der
geringen Finanzkraft in Entwicklungsländern. Zweitens wird die Krise im Ge-
sundheitsbereich in Afrika durch die Praxis der gezielten Abwerbung medizini-
schen Personals einiger Industrieländer noch verschärft. So arbeiten in London
derzeit mehr malawische Ärzte als in ganz Malawi selbst.

Die Stärkung der Stellung der Frau in der afrikanischen Gesellschaft ist ent-
scheidend für den Fortschritt in Afrika. Vielen Frauen wird die Mitsprache bei
Entscheidungen z. B. über die Gesundheit in der Familie verweigert, wodurch
sich die Risiken für die Kinder erhöhen. Frauen stellen in der Regel ihre eige-
nen Bedürfnisse und andere Investitionen eher zurück und räumen der Ernäh-
rung der Familie Vorrang ein – auch wenn Nahrungsmittel knapp sind. In der
Bildungspolitik muss darauf geachtet werden, dass Mädchen und Frauen er-
reicht und einbezogen werden, denn sie bilden das Rückgrat der Familie und
sind die Leistungsträgerinnen. Der Kampf gegen Gewalt an Mädchen und
Frauen muss intensiviert werden und frauenfeindliche Praktiken wie Genital-
verstümmelung abgeschafft werden.

Entwicklungsfinanzierung auf eine solide Grundlage stellen
Sowohl die G8-Staaten als auch die EU haben sich verpflichtet, die Hilfen für
Afrika bis 2010 zu verdoppeln. Niemand geht davon aus, allein mit der Aufsto-

Drucksache 16/4425 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ckung der Mittel Entwicklungsblockaden aufheben zu können. Hilfe von außen
in Verbindung mit stärkeren Eigenanstrengungen, u. a. durch den Aufbau von
effizienten Steuersystemen, können den Spielraum für lebensrettende Investi-
tionen gehörig erweitern. Gefordert sind bei der Umsetzung der Entwicklungs-
zusammenarbeit eine bessere Abstimmung, Konzentration der Geber auf die
eigenen Stärken, die ein Nebeneinander vieler bilateraler und multilateraler
Akteure reduziert und ein koordiniertes Vorgehen befördert. Für eine Steige-
rung der Effizienz in der Entwicklungszusammenarbeit werden auch die Nut-
zung neuer Methoden, der Einsatz von Budgethilfe, der Ausbau gemeinsamer
Sektorprogramme an Bedeutung gewinnen.

Für die deutsche Zusammenarbeit bedeutet dies eine Konzentration ihrer Arbeit
in Afrika auch in größerer Abstimmung zur EU-Entwicklungspolitik und der
anderer multilateraler Geber. Diese Konzentration wird dringlicher, wenn man
bedenkt, dass die deutsche Zusammenarbeit in 25 Partnerländern in einer Viel-
zahl von Sektoren tätig ist, jedoch lediglich mit einem Volumen, das auch im
Vergleich zu anderen Gebern eher unterdurchschnittlich ist. Voraussetzung für
Verbesserungen sind eine nachvollziehbare Darstellung der Vorteile des deut-
schen Engagements, eine entsprechende Partnernachfrage und eine Abstim-
mung in internationalen Prozessen (EU, Weltbank, Entwicklungsbanken).

Eine notwendige Konzentration und Geberabstimmung dürfen jedoch nicht
dazu führen, dass die bereits jetzt schon zu beobachtende Vernachlässigung des
Sektors ländliche Entwicklung weiter fortschreitet. In afrikanischen Ländern,
in denen ein großer Bevölkerungsanteil chronisch unterernährt ist, muss die
Förderung einer nachhaltigen und angepassten Landwirtschaft zur Erlangung
der Ernährungssouveränitat ein Schwerpunkt der Entwicklungszusammenar-
beit sein.

Für die Glaubwürdigkeit der Geber ist entscheidend, ob sie ihre Ankündigungen
umsetzen. Für die Weltbank bedeutet dies, ihren Afrika-Aktionsplan mit der ent-
sprechenden Finanzierung zu unterlegen. Für die deutsche Zusammenarbeit
heißt dies, neben einer Steigerung der Haushaltsmittel auch innovative
Finanzierungsinstrumente wie die Einführung einer Flugticketsteuer und neue
Entschuldungsinitiativen für hoch verschuldete afrikanische Entwicklungslän-
der anzustoßen. Die Bundesregierung sollte dazu einen Umsetzungsplan vorle-
gen, wie sie die deutschen Verpflichtungen aus dem EU-Stufenplan erreichen
will.

