BT-Drucksache 16/4243

Zum Wiederaufbau und zur Lage in Afghanistan

Vom 31. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4243
16. Wahlperiode 31. 01. 2007

Große Anfrage
der Abgeordneten Jürgen Trittin, Kerstin Müller (Köln), Winfried Nachtwei,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Dr. Uschi Eid, Kai Gehring, Thilo
Hoppe, Ute Koczy, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Rainder Steenblock
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zum Wiederaufbau und zur Lage in Afghanistan

Zum Jahreswechsel 2006/2007 steht Afghanistan nach Einschätzung der meis-
ten Beobachter am Scheideweg: Mehr als fünf Jahre nach dem Ende der Taliban-
herrschaft stehen positiven Errungenschaften und Ansätzen gefährliche Trends
und Defizite gegenüber. Der Aufbauprozess ist schwieriger und langwieriger als
von vielen nach der Beendigung des Talibanregimes 2001 angenommen wurde.
Er ist nicht nur belastet durch die jüngsten Anschläge und Kämpfe, sondern
überschattet von 30 Jahren Kriegszustand und einer weitreichenden Zerstörung
wirtschaftlicher und sozialer Grundlagen der afghanischen Gesellschaft.

Der zwischen Ende 2001 und Ende 2005 abgeschlossene so genannte Bonn-Pro-
zess hat wichtige politische Institutionen geschaffen: Die Bildung einer Regie-
rung und ihrer Institutionen, eine neue Verfassung, Wahlen und die Einrichtung
des neuen Parlamentes waren bedeutsame Fortschritte. Die Beteiligung von
Frauen an diesen Prozessen und im Bildungswesen, Ansätze zu einer Zivilge-
sellschaft und einer freien Presse sowie Erfolge im Bereich der Sicherheit und
Entwicklung in einigen Landesteilen sind positiv. Die Bundesrepublik Deutsch-
land hat mit ihrer Diplomatie und durch die starke Beteiligung an der Interna-
tional Security Assistance Force (ISAF), durch die führende Rolle beim Poli-
zeiaufbau und zahlreiche Aufbau- und Hilfsprojekte wesentlich zu diesen
Entwicklungen beigetragen und ist deshalb in der afghanischen Bevölkerung
hoch angesehen.

Dennoch hat der Bonn-Prozess nicht das erhoffte Maß an Stabilität gebracht.
Viele Institutionen funktionieren nicht mit dem Mindestmaß an notwendiger
Transparenz und Effizienz; lokale Machthaber und Milizen hemmen die Legiti-
mität und Autorität der Regierung unter Präsident Hamid Karsai. Das Jahr 2006
brachte einen dramatischen Anstieg der Gewalt vor allem im Süden und Osten
des Landes. Ca. 4 000 Menschen kamen bei Anschlägen und schweren Kämpfen
zwischen Aufständischen und den internationalen Truppen der NATO-Mission
ISAF und der US-geführten Operation Enduring Freedom (OEF) ums Leben,
darunter Kombattanten, aber auch viele Zivilisten. Allgemeiner Konsens ist,

dass militärische Mittel nicht ausreichen und dass eine Ausweitung der zivilen
Maßnahmen und eine bessere Koordinierung des Gesamtengagements in Afgha-
nistan notwendig sind.

Die Wirksamkeit der internationalen Unterstützung wird beeinträchtigt durch
widersprüchliche Politiken und Vorgehensweisen auf Seiten der internationalen
Gemeinschaft: Einzelne NATO-/ISAF-Partner gewichten das Verhältnis von

Drucksache 16/4243 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Aufbau und Bekämpfung von aufständischen Kräften nicht nur unterschiedlich,
sondern z. T. gegensätzlich. Zu oft wird die Schlüsselerfahrung vernachlässigt,
dass Stabilisierung und Terrorbekämpfung im Kern ein Kampf um Legitimität
ist. Zu wenig Wert wurde und wird auf die afghanische Eigenbeteiligung gelegt.

Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und Aufbauhilfe bestehen Defi-
zite. Zwar sind die internationalen Bemühungen und Aufwendungen für die Un-
terstützung Afghanistans für sich genommen beachtlich; gemessen an anderen
Post-conflict-Situationen und der erheblichen Herausforderungen in vielen Ge-
bieten im Land sind die Investitionen in den Aufbau von Institutionen, Sicher-
heitskräften, Bildung, Wirtschaft und Infrastruktur, den Gesundheitssektor und
die soziale Grundsicherung aber nicht ausreichend. Hohe Arbeitslosigkeit, Kor-
ruption und der stark ausgeweitete Drogenanbau und -handel behindern die wirt-
schaftliche Entwicklung. Viele Afghanen sind zunehmend frustriert über die
mangelnde Sichtbarkeit der Aufbauerfolge.

Der Irakkrieg und die desaströse Lage im Irak haben das Umfeld für den Aufbau
in Afghanistan verschlechtert. Auch die westlichen Provinzen Pakistans und die
unsichere Lage im Grenzgebiet sind ein ständiger destabilisierender Faktor, der
politische Initiativen notwendig macht. Der kürzlich in den USA erschienene
Baker-Bericht hat deshalb empfohlen, weitere Ressourcen für den Aufbau in
Afghanistan freizumachen.

Um ein Abgleiten des Landes in Zustände wie vor 2001 zu verhindern und eine
„Irakisierung“ – d. h. verstärkte ethnische Gewaltdynamik und erhöhtes Terro-
rismuspotential – abzuwenden, sind eine ungeschminkte Überprüfung der ver-
schiedenen Bereiche des internationalen und deutschen Afghanistanengage-
ments und dieser folgende Kurskorrekturen dringend erforderlich.

Wir fragen deshalb die Bundesregierung:

I. Afghanistan-Politik generell/Deutsche Unterstützungsleistungen

1. Welche Notwendigkeiten sieht die Bundesregierung, die Wirksamkeit des
deutschen und internationalen Afghanistanengagements generell zu stärken?

a) Wie trägt die Bundesregierung dafür Sorge, dass die Ziele und Projekte
der deutschen Afghanistanunterstützung realitätsnah sind, afghanische
Eigenverantwortung und -beteiligung realisieren und regelmäßig auf ihre
Wirksamkeit hin überprüft werden?

b) Mit welchen Strukturen, Verfahren und Maßnahmen fördert die Bundes-
regierung die Kohärenz der deutschen und internationalen Afghanistan-
politik und das kooperative Zusammenwirken der verschiedenen Ak-
teure?

Wo sieht sie besonderen Handlungsbedarf?

c) Wie bewertet die Bundesregierung die sehr unterschiedliche Einsatzdauer
von deutschem Personal (Botschaft, Entwicklungszusammenarbeit, Poli-
zei, Bundeswehr, Zivilexperten) im Hinblick auf die Wirksamkeit vor Ort?

Was wird getan, um Diskontinuitäten und Effizienzverluste durch schnelle
Personalrotationen zu minimieren?

2. Für wie bedeutsam hält die Bundesregierung die Haltung der deutschen Öf-
fentlichkeit und Gesellschaft gegenüber dem deutschen Afghanistanengage-
ment, und wie schätzt sie diese Haltung ein?

In welcher Weise informieren Ressorts der Bundesregierung (AA, BMVg,
BMZ, BMI, Bundespresseamt) über die deutsche Afghanistanpolitik und in-

wieweit wird dabei einer öffentlichen Wahrnehmung entgegengewirkt, die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4243

von spektakulären Negativereignissen dominiert wird, und kaum einen Blick
für unspektakuläre Aufbauarbeit hat?

3. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, das reiche Erfahrungs-
potenzial der vielen tausend Frauen und Männer, die seit 2002 im öffent-
lichen Auftrag in Afghanistan gearbeitet haben, nutzbar zu machen?

4. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind jeweils in den Ressorts der
Bundesregierung (AA, BMVg, BMZ, BMI) mit dem deutschen Engagement
in Afghanistan befasst?

II. Sicherheitssektor

A. Militär

5. Wie viel Geld stellt die Bundesregierung jeweils für den militärischen, poli-
zeilichen und zivilen Einsatz zur Verfügung, und wie sind diese Gelder im
Einzelnen aufgeschlüsselt (Ressorts, Maßnahmen, Provinzen)?

a) Inwieweit entsprechen diese Ausgabenrelationen dem Erfordernis eines
ausgewogenen Mitteleinsatzes und der besonderen Dringlichkeit der Auf-
bauhilfe?

Wo sieht die Bundesregierung angesichts der kritischen Entwicklung in Af-
ghanistan Verstärkungsbedarf, wo ggf. Einsparmöglichkeiten?

b) Inwieweit ist beabsichtigt, das Verhältnis von finanziellen Aufwendungen
für die Einsätze von deutschem Militär und deutscher Aufbauhilfe zu ver-
ändern, nachdem seit Monaten Spitzenmilitärs von NATO und ISAF auf
eine Verstärkung der zivilen Aufbauanstrengungen drängen?

Welche Mehrkosten würden durch einen eventuellen Tornado-Einsatz ent-
stehen?

c) Wie viel Geld stellt die internationale Gemeinschaft insgesamt (multi- und
bilateral) für militärische, polizeiliche und zivile Maßnahmen in Afgha-
nistan zur Verfügung?

Wie bewertet die Bundesregierung die zivil-militärische Gewichtung der
internationalen Aufwendungen?

d) Wie wird die Zusammenarbeit zwischen militärischen, polizeilichen und
zivilen Akteuren im deutschen Verantwortungsbereich bewertet?

Wie lassen sich dabei der Unabhängigkeitsanspruch von humanitären und
Entwicklungsorganisationen sowie allgemeine Kooperationserfordernisse
miteinander vereinbaren?

e) Wo sieht die Bundesregierung die Notwendigkeiten und Grenzen der zi-
vil-militärischen Zusammenarbeit der Bundeswehr im engeren Sinne
(CIMIC)?

Welche Schwierigkeiten sieht die Bundesregierung dabei?

6. Wie bewertet die Bundesregierung die Kohärenz und Wirksamkeit der
NATO-Strategie, und wie nimmt sie darauf Einfluss?

a) Welche Rolle spielt der NATO-Rat gegenüber dem COMISAF (Comman-
der ISAFKabul) bei der Formulierung, Umsetzung und Kontrolle der
NATO-Strategie in Afghanistan?

Wie oft war seit den ISAF-Ausweitungen Süd und Ost die dortige NATO-
Operationsführung Thema im NATO-Rat?
Inwieweit ist das Primat der Politik gewährleistet?

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b) Welche Kenntnis hat die Bundesregierung von der operativen Umset-
zung der NATO-Strategie in den ISAF-Regionen Süd/Ost?

Welchen Stellenwert haben bei den Counterinsurgency-Operationen in
den Süd- und Ostprovinzen die militärische Bekämpfung aufständischer
Kräfte, Aufbauaktivitäten und generell der Kampf um Legitimität?

c) Inwieweit soll Anforderungen der NATO zu Beiträgen außerhalb des
deutschen Haupteinsatzgebietes (Kabul und Nord) im Bereich der
Luftaufklärung entsprochen werden?

Inwieweit kämen solche Fähigkeiten bei der Kampfunterstützung und
Drogenbekämpfung (Vernichtung von Schlafmohnfeldern) zum Einsatz?

d) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Bereitstellung von
Aufklärungstornados wegen des erweiterten Auftrages (neben Stabilisie-
rungs- auch Kampfunterstützung) und des absehbar längeren Einsatz-
zeitraums eines neuen Bundestagsmandats bedarf?

e) Welchen Stellenwert hat nach Auffassung der Bundesregierung noch die
eigenständige Operation Enduring Freedom, nachdem ISAF für ganz Af-
ghanistan zuständig ist?

Worin besteht der konkrete Unterschied zwischen Security Operations
von ISAF und Counterterrorism-Operations von OEF?

7. Wie bewertet die Bundesregierung den deutschen Einfluss auf Strategie und
Operationsführung der ISAF angesichts der Tatsache, dass Deutschland als
drittgrößter Truppensteller im ISAF-Headquarter den sog. Chef des Stabes
stellt, die drei stellvertretenden Kommandeursposten und COMISAF von
anderen Nationen besetzt werden, davon die Schlüsselpositionen COMISAF
und Stellvertreter Security von den USA, die sich bis vor kurzem gar nicht
an der ISAF beteiligten?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die konzeptionelle Kohärenz der 25 Pro-
vincial Reconstruction Teams (PRTs) der NATO?

Werden zwischen den PRTs Unterschiede in der Wirksamkeit der Arbeit und
öffentlichen Akzeptanz wahrgenommen?

9. In welchem Verhältnis stehen bei den deutsch geführten PRTs die Perso-
nalansätze für den laufenden Betrieb der PRTs, für Force Protection (Selbst-
schutz) und für nach außen wirkende (Stabilisierungs-)Aufgaben?

10. In welcher Weise beteiligt sich die Bundeswehr direkt oder indirekt an Maß-
nahmen der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit, und
welche eigenen Beiträge leistet die Bundeswehr zum Aufbauprozess?

Inwiefern werden Gelder für den Wiederaufbau für CIMIC zur Verfügung
gestellt?

11. Welche Beiträge leistet die Bundeswehr zum Aufbau der afghanischen
Nationalarmee?

Inwieweit besteht hierbei eine Abstimmung, Kooperation und Arbeits-
teilung mit der US-Seite?

12. Wie bewertet die Bundesregierung das Ansehen der Bundeswehr unter der
örtlichen Bevölkerung (Umfragen, eigene Einschätzung) in Afghanistan,
und welche Maßnahmen werden zur Vertrauensbildung ergriffen?

Wie wurde nach der Veröffentlichung der sog. Skandalfotos drohenden Es-
kalationen entgegengewirkt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/4243

13. Ist es zutreffend, dass Angehörige der Bundeswehr im Rahmen der PRTs
auch zivile (z. B. weiß lackierte) Fahrzeuge nutzen bzw. in Einzelfällen ge-
nutzt haben?

14. In welcher Weise wird der Bundeswehreinsatz ausgewertet und evaluiert?

Wie werden diese Erfahrungen dem Deutschen Bundestag und der Öffent-
lichkeit zugänglich gemacht?

a) Wie lange und in welcher Form werden in Afghanistan eingesetzte Bun-
deswehrsoldaten auf die interkulturellen, sprachlichen und psychologi-
schen Bedingungen und Belastungen des Einsatzes in Afghanistan vor-
bereitet?

b) In welcher Form und in welchem Umfang findet eine Nachbetreuung
statt, und welche Leistungen bietet die Bundeswehr Soldaten mit trauma-
tischen und posttraumatischen Erscheinungen?

c) Wie viele afghanische Angestellte arbeiten im Rahmen des Bundeswehr-
einsatzes?

Werden afghanische Staatsangehörige im Rahmen des Bundeswehrein-
satzes aus- bzw. fortgebildet?

15. Was tut die Bundesregierung, um die Beschaffung lokaler Versorgungsmit-
tel für die Bundeswehr voranzutreiben, und inwieweit wurde dies bereits
umgesetzt?

Welche Produkte werden in welchem Umfang beschafft?

B. Polizei

16. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass der Aufbau einer funktio-
nierenden Polizei – und Justiz – das Schlüsselprojekt für eine selbsttragende
Stabilisierung Afghanistans ist?

17. In welchem finanziellen und personellen Umfang leisten Deutschland, die
USA und andere Partnernationen Beiträge zum Polizeiaufbau?

18. In welchem Umfang tragen Bund und Länder zum deutschen Polizei-
kontingent in Afghanistan bei?

Gibt es Bundesländer, die sich unterproportional oder gar nicht an dieser
Gemeinschaftsaufgabe beteiligen?

Wenn ja, warum?

19. Wie bewertet die Bundesregierung angesichts der qualitativ hochwertigen
Beiträge des deutschen Polizeiprojekts die massive Kritik am Stand des Poli-
zeiaufbaus, wie sie in den letzten Monaten u. a. in einer Studie des US-Ver-
teidigungs- und Außenministeriums (International Herald Tribune, 3. Dezem-
ber 2007) geäußert wurde?

20. Inwieweit wird der deutsche Ansatz des Polizeiaufbaus und der Polizei-
ausbildung mit dem der US-Seite koordiniert?

Inwieweit sind diese Ansätze angesichts des hohen Stellenwerts privater
Sicherheitsfirmen und eines militarisierten Polizeibildes auf der US-Seite
kompatibel?

21. In welchem Umfang arbeiten deutsche Polizeibeamte in den Provinzen und
den PRTs in Ausbildung, Beratung und als Mentoren?

Welchen Beitrag leistet die Bundesrepublik als Lead-Nation beim Polizei-
aufbau zum Aufbau der Polizei im Westen sowie im Süden und Osten, wo

der Bedarf besonders dringlich ist?

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22. In welcher Weise und in welchem Umfang wird der Aufbau der afghani-
schen Grenzpolizei und der Drogenpolizei unterstützt?

23. Wie bewertet die Bundesregierung die Fortschritte bei der Strukturreform
des Innenministeriums, und welche Maßnahmen werden zu ihrer Unterstüt-
zung ergriffen?

24. Welche personellen Verstärkungen und inhaltlichen Veränderungen sind
nach Auffassung der Bundesregierung auf deutscher und internationaler
Ebene notwendig, um die gegenwärtige Krise des Polizeiaufbaus bewälti-
gen zu können?

25. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag einer ESVP-Polizeimission
bzw. einer ESVP-Rechtsstaatsmission (ESVP = Europäische Sicherheits- und
Verteidigungspolitik), und welche Anforderungen müssten diese Missionen
erfüllen?

Welche Konsequenzen hätte eine ESVP-Mission für das deutsche Engage-
ment?

26. Wie und in Koordination mit wem werden die Curricula für die Polizeiaus-
bildung erstellt?

a) Welche Rolle spielen in der Ausbildung Menschenrechtsthemen, wie
werden einheimische Normen und Wertvorstellungen berücksichtigt?

b) Wie wird die Praxisorientierung und Nachhaltigkeit der Ausbildung sicher-
gestellt?

c) Wie werden Gender-Aspekte behandelt?

Wie wird in der Polizeiausbildung eine Sensibilisierung gewährleistet,
die auf eine gleichberechtigte Stellung der Frauen hinzielt?

27. Was tut die Bundesregierung, um die angestrebte verstärkte Einbindung von
Frauen in den Polizeidienst zu ermöglichen?

28. In welcher Weise wird die deutsche Polizeihilfe ausgewertet und evaluiert?

Wie werden diese Erfahrungen dem Deutschen Bundestag und der Öffent-
lichkeit zugänglich gemacht?

Wie oft wurde im Auswärtigen Ausschuss und im Innenausschuss des Deut-
schen Bundestages über die deutsche Polizeihilfe für Afghanistan berichtet?

29. Wie werden die Planung und Führung der deutschen Beiträge zum Polizei-
aufbau in Post-conflict-Ländern sowie der Lessons-learned-Prozess in der
Bundesregierung gebündelt?

Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in den einzelnen Ressorts
mit der Planung und Koordinierung der Polizeimission im Ausland beschäf-
tigt, und welche Referate sind dafür jeweils zuständig?

C. Sicherheitslage

30. Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung der Anschläge und
Angriffe oppositioneller militanter Kräfte (OMK) in 2006?

a) Wie entwickelten sich diese in den deutschen Verantwortungsbereichen
gegenüber 2005 und im Vergleich zu anderen Landesteilen?

b) Wieweit richteten sich die Angriffe verstärkt gegen zivile Ziele, Schulen
und Lehrpersonal, und wie viele Tote und Verletzte hatten diese Attacken
auf afghanischer und internationaler/deutscher Seite zur Folge?

c) Wurden neue militärische und terroristische Methoden seitens der OMK

eingesetzt, und wie wurde ggf. von Seiten der Bundesregierung darauf
reagiert?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/4243

31. Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung der Sicherheitslage in
den umkämpften Provinzen in Süd- und Ostafghanistan und ihre Bedeutung
für den Aufbau in anderen Landesteilen?

Sind Erfolge bei der „Operation Adler“ und der Etablierung von „Afghan
Development Zones“ erkennbar?

32. In welchen Provinzen wird ein Einsatz von in der Entwicklungszusammenar-
beit oder bei humanitären Nothilfemaßnahmen Tätigen derzeit von Seiten der
Vereinten Nationen (VN), einzelner Organisationen und der Bundesregierung
ausgeschlossen, wo ist dieser nach Einschätzung der Bundesregierung nur ein-
geschränkt möglich?

33. Hat die prekäre Sicherheitslage bzw. die Berichterstattung darüber bisher
erkennbare Auswirkungen auf die Entsende- und Einsatzbereitschaft von
zivilem Personal?

D. Drogenbekämpfung

34. Worin sieht die Bundesregierung die wesentlichen Ursachen des enormen
Anstiegs des Schlafmohnanbaus zwischen 2005 und 2006 um 59 Prozent,
wobei ein gigantisches Wachstum in den Provinzen (Helmand +162 Prozent,
Uruzgan +379 Prozent, Nangarhar +346 Prozent, Badakhshan +77 Pro-
zent) mit einem Rückgang in wenigen anderen Provinzen einhergeht (Balk
–33 Prozent, Farah –25 Prozent)?

35. Wie beurteilt die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen Verschär-
fung der Sicherheitslage, Erstarken der aufständischen Kräfte, Wachstum
von Schlafmohnanbau und Opiumhandel sowie aktiver Drogenbekämpfung
(Zerstörung von Mohnfeldern/eradication, Maßnahmen gegen den Drogen-
handel/interdiction)?

Welche Auswirkungen haben Maßnahmen der direkten Drogenbekämpfung
auf die Sicherheitslage deutscher ziviler und militärischer Kräfte in der
Nordregion, insbesondere in der Provinz Badakhshan?

36. Inwieweit ist die Bundeswehr an Maßnahmen der Drogenbekämpfung
direkt oder indirekt beteiligt?

37. Wie bewertet die Bundesregierung die Gewichtung zwischen Maßnahmen
der direkten Drogenbekämpfung (eradication, interdiction) und alternativer
Entwicklung in der Antidrogen-Strategie der afghanischen Regierung und
in ihrer Umsetzung in den Provinzen, wie bewertet sie die Zielgenauigkeit
und Wirksamkeit dieser Maßnahmen?

38. Kann die Bundesregierung Informationen bestätigen, dass in 2007 vermehrt
mit Eradicationsmaßnahmen zu rechnen ist, und dass auch der Einsatz von
Herbiziden erwogen wird?

III. Wirtschaftliche, finanzielle und Entwicklungszusammenarbeit

39. Wie bewertet die Bundesregierung die Effektivität der bisherigen Entwick-
lungszusammenarbeit in Afghanistan?

40. Hält die Bundesregierung die im „Afghanistan Compact“ festgeschriebenen
Benchmarks im verbliebenen Zeitraum unter den derzeitigen Voraussetzun-
gen für erfüllbar?

a) Hält die Bundesregierung die Mechanismen zur Verbesserung und Über-
wachung der Effektivität der bilateralen und multilateralen Koordination

der Entwicklungszusammenarbeit für ausreichend, und welche Refor-
men und zusätzlichen Maßnahmen sind geplant?

Drucksache 16/4243 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

b) Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Einbindung traditio-
neller Strukturen bei der konzeptionellen Erarbeitung und Umsetzung
von Entwicklungsprojekten?

c) Welcher ungefähre Anteil der Projektmittel für Afghanistan wird für
Sicherheitsmaßnahmen aufgewendet?

d) Wie bewertet die Bundesregierung das National Solidarity Program
(NSP), und in welcher Weise unterstützt sie das Programm?

e) Wie bewertet die Bundesregierung die Abstimmung unter den verschie-
denen Geberländern und -organisationen der Entwicklungszusammen-
arbeit und deren Auswirkung auf die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit
der durchgeführten Maßnahmen?

41. In welchem Umfang unterstützt die Bundesregierung den Aufbau afghani-
scher Medien finanziell und materiell?

a) Welche Erkenntnisse existieren über den Wirkungsgrad der Deutsche
Welle?

b) Wie hoch sind die Kosten für Radio- und Fernsehproduktionen der Deut-
sche Welle für Afghanistan?

42. Was tut die Bundesregierung zur Förderung des Bildungsniveaus in Afgha-
nistan?

Wie schätzt sie die Wirksamkeit der durchgeführten oder unterstützten
Maßnahmen ein?

a) Wie wird insbesondere die schulische Ausbildung von Mädchen und
jungen Frauen gefördert?

b) In welchem Umfang besteht ein von Regierungsseite geförderter kultu-
reller Austausch mit Deutschland?

d) Welche Städte- und Schulpartnerschaften gibt es, bzw. welche Planungen
sind dazu bekannt?

43. Wie können unter den schwierigen Sicherheitsbedingungen im Süden und
Osten des Landes Entwicklungsprojekte aufrechterhalten bzw. begonnen
werden, und welche konkreten Überlegungen gibt es dazu?

44. Welche zuverlässigen Erkenntnisse über Stimmungen der afghanischen Be-
völkerung hinsichtlich des internationalen Einsatzes in Afghanistan und
eventuelle Veränderungen im Stimmungsbild liegen der Bundesregierung
vor?

45. Wie bewertet die Bundesregierung das afghanische Gesetz für Nichtregie-
rungsorganisationen (NRO), und welche Rolle spielt dies in bilateralen Ge-
sprächen?

46. In welchem Umfang existieren in Afghanistan Projekte, die den Einsatz er-
neuerbarer Energien fördern?

Wie bewertet die Bundesregierung die Chancen für ihren Einsatz in Afgha-
nistan?

47. Auf welchen Feldern des gesellschaftlichen Peacebuildings sind wie viele
Fachkräfte im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) tätig?

Inwieweit besteht eine Kooperation mit örtlichen Ratsversammlungen
(Jirga/Shura), und wie bewertet die Bundesregierung die Arbeit der ZFD-
Kräfte?

48. Mit welchen konkreten Maßnahmen soll die Sichtbarkeit der deutschen Ent-

wicklungsmaßnahmen erhöht werden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/4243

49. Gibt es eine umfassende Evaluierung der Entwicklungszusammenarbeit von
Seiten der Bundesregierung, und ist diese zugänglich für den Deutschen
Bundestag?

Gibt es eine umfassende Evaluierung der Praxis der zivil-militärischen
Zusammenarbeit in den PRTs sowie eine Evaluierung der Koordination der
verschiedenen vor Ort präsenten Geber?

50. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherigen internationalen und
afghanischen Konzepte im Kampf gegen Drogenanbau und -handel und ihre
Umsetzung?

a) In welcher Weise unterstützt die Bundesregierung direkt oder indirekt
den Ansatz der unter britischer Führung durchgeführten Eindämmung
von Drogenanbau und -handel und die afghanische Drogenbekämp-
fungsstrategie?

b) Welche Inhalte werden bei der Ausbildung der afghanischen Drogen-
polizei vermittelt?

c) Wo und in welchem Umfang unterstützen die Bundesregierung und
andere Partner Maßnahmen der alternativen Entwicklung (alternative
livelihoods)?

d) Werden von der Bundesregierung Überlegungen geprüft, die anstelle
einer Vernichtung der Mohnernten Ankauf und Verwendung z. B. für
medizinische Zwecke empfehlen, und wenn nein, warum nicht?

e) Welche Alternativen zur Zerstörung von Anbauflächen und Ernten sieht
die Bundesregierung, wenn die lokalen Bedingungen die Umsetzung
alternativer Wirtschaftskonzepte und Erwerbsmöglichkeiten aufgrund
lokaler Bedingungen derzeit noch nicht ermöglichen?

IV. Lage der Frauen und Genderaspekte beim Wiederaufbau

51. Wie bewertet die Bundesregierung die aktuelle Lage der Frauen in Afgha-
nistan

a) regional differenziert vor dem Hintergrund der verschlechterten Sicher-
heitslage,

b) bezüglich der Unterschiede in der ländlichen und der städtischen Bevöl-
kerung,

c) vor dem Hintergrund der neuen Verfassung und ihrer menschenrecht-
lichen Bestimmungen,

d) und ihre Rolle in Zivilgesellschaft und Politik,

e) angesichts des Widerspruchs zwischen gesellschaftlich etablierten, sehr
konservativen religiösen und sozialen Wertvorstellungen und des erklär-
ten Ziels der internationalen Gemeinschaft, Frauenrechte zu stärken und
die Beteiligung von Frauen im öffentlichen Raum zu unterstützen?

52. Welche Projekte und Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Verbesse-
rung der Lage der Frauen in Afghanistan, zur Einbeziehung von Gender-
aspekten beim Wiederaufbau, und welche Defizite sieht die Bundesregie-
rung derzeit in diesen Bereichen?

53. Was tut die Bundesregierung zur Aufklärung im Bereich der Frauenrechte
in Afghanistan bei Themen wie häusliche Gewalt?

Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Stärkung von Frauen

auf dem Arbeitsmarkt?

Drucksache 16/4243 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

54. Welche einzelnen Projekte hat die Bundesregierung für die Verbesserung
der Stellung der Frauen in Afghanistan bisher insgesamt unterstützt (Auflis-
tung), und welche Mittel wurden dafür jeweils aufgewendet?

Wie beurteilt die Bundesregierung den Erfolg dieser Projekte?

55. Wie hoch ist der Anteil von Frauen unter den Beschäftigten in von der Bun-
desregierung geförderten Entwicklungsprojekten?

Wie viele Frauen wurden im Rahmen des Einsatzes der Bundeswehr und im
Rahmen der Polizeiausbildung eingesetzt?

V. Regierungsführung und Institutionen

56. Bewertet die Bundesregierung die im Afghanistan Compact und der Interim
Afghan National Development Strategy (I-ANDS) vor einem Jahr festge-
schriebenen Benchmarks im Bereich der Regierungsführung als realistisch?

Gibt es Überlegungen auf Seiten der Bundesregierung für eine Revision des
Afghanistan Compacts und eine Folgekonferenz?

57. Wie bewertet die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit den afghani-
schen Institutionen?

Wie bewertet sie die personelle und fachliche Kontinuität, und welche Maß-
nahmen werden ergriffen, um nachhaltige Politikgestaltung zu unter-
stützen?

58. Mit welchen Maßnahmen und Mitteln unterstützt die Bundesregierung den
Aufbau von Verwaltung und staatlichen Institutionen in Afghanistan?

59. Wie bewertet die Bundesregierung den von Präsident Hamid Karsai am
10. Dezember 2006 vorgestellten „Action Plan on Peace, Justice and Recon-
ciliation“?

Welche Anstrengungen unternehmen die Bundesregierung und die inter-
nationale Gemeinschaft zur Förderung des Versöhnungsprozesses in Afgha-
nistan?

60. Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um die Korruptions-
bekämpfung in Afghanistan zu unterstützen?

61. Wie bewertet die Bundesregierung von afghanischer Seite erhobene Vor-
würfe mangelnder Sensibilität und eigennützigen Agierens gegen inter-
nationale NROs?

Wird die Forderung nach einem allgemein gültigen Code of Conduct für in-
ternationale NROs unterstützt?

62. Verfügt die Bundesregierung über Kontakte zu konservativen afghanischen
Politikern und zum islamischen Klerus?

a) Werden dafür entsprechende Fachleute zu Rate gezogen?

b) Welche Konzepte gibt es für eine mögliche Zusammenarbeit mit islami-
schen Ulama auf lokaler Ebene?

63. Wie steht die Bundesregierung zu einer politischen Einbindung von Reprä-
sentanten der Taliban?

64. Welche Bemühungen unternimmt die Bundesregierung, um einen Dialog
mit lokalen muslimischen Repräsentanten und Beratungsgremien zu stär-
ken?
Inwiefern werden lokale Partner in Bezug auf ihre administrativen Fähig-
keiten sowie Themen wie Menschenrechte weitergebildet?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/4243

VI. Regionale Zusammenarbeit

65. Ist derzeit eine Fortsetzung der Doha-Konferenzen geplant (Doha III)?

66. Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage der Flüchtlinge in Pakistan und
Afghanistan?

Welche Lösungen sieht die Bundesregierung für die Zukunft von
ca. 2,4 Millionen afghanischer Flüchtlinge in Pakistan, die z. T. seit langer
Zeit in Pakistan leben und keine Perspektive für eine Reintegration in
Afghanistan haben?

67. Welche Position vertritt die Bundesregierung als einer der wichtigsten Geber
in der Entwicklungszusammenarbeit für Pakistan gegenüber der pakistani-
schen Regierung, und werden Demokratie- und Entwicklungsdefizite in den
westlichen Provinzen angesprochen?

68. Wie verhält sich die Bundesregierung gegenüber pakistanischen Überlegun-
gen, die 2 400 km lange afghanisch-pakistanische Grenze zu verminen, um
die Infiltration von Kämpfern nach Afghanistan zu unterbinden?

Welche wirksamen Alternativen sieht die Bundesregierung für die Grenz-
sicherung?

69. Welche Erkenntnisse konnte die Tripartite Commission aus Afghanistan,
Pakistan und ISAF-Repräsentanten bisher gewinnen, welche politischen
Maßnahmen der Kommission sind geplant?

70. Wie bewertet die Bundesregierung Pläne für die auf dem NATO-Gipfel in
Riga vorgestellte „Afghanistan Contact Group“, und welche Informationen
über den derzeitigen Planungsstand liegen vor?

71. Wie steht die Bundesregierung zu einer „Afghanistan Support Group“, wie
sie der kürzlich veröffentlichte Baker-Report vorschlägt?

72. Wie steht die Bundesregierung zum bei der NATO-Tagung in Riga vorgetra-
genen französischen Vorschlag einer Regionalkonferenz zu Afghanistan?

73. Wie bewertet die Bundesregierung die Idee, zusätzlich zu Repräsentanten
von EU und VN einen hochrangigen Vermittler, z. B. ein ehemaliges Staats-
oberhaupt, zu ernennen?

74. Führt die Bundesregierung einen Dialog mit iranischen Regierungsvertre-
tern über Sicherheitsfragen in Afghanistan, und falls nein, warum nicht?

Werden Möglichkeiten für einen solchen Dialog gesehen?

Berlin, den 31. Januar 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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