BT-Drucksache 16/4150

Sicherheit im Berliner Hauptbahnhof (Lehrter Bahnhof) und Gewährleistung des Fernbahnverkehrs in Berlin

Vom 30. Januar 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/4150
16. Wahlperiode 30. 01. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dorothee Menzner, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch,
Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Lutz Heilmann,
Hans-Kurt Hill, Katrin Kunert, Michael Leutert, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

Sicherheit im Berliner Hauptbahnhof (Lehrter Bahnhof) und Gewährleistung
des Fernbahnverkehrs in Berlin

Am Donnerstag, dem 18. Januar 2007, lockerten und lösten sich, ausgelöst durch
den Orkan Kyrill, am Gebäude des Berliner Hauptbahnhofes tonnenschwere
Stahlteile. Eines fiel auf einen tiefer liegenden Träger, ein zweites auf eine der
Zugangstreppen. Zwar kam kein Mensch dabei zu Schaden, doch der Hauptbahn-
hof wurde evakuiert und bis zum nächsten Tag gesperrt. Zudem mussten Bahn-
hofsbetrieb und Fahrgastverkehr im Berliner Hauptbahnhof am Sonntag, dem
21. Januar 2007, wegen starken Windes abermals eingestellt werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung die Fassadenkonstruktion des Berliner
Hauptbahnhofes – insbesondere die Sicherung der Zier-Stahlträger und ihrer
offenkundig unzureichenden Befestigung – angesichts des Absturzes von
Fassadenteilen, die „konstruktionsbedingt“ und „nach dem anerkannten
Stand der Technik“ befestigt waren?

2. Wie wurde die Befestigung der abgestürzten Teile ausgeführt (bitte eine tech-
nische Beschreibung oder Zeichnung beifügen)?

a) Wie viele einzelne, auf diese Weise befestigte Stahlteile in ähnlicher
Größenordnung gibt es im Berliner Hauptbahnhof?

b) Sind andere, den abgestürzten ähnliche Fassadenteile des Berliner Haupt-
bahnhofes auf andere Weise befestigt?

Wenn ja, wie?

c) Handelt es sich bei der Befestigung der abgestürzten Fassadenträger um
eine bereits früher und an anderen Bauwerken gewählte Konstruktion?

Wer war für ihre Konstruktion, ihre Befestigung und für die Zulassung
der dazugehörenden Bauteile zuständig?
d) Wo wurde diese Befestigung zuvor bei öffentlichen Gebäuden angewen-
det?

e) Welche Veränderungen an den Befestigungen der Fassadenteile des Ber-
liner Hauptbahnhofes sind im Nachgang der Ereignisse veranlasst oder
bereits ausgeführt worden?

Drucksache 16/4150 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Welche Ermittlungsergebnisse liegen der Bundesregierung hinsichtlich der
Frage vor, ob das Abstürzen von Teilen der Fassade des Berliner Haupt-
bahnhofes durch eine unzulängliche oder fehlerhafte Ausführung oder
durch einen Bruch von Befestigungselementen verursacht wurde?

4. Wie wurde geprüft und gewährleistet, ob die Fassadenkonstruktion des
Berliner Hauptbahnhofes fachmännisch und frei von Qualitätsmängeln er-
richtet wurde?

Wer war mit welcher Kompetenz für das Baustellenmanagement, die
Kontrolle und die Bauabnahme verantwortlich?

5. In welchem Ausmaß haben die beiden Januarstürme – bitte getrennt für den
18., 19. und 21. Januar dieses Jahres angeben – zu Schäden an der Verglasung
der Hallen und der Fassaden des Berliner Hauptbahnhofes geführt?

6. Welche Behörden waren für die Erteilung der Baugenehmigungen – insbe-
sondere bei der Fassadenkonstruktion des Berliner Hauptbahnhofes – zu-
ständig, und welche Regelwerke und Vorgaben (beispielsweise Landesbau-
ordnungen) galten für das Bauwerk?

7. In welchen Zeitspannen wurde am 21. Januar 2007, als das Empfangs-
gebäude des Berliner Hauptbahnhofes erneut komplett gesperrt worden ist,
der Verbindungsgang des U-Bahnhofes (U 55) als Zugang zum Tiefbahn-
hof genutzt, wie viele Fernzüge wurden während dieser Zeiten über den
Tiefbahnhof umgeleitet, und bei wie vielen dieser Züge war im Tiefbahn-
hof ein Fahrgastwechsel möglich?

8. In welchem Umfang war es während der Sperrungen des Empfangsgebäu-
des des Berliner Hauptbahnhofes möglich, Reisezüge über die neuen Fern-
verbindungen im Bahnknoten Berlin umzuleiten, sie also

a) entweder über den Bahnhof Berlin-Gesundbrunnen und die Strecke
Spandau–Gesundbrunnen nach Berlin-Lichtenberg bzw. zum ICE-Werk
Berlin-Rummelsburg oder

b) über die Strecke Spandau–Südkreuz zu den Bahnhöfen Berlin-Südkreuz
und Berlin-Schönefeld

zu führen?

9. Aus welchen Gründen unterließ es die Deutsche Bahn AG, während der Sper-
rung des Berliner Hauptbahnhofes am 21. Januar 2007 den Bahnhof Berlin
Zoologischer Garten und Zugbehandlungsanlagen in Berlin-Grunewald für
die Züge des Fernverkehrs als Ausweichmöglichkeit zu nutzen?

10. Wie viele Fernreisezüge können im Falle weiterer zu erwartender Sperrun-
gen des Berliner Hauptbahnhofes pro Stunde und Richtung jeweils über
die beiden folgenden Verbindungen geführt werden:

a) über die Strecke Spandau–Gesundbrunnen von und zum neuen Fern-
bahnhof Berlin-Gesundbrunnen und weiter zum Fernbahnhof Berlin-
Lichtenberg oder zum ICE-Werk Berlin-Rummelsburg und

b) über die Strecke Spandau–Südkreuz zu den Fernbahnhöfen Berlin-Süd-
kreuz und Berlin-Schönefeld?

11. Welche Schritte unternimmt die Bundesregierung, um möglichst rasch die
Kapazitäten der Relationen

a) Spandau–Gesundbrunnen–Lichtenberg/–Rummelsburg und

b) Spandau–Südkreuz–Schönefeld

für die zu erwartenden Fälle wetterbedingter Sperrungen des Berliner

Hauptbahnhofes zu erweitern?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/4150

12. Wie beurteilt die Bundesregierung Möglichkeiten, die Tiefbahnsteige im
Berliner Hauptbahnhof trotz Sperrungen des Empfangsgebäudes infolge
von Sturmwarnungen für Reisende freizugeben?

a) Für welche Lasten sind die Zwischenebenen im Bahnhof ausgelegt?

b) Welche Sicherungseinrichtungen gibt es in den mehrgeschossigen Frei-
räumen des Bahnhofes?

c) Ist sicher auszuschließen, dass abstürzende Teile bis auf die untere Gleis-
ebene durchschlagen?

13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Kritik von Reisen-
den an der Deutsche Bahn AG, dass es ihr während der Sperrungen des Ber-
liner Hauptbahnhofes nicht hinreichend gelang, die Reisendenströme zu
lenken, die Kunden umfassend zu informieren und spätestens am Freitag,
dem 19. Januar 2007, ausreichend Ersatzangebote mit Omnibussen bereit-
zustellen, um die Reisenden zu anderen Bahnhöfen zu bringen?

14. Welche Übernachtungsangebote hat die Deutsche Bahn AG „gestrandeten“
Reisenden am Berliner Hauptbahnhof unterbreitet?

Falls es keine Angebote gab, weshalb nicht?

15. Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um bei künftigen
Zwischenfällen auf den Schienenwegen des Bundes in Berlin dafür zu sor-
gen, dass genügend Ersatzverkehr mit Omnibussen zur Verfügung steht
und Bahnkunden gezielt Hilfe und Auskünfte erhalten?

16. Auf welchen Strecken des Bundesschienenetzes (bitte einzeln angeben und
jeweils mit Endbahnhöfen benennen) wurde der Zugverkehr während des
Orkans Kyrill nicht eingestellt?

17. Trifft die Information, bei der Hamburger und der Berliner S-Bahn sei der
Zugverkehr trotz des Orkans weitgehend aufrechterhalten worden, zu?

Wenn ja, hing dies damit zusammen, dass die S-Bahnen dort mit Strom-
schiene statt mit Oberleitung fahren, und in welchem Umfang konnte der
Zugverkehr aufrechterhalten werden?

18. In welchem Maße sind das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung und die unterschiedlichen Managementebenen der Deutsche
Bahn AG eingebunden, wenn zu entscheiden ist, den Verkehr auf den
Schienenwegen des Bundes wetterbedingt zu unterbrechen oder Bahnhöfe
zu schließen?

19. Wann wird sich der Aufsichtsrat der Deutsche Bahn AG mit der weitge-
henden Einstellung des Zugverkehrs in Deutschland sowie mit den Vorfäl-
len im Berliner Hauptbahnhof befassen, und welche diesbezüglichen For-
derungen werden die Vertreter der Bundesregierung der Deutsche Bahn
AG gegenüber vortragen?

20. Welche Fakten kann die Bundesregierung bereits jetzt bezüglich möglicher
Regressforderungen von verschiedener Seite mitteilen?

Berlin, den 23. Januar 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.