Die Bereitschaft zur stärkeren Finanzierung entledigt die afrikanischen Staaten
nicht der Verpflichtung, ihre Einnahmesysteme zu verbessern und vor allem In-
itiativen auf den Weg zu bringen, die die erhebliche Kapitalflucht reduzieren.
Letztere zu verringern setzt voraus, dass die Industrieländer demokratisch ge-
wählten Regierungen, die transparent mit den Staatseinnahmen ihrer Länder
umgehen, beim Rückfluss gestohlener Gelder helfen, wie dies im Falle Nige-
rias in Ansätzen gelungen ist. Die schwerwiegenden Anschuldigungen, dass im
Falle Nigerias deutsche Unternehmen an illegalen Zahlungen an den Militär-
diktator Sani Abacha beteiligt gewesen sein sollen, untermauern die Dringlich-
keit eines glaubwürdigen Kampfes gegen Korruption auf allen Seiten.

Unerlässlich ist dabei ebenfalls eine völkerrechtliche Verankerung von Maßnah-
men gegen die Korruption. Die EU-Mitgliedstaaten sind gefordert, in diesem
Kontext die UN-Konvention gegen Korruption zu ratifizieren. Bislang stehen
18 Ratifizierungen afrikanischer Staaten lediglich sechs Ratifizierungen der
EU-Mitgliedstaaten gegenüber. Dieser Prozess muss von einem Dialog flan-
kiert werden, der Investoren aus China, Indien, Pakistan auffordert, die in der
Konvention festgelegten Regeln zu akzeptieren.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/4425

Für eine „Entwicklungsrunde“ in der WTO

In zahlreichen Erklärungen ist auf die Bedeutung des Welthandels und einer
besseren Integration Afrikas in den Welthandel hingewiesen worden. Mit der
EU-Initiative „alles außer Waffen“ ist ein privilegierter Zugang zum europäi-
schen Markt für die ärmsten Länder geschaffen worden. Dabei zeigt sich je-
doch, dass diese Initiative nur wenig genutzt werden konnte. Starre Ursprungs-
regeln oder mangelnde Infrastruktur unterbinden häufig den Export in die EU
und in andere Industrieländer. Um die Ausnutzung von Handelschancen zu ver-
bessern, ist neben dem Abbau von internationalen Handelshemmnissen, zugleich
der Auf- und Ausbau der Exportproduktion vor Ort von besonderer Bedeutung.
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sollte daher eine konkurrenzfähige
und nachhaltige Exportgüterproduktion in den verschiedenen Sektoren unter-
stützen. Diese Exportproduktion sollte die Ernährungssicherheit nicht beein-
trächtigen und zur Armutsbekämpfung beitragen.

Gegenwärtig befindet sich die Europäische Union (EU) mit den Staaten der
Afrika-, Karibik-, Pazifikgruppe (AKP) in Verhandlungen über Wirtschaftspart-
nerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPA). Sie haben ge-
mäß dem Cotonou-Abkommen das erklärte Ziel, die Armut zu bekämpfen und
eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Deshalb wird es entscheidend sein,
die EPA im Geiste von Entwicklungspartnerschaften zu gestalten, die effizient
zur Armuts- und Hungerbekämpfung beitragen.

Generell zeigt sich, dass der Welthandelsanteil afrikanischer Staaten weiter zu-
rückgegangen ist. Dumping hoch subventionierter Produkte droht die Existenz
afrikanischer Bauern und ihrer Familien zu zerstören. Wir sind weit davon
entfernt, die momentan festgefahrene Welthandelsrunde zu einer wirklichen
„Entwicklungsrunde“ zu machen. Neue Angebote, die die Leistungskraft afrika-
nischer Staaten berücksichtigen, verbesserten Marktzugang gewähren, die länd-
liche Entwicklung fördern und den Gestaltungsspielraum für eine nachhaltige
Entwicklung verbessern, sind die Voraussetzung für die Zustimmung afrikani-
scher Staaten zu einem Abschluss der Handelsrunde.

Für eine nachhaltige Rohstoffnutzung und die Stärkung ökologischer Standards

Die Einnahmesituation in rohstoffreichen Ländern hat sich seit einigen Jahren
erheblich verbessert. Die Einkünfte aus dem Export mineralischer und natür-
licher Rohstoffe machen einen großen Teil afrikanischer Einkommen aus. Bis-
lang gingen steigende Einkünfte aus der Rohstoffförderung oft Hand in Hand
mit Korruption, geringem Wirtschaftswachstum und einer Verschlechterung der
Lebensbedingungen für die Mehrheit der Menschen einher. Zu diesem ernüch-
ternden Ergebnis kommt eine Studie der Weltbank, die darüber hinaus einen
Zusammenhang zwischen Rohstoffökonomien und unverantwortlichen bzw.
nicht funktionsfähigen staatlichen Institutionen aufzeigt. Rohstoffexportabhän-
gige Staaten in Afrika haben höhere Armutsanteile und größere Einkommens-
disparitäten, geben weniger für den Gesundheitssektor aus und wiesen gerin-
gere Einschulungsquoten auf als andere Länder mit einem entsprechenden
Einkommensniveau ohne bedeutende Rohstoffvorkommen. Ohne Transparenz
und Überwachung der Regierung bei der Verwendung der Mittel mit Hilfe
demokratischer Instanzen hilft also dieser Reichtum wenig.

Diese Transparenz zu erhöhen ist das Ziel der „Transparenzinitiative im Roh-
stoffbereich“ (Extractive Industries Transparency Initiative, EITI). Die Bundes-
regierung sollte sie verstärkt unterstützen. Diese gemeinsame Initiative von Re-
gierungen, Unternehmen, Investmentfonds und Nichtregierungsorganisationen
zielt darauf, dass sowohl Regierungen als auch Unternehmen sich dazu ver-
pflichten, ihre Rohstoffeinnahmen bzw. -zahlungen zu veröffentlichen. So kön-

nen Korruption erschwert werden und Gelder weniger leicht zweckentfremdet

Drucksache 16/4425 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

werden. Die Bevölkerung erhält Einblick in das wahre Ausmaß der Einnahmen.
Transparenz bei Rohstoffeinnahmen ist damit ein erster Schritt hin zu einer tat-
sächlich nachhaltigen Entwicklung für die Bevölkerung in rohstoffreichen Län-
dern. Durch das starke Engagement Chinas und anderer asiatischer Staaten
stellt sich die Aufgabe, diese Länder in die Diskussion über Transparenz und
die Einhaltung von Standards zu integrieren. Die Weltbank, die OECD, NePAD
und der bilaterale EU-China-Dialog wären Orte, an denen diese Diskussion zu
führen ist. Die Bundesregierung und die EU können hierbei nur glaubwürdig
agieren, wenn sie auf die Einhaltung verbindlicher ökologischer und sozialer
Standards bei europäischen bzw. deutschen Unternehmen drängen.

Umwelt-, Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung gehören zusammen

Entwicklungsländer sind am stärksten vom Klimawandel betroffen. Schon in
zehn Jahren wird der Kilimandscharo keine weiße Kuppe mehr haben. Damit
verändert sich weit mehr, als dass „nur“ ein Ort magischer Schönheit ver-
schwindet. Hohe Temperaturen und starke Schwankungen der Regenmenge
schaffen schon heute erhebliche Probleme. Eine weitere Erwärmung verschärft
die Situation vor allem in der Landwirtschaft, dem Sektor, der die meisten
Afrikaner und Afrikanerinnen beschäftigt. Ernteerträge in afrikanischen Ländern
würden sinken. Gleichzeitig ist bereits jetzt eine stärkere regionale Ausbreitung
von Übertragungskrankheiten wie Malaria und Dengue-Fieber zu beobachten
sowie aufgrund sinkender Wasserqualität auch mit einem Anstieg wasserbe-
dingter Krankheiten zu rechnen.

Veränderungen der Wasserhaushalte würden das Konfliktpotenzial um die zahl-
reichen internationalen Gewässer in Afrika erhöhen. Die Bekämpfung des
Klimawandels und die Anpassung gerade der afrikanischen Staaten an seine
Auswirkungen müssten systematisch in die bilaterale und multilaterale Entwick-
lungspolitik und die Strategien zur Bekämpfung der Armut integriert werden,
was bislang nicht der Fall ist.

