BT-Drucksache 16/3948

Bundesverantwortung für den Steuervollzug

Vom 20. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3948
16. Wahlperiode 20. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Herbert Schui, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus,
Ulla Lötzer, Kornelia Möller, Dr. Axel Troost, Sabine Zimmermann, Dr. Gregor Gysi,
Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Bundesverantwortung für den Steuervollzug

Der Bundesrechnungshof hat in seinen Publikationen regelmäßig darauf hinge-
wiesen, dass die Gleichmäßigkeit der Besteuerung in Deutschland nicht gegeben
ist. So bemängelte er jüngst, dass bei Einkommensmillionären zu wenige
Außenprüfungen stattfinden und dadurch Steuereinnahmen entfallen. Da die
Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung ungleich verteilt sind, wird damit die
Steuergerechtigkeit untergraben und der Gleichheitsgrundsatz des Grundgeset-
zes verletzt.

Als Ursache wird unter anderem benannt, dass die Bundesländer zu wenig Per-
sonal zur Steuerprüfung einsetzen und die Qualifizierung vernachlässigen. Auch
eine vorsätzlich laxe Steuerprüfung durch die Bundesländer wird nicht ausge-
schlossen. So spricht das Bundesministerium der Finanzen in seinem Positions-
papier „Effizienz und Effektivität in der Steuerverwaltung“ vom 11. Mai 2004
davon, dass die Länder „in Versuchung geraten, die Intensität der Steuererhe-
bung an zweifelhaften standortpolitischen Interessen auszurichten“.

In dem Positionspapier heißt es: „Der Bund muss für einen gleichmäßigen Voll-
zug der Steuergesetze sorgen. Die ihm dafür zur Verfügung stehenden Auf-
sichts- und Weisungsbefugnisse sind aber insgesamt schwach, in Teilbereichen
rechtlich umstritten.“ Der Situation sei nur durch „Überzeugungsarbeit oder
massiven und permanenten ‚politischen‘ Druck auf die Länder“ beizukommen.
Der Bundesrechnungshof schreibt in seinen „Bemerkungen 2005“: „Über den
Umfang der Befugnisse des Bundesministeriums, den obersten Finanzbehörden
der Länder Weisungen erteilen zu können, bestehen zwischen dem Bundesmi-
nisterium, