BT-Drucksache 16/4340

Unternehmerreise des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie in den Sudan vom 3. bis 8. März 2007

Vom 16. Februar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4340
16. Wahlperiode 16. 02. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kerstin Müller (Köln), Ute Koczy, Volker Beck (Köln),
Dr. Uschi Eid, Margareta Wolf (Frankfurt), Jürgen Trittin, Thilo Hoppe, Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Rainder Steenblock, Marieluise Beck (Bremen),
Alexander Bonde, Claudia Roth (Augsburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Unternehmerreise des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
in den Sudan vom 3. bis 8. März 2007

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie führt vom 3. bis 8. März
2007 eine Unternehmerreise in den Sudan durch. Ziele sind die Hauptstadt
Khartoum und Juba, Sitz der Regierung des Südsudan. Mit der Organisation
wurde die Afrika-Verein Business Development GmbH beauftragt. Die geplante
Reise will der Einladung zufolge „deutsche Firmen über die wirtschaftspoliti-
schen Rahmenbedingungen des Nord- sowie Südsudans und die daraus resultie-
renden Möglichkeiten unternehmerischen Engagements in diesem Land infor-
mieren sowie Kontakte zu lokalen Institutionen und Unternehmen herstellen.“
Die Einladung hebt hervor, Sudan verfüge über ein „erhebliches Potential für
wirtschaftliche Zusammenarbeit“ (siehe: http://www.afrikaverein.de/_uploads/
media/341_Einladung%20und%20Anmeldeformular.pdf). Das Programm sieht
in Khartoum Gespräche mit den Ministerien für Energie und Bergbau, Trans-
port, Wasservorkommen, Industrie und Investitionen, dem Gouverneur von
Khartoum, der sudanesischen Handelskammer und der Businessmen & Em-
ployers Federation vor. Letztere ist Kooperationspartner bei den Gesprächen
in Khartoum. Im Südsudan soll es Treffen mit der südsudanesischen Regional-
regierung und der Juba Province Chamber of Commerce geben.

Der Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat am
29. November 2005 in einer interfraktionellen Erklärung (Ausschussdrucksache
16(17)0049) seiner Mitglieder von CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN zur Situation in der westsudanesischen Provinz Darfur festge-
stellt: „In Darfur ereignet sich die größte menschenrechtliche und humanitäre
Katastrophe der Gegenwart.“ Die interfraktionelle Erklärung weist auf die Ver-
antwortung der sudanesischen Regierung für die andauernde Gewalt hin: „Die
Regierung unter Präsident Omar el-Bashir hat im Sommer eine neue Militär-
offensive gegen die Rebellen eingeleitet und arbeitet weiterhin eng mit den
Janjawid-Milizen zusammen, die systematisch Dörfer überfallen und plündern,
Menschen vertreiben und töten sowie Frauen vergewaltigen.“ Die sudanesische
Regierung weigert sich, der mit UN-Sicherheitsratsresolution 1706 beschlosse-
nen Umwandlung und Aufstockung der bestehenden Friedensmission AMIS der
Afrikanischen Union (AU) in eine robuste UN-Friedenstruppe zuzustimmen.
Auch die Umsetzung einer hybriden UN-AU-Friedensmission, der die sudane-
sische Regierung auf dem internationalen Krisengipfel in Addis Abeba am

Drucksache 16/4340 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

29. November im Prinzip zugestimmt hatte, wird von ihr blockiert. Zuletzt er-
klärte der EU-Kommissar für Entwicklungszusammenarbeit Louis Michel: „Wir
sehen keine positiven Schritte von [Präsident] Bashir“ (AP, 13. Februar 2007:
EU Official: Sudan President Not Seen Acting On UN-Darfur Plan). Die inter-
fraktionelle Erklärung des Menschenrechtsausschusses forderte die Bundesre-
gierung unter anderem auf, „sich in der EU für Sanktionen gegen die Regierung
des Sudan einzusetzen, falls auf anderem Wege eine Akzeptanz von UN-Trup-
pen zum Schutz der Zivilbevölkerung nicht zu erreichen ist“.