Die Staaten selbst werden ohne verstärkte internationale Hilfe nicht in der Lage
sein, die Folgen der Klimaveränderungen zu bewältigen. Die fehlende Bereit-
schaft in den Industrieländern, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, hat
bereits jetzt verheerende Konsequenzen. Deutschland muss im Jahr der Präsi-
dentschaften mit entschiedenen Schritten international vorangehen. So schwie-
rig die Schätzungen im Einzelnen sein mögen, erhärtet sich die Erkenntnis,
dass die Zahl so genannter Umweltflüchtlinge deutlich zunehmen wird. Zahlen
der UN-Universität zufolge übersteigt ihre Zahl bereits diejenige der Bürger-
kriegsflüchtlinge. Deutschland und die EU sind gefordert – neben der Verringe-
rung von Emissionen im eigenen Land –, durch ambitionierte Ansätze Entwick-
lungsländer dabei zu unterstützen, den Klimawandel zu bekämpfen. Auf den
afrikanischen Kontinent bezogen sollten vor allem die Bemühungen zum Erhalt
der Regenwälder ausgebaut werden. Holz aus illegalem Einschlag muss der
Weg in die EU verschlossen werden. Die G8 sollten den jüngst am Rande der
Weltbanktagung in Singapur begonnenen Dialog zur Vermeidung illegalen
Holzeinschlags, an dem neben den G8, China und Indien und auf afrikanischer
Seite Kamerun, Gabun, Ghana und die Demokratische Republik Kongo betei-
ligt sind, beschleunigen. Der auf der Klimakonferenz in Nairobi vereinbarte
Anpassungsfonds, der den Entwicklungsländern Mittel für den Umgang mit
den Folgen der Klimaerwärmung zur Verfügung stellen soll, muss dringend
aufgestockt werden.

Angesichts des steigenden Energiebedarfes, auch in den weniger entwickelten
Ländern, tragen auch in diesen Staaten ein immer größerer Ausbau der erneuer-
baren Energien sowie die Steigerung der Energieeffizienz zur Zukunftssiche-

rung bei. Gerade die erneuerbaren Energien bieten durch ihre dezentralen
Strukturen die Möglichkeiten, schnell in Regionen ohne teure Übertragungs-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 13 – Drucksache 16/4425

netze eingesetzt zu werden. Dabei ist ein Technologietransfer notwendig, der an
die Bedingungen in diesen Ländern angepasste Technologien zur Verfügung
stellt und Produktion, Errichtung und vor allem Wartung dieser Anlagen mit
den Menschen vor Ort ermöglicht. Dadurch werden Arbeitsplätze in Afrika so-
wie in den Industrieländern geschaffen.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

Partnerschaftliche und strategische Beziehungen Deutschlands und der EU mit
Afrika aufzubauen

1. die Deutsche EU-Präsidentschaft und die G8-Präsidentschaft zu nutzen,
eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika auf allen politischen
Feldern weiterzuentwickeln;

2. den NePAD-Prozess und den African Peer Review Mechanism (APRM)
weiter zu unterstützen und sich dabei dafür stark zu machen, dass die Zivil-
gesellschaft und die Parlamente der afrikanischen Staaten bei der Durch-
führung der Peer Reviews stärker beteiligt werden;

3. die AU und ihre Regionalorganisationen durch Kapazitätsentwicklung in
allen Bereichen zu unterstützen;

4. die EU-Afrika-Strategie weiterzuentwickeln und darin die Bereitschaft zu
einer Zusammenarbeit in allen relevanten Politikfeldern zu verankern;

5. bei Diskussionen über eine Reform des UN-Sicherheitsrates auf eine stär-
kere Repräsentanz aller Weltregionen und Entwicklungsländer zu dringen
sowie innerhalb der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und der
Vereinten Nationen Vorschläge, die bessere Beteiligungsmöglichkeiten
afrikanischer Staaten vorsehen, zu unterstützen;

6. die afrikanischen Mitglieder im UN-Menschenrechtsrat zu einem den men-
schenrechtlichen Prinzipien der AU und der UN entsprechenden Vorgehen
zu gewinnen.

Entschlossener zu Frieden und Sicherheit in Afrika beizutragen

7. die Zusammenarbeit mit der AU und ihren Regionalorganisationen beim
Aufbau einer afrikanischen Sicherheitsarchitektur zu verstärken und einen
stärkeren personellen und technischen Beitrag zu UN-Friedensmissionen
in Afrika zu leisten;

8. diplomatische Initiativen zu ergreifen, um zusammen mit der AU und der
UN ein Vorgehen zur Beendigung der gewalttätigen Konflikte am Horn
von Afrika zu entwickeln und insbesondere im Falle des schleichenden
Völkermords in Darfur endlich eine robuste UNO-Friedensmission zu ent-
senden;

9. in Postkonfliktgesellschaften – insbesondere in der Demokratischen Repu-
blik Kongo – zivile Programme zur Friedensstabilisierung und Konflikt-
nachsorge aus- und aufzubauen, insbesondere in den Bereichen Sicherheits-
sektorreform, Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung von
ehemaligen Kämpfern und Übergangsjustiz („transitional justice“);

10. sich für die Umsetzung der „Pariser Prinzipien“ zum Schutz von Kindern
in bewaffneten Konflikten einzusetzen und sich stärker als bisher an Pro-
grammen zur Verhinderung der Einbeziehung von Kindern in bewaffnete
Gruppen oder Streitkräfte sowie für eine dauerhafte Entwaffnung, Demo-
bilisierung und Reintegration von Kindersoldaten und ehemaligen Solda-
ten zu beteiligen;

Drucksache 16/4425 – 14 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

11. sich im Rahmen der gemeinsamen EU-Außenpolitik und der Entwick-
lungszusammenarbeit für einen bessern Schutz und eine nachhaltige Be-
treuung von Kindersoldaten einzusetzen. Dazu gehört auch, dass die Rekru-
tierung als Kindersoldat endlich in Deutschland als Asylgrund anerkannt
wird;

12. aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit Minderjähriger und mit Blick
auf die anstehende europäische Harmonisierung der Asylverfahren sollte
die Handlungsfähigkeit im Asylverfahren anstatt wie bisher mit 16 Jahren
erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres beginnen. Unbegleitete minder-
jährige Flüchtlinge dürfen im Asylverfahren nicht wie Volljährige behandelt
werden.

Millenniumsziele umsetzen und afrikanische Eigenverantwortung stärken

13. die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit entsprechend dem EU-Stufen-
plan zügig auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen und
die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika – wie in der EU
beschlossen – bis 2010 zu verdoppeln. Diese sollen zielgerichtet für die
Armuts- und Hungerbekämpfung, für ländliche Entwicklung, Wasser- und
Sanitärversorgung, Gesundheit und Bildung und für eine nachhaltige Wirt-
schaft eingesetzt werden;

14. neue Entschuldungsinitiativen für hoch verschuldete afrikanische Entwick-
lungsländer zu ergreifen;

15. die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit in Subsahara-Afrika sektoral
und länderbezogen in Absprache mit den Partnerländern und anderen
Gebern zu konzentrieren, um damit die Wirkung der deutschen Zusam-
menarbeit zu erhöhen;

16. darauf zu achten, dass die Stärkung der Frauenrechte und der Kampf gegen
Menschenrechtsverletzungen eine zentrale Rolle in der Umsetzung der
MDG einnimmt;

17. in der Entwicklungszusammenarbeit vor allem bei den Schnittstellen von
Umweltschutz und Armutsbekämpfung anzusetzen;

18. die Bekämpfung des Klimawandels in Afrika systematisch in die bilaterale
und multilaterale Entwicklungspolitik und die Strategien zur Bekämpfung
der Armut zu integrieren;

19. sich dafür einzusetzen, dass die international zur Verfügung stehenden
Mittel für Maßnahmen zur Verhinderung des Klimawandels in Entwick-
lungsländern höher ausfallen als bislang vorgesehen;

20. die Nutzung erneuerbarer Energien in afrikanischen Ländern auszubauen;

21. mit zusätzlichen Energieeffizienzvorhaben afrikanische Staaten dabei zu
unterstützen, ihre Volkswirtschaften konkurrenzfähiger zu machen;

22. zusammen mit der Verhinderung (Mitigation) die Anpassung an den Klima-
wandel in Afrika zu einem größeren als bisher vorgesehenen Schwerpunkt
der eigenen und europäischen Entwicklungszusammenarbeit zu machen.

Wasser- und Abwasserversorgung als Schlüsselfaktor für Entwicklung stärken

23. die Umsetzung des Hashimoto-Aktionsplans des Beratungsgremiums des
Generalsekretärs der Vereinten Nationen zu Wasser und sanitärer Grund-
versorgung (UNSGAB) in allen seinen sechs Schwerpunktbereichen (Inte-
griertes Wasserressourcenmanagement, Stärkung von Wasserversorgungs-

unternehmen, Finanzierung, sanitäre Grundversorgung, Monitoring und
wasserbedingte Katastrophen) sowie die Vereinbarungen von UNSGAB

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 15 – Drucksache 16/4425

mit afrikanischen Partnern (dem afrikanischen Wasserministerrat und Afri-
kanischer Entwicklungsbank) aktiv zu unterstützen;

24. das „Internationale Jahr der sanitären Grundversorgung“ der Vereinten
Nationen im Jahr 2008 aktiv mit eigenen afrikabezogenen Beiträgen zu un-
terstützen.

Einen deutlicheren Beitrag zur Verwirklichung des Rechts auf Nahrung zu
leisten

25. sich für eine Neuausrichtung der landwirtschaftlichen Förderung in Ent-
wicklungsländern einzusetzen, die explizit auf die Unterstützung von
Kleinbauern gerichtet ist;

26. die „freiwilligen Leitlinien zur Umsetzung des Rechts auf Nahrung“ zu
einer wesentlichen Grundlage der Hungerbekämpfung im Rahmen eines
gemeinsamen Vorgehens von G8 und den Staaten Afrikas zu machen;

27. sich dafür einzusetzen, dass die Implementierung des Rechts auf Nahrung
und die Anwendung der freiwilligen Leitlinien Eingang finden in die
Armutsbekämpfungsstrategien (PRSP).

Stärkere Transparenz bei der Ressourcenförderung zu schaffen

28. den G8-Dialog zur Vermeidung illegalen Holzeinschlags zu beschleunigen
und einen ambitionierten Aktionsplan vorzubereiten;

29. sich dafür einzusetzen, dass Banken verpflichtet werden, in der Verfolgung
veruntreuter Rohstoffrenten und Fluchtgelder zu kooperieren und dass die
Zusammenarbeit innerhalb der OECD analog zu den Ansätzen bei Geld-
wäsche und Terrorfinanzierung auf veruntreute Gelder erweitert wird;

30. dass Verträge bezüglich der Ausbeutung natürlicher Ressourcen offen-
gelegt werden und Normen für transparente wettbewerbsorientierte öffent-
liche Ausschreibungen entwickelt werden und dass multilaterale Initiati-
ven wie die Extractive Industries Transparency Initiative gefördert werden
sowie größere verbindliche Wirkung für Unternehmen und Finanzinstitu-
tionen entfalten.

Gesundheitssysteme in afrikanischen Staaten zu stärken

31. auf die besondere Herausforderung durch HIV/Aids, Malaria und wasser-
bedingte Krankheiten mit höherem Engagement zu reagieren, da anderen-
falls grundlegende Entwicklungserfolge nicht möglich sind;

32. mehr Finanzmittel als bisher für den Bereich der Gesundheitsfürsorge in
Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen. Angesichts des gewaltigen
Finanzierungsbedarfs müssen neben dem Globalen Fonds zur Bekämpfung
von Aids, Malaria und Tuberkulose (GFATM), der eine weitere Erhöhung
in den kommenden Jahren benötigt, auch innovative Finanzierungsmecha-
nismen mit größeren verbindlichen Finanzierungsverpflichtungen unter-
stützt werden;

33. auch finanziell dazu beizutragen, dass die Pharmaindustrie stärker die For-
schung an vernachlässigten Krankheiten und insbesondere die Entwick-
lung von Impfstoffen gegen HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose voran-
treibt. Dazu sind neben größeren Investitionen in diesem Bereich auch
neue Anreizsysteme wie zum Beispiel Aufkaufverpflichtungen zu fördern.

Drucksache 16/4425 – 16 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Handelsbeziehungen gerechter zu gestalten

34. sich für die Fortsetzung der laufenden Welthandelsrunde einzusetzen mit
dem Ziel, afrikanischen Staaten einen verbesserten Marktzugang zu ge-
währen und besonders im Bereich der Landwirtschaft alles zu unterlassen,
was die ländliche Entwicklung in Afrika gefährdet;

35. Wirtschaftspartnerschaftsabkommen als Entwicklungspartnerschaften zu
gestalten, die zu Armuts- und Hungerbekämpfung beitragen und Regeln zu
schaffen, die die Integration der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft zum
Wohle der Menschen und im Rahmen einer nachhaltigen Wirtschaft unter-
stützen;

36. bei Direktinvestitionen darauf zu achten, dass nicht nur neue Rechte und
mehr Verfahrenssicherheit für Investoren geregelt werden, sondern Inves-
toren gleichzeitig verpflichtet werden, international vereinbarte Standards
der multilateralen Umweltabkommen, die ILO-Kernarbeitsnormen und die
OECD-Richtlinien für multinationale Konzerne einzuhalten;

37. auf der Grundlage von klaren sozialen und ökologischen Kriterien Pro-
gramme zur Verbesserung der Infrastruktur in Afrika von Seiten der EU
und der Weltbank zu unterstützen.

Berlin, den 28. Februar 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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