Der Rat der Europäischen Union hat am 12. Februar 2007 seine Besorgnis
ausgedrückt über die sich verschlechternde Sicherheitslage sowie den Abzug
weiterer humanitärer Hilfsorganisationen aus Darfur und „verurteilt die
anhaltenden Verletzungen des Waffenstillstands durch alle Parteien und
insbesondere die Bombardierung von Gebieten in Norddarfur durch die suda-
nesische Luftwaffe“ (siehe: http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/
docs/pressData/de/gena/92767.pdf).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wieso hält die Bundesregierung es angesichts der zugespitzten Situation im
Sudan, insbesondere mit Blick auf die Lage in Darfur und die Äußerung von
EU-Kommissar Michel (siehe Vorbemerkung) zum jetzigen Zeitpunkt für an-
gemessen, aktiv für ein verstärktes wirtschaftliches Engagement im Sudan zu
werben?

2. Welche Absprachen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Tech-
nologie mit anderen Ressorts im Zuge der geplanten Reise getroffen und wie
bewertet insbesondere das Auswärtige Amt das von solch einer Reise aus-
gehende politische „Signal“ an die sudanesische Regierung?

3. Welches wirtschaftspolitische Ziel verfolgt die Bundesregierung mit der
angebotenen Unternehmerreise und in welchem Spannungsverhältnis steht
diese Form der Außenwirtschaftsförderung zu den außen- und menschen-
rechtspolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung, insbesondere zur
Beendigung der Gewalt in Darfur?

4. Wird die Unternehmerreise gemäß dem auf der Internetseite der Afrika-Ver-
ein Business Development GmbH veröffentlichten Programmentwurf durch-
geführt?

Könnten aus Sicht der Bundesregierung aktuelle Entwicklungen zur Absage
der Reise führen?

Wenn ja, welche?

5. Ist erwogen worden, die Unternehmerreise in dieser oder anderer Form aus-
schließlich für den Südsudan anzubieten?

Wenn nein, warum nicht?

6. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der interfraktionellen Erklä-
rung des Menschenrechtsausschusses (siehe Vorbemerkung) bei und inwie-
weit hat sie deren Forderung aufgegriffen, sich im EU-Rahmen für gezielte
Sanktionen gegen die Regierung Sudans einzusetzen?

7. Werden im Falle der Durchführung der Reise die Unternehmen durch die
deutsche Botschaft oder zu anderen Anlässen auf die menschenrechts-
politische Situation im Sudan und insbesondere in Darfur hingewiesen und in
welcher Form erfolgt eine Unterrichtung?

8. Wie verhält sich das Angebot der Sudanreise zur Unterstützung des Global
Compact der Vereinten Nationen durch die Bundesregierung sowie zu Ansät-
zen zur Stärkung der Verantwortlichkeit von Unternehmen (CSR)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4340

9. Wirkt die Bundesregierung auf einen Beitritt Sudans zur Extractive Indus-
tries Transparency Initiative (EITI), die zur Offenlegung der Einnahmen aus
dem Rohstoffbereich verpflichtet, hin?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, wieso nicht?

10. Wird die Unternehmerreise in den Sudan dazu genutzt, die teilnehmenden
Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Rohstoffsektor über ihre
Unterstützungsmöglichkeiten von EITI aufzuklären?

11. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den von Siemens-
Vorstandschef Klaus Kleinfeld angekündigten Rückzug seines Konzerns
aus dem Sudangeschäft (siehe Interview mit Klaus Kleinfeld in: DER
SPIEGEL 4/2007) vor?

Sieht die Bundesregierung darin ein positives Beispiel menschenrechtlich
verantwortlichen Unternehmertums?

12. Wie bewertet die Bundesregierung internationale zivilgesellschaftliche
Kampagnen wie z. B. die Sudan Divestment Task Force des Genocide Inter-
vention Network, die gezielt gegen Investitionen im Sudan werben?

Welchen Beitrag können solche zivilgesellschaftlichen Kampagnen zur Be-
endigung der Gewalt in Darfur leisten?

13. Wie bewertet die Bundesregierung die von der US-Regierung erlassenen
Wirtschaftssanktionen gegen Sudan?

Welche Auswirkungen hatten die US-Sanktionsbestimmungen bisher auf
welche im Sudan tätigen deutschen Unternehmen?

Welche sind zukünftig zu erwarten?

Berlin, den 16. Februar 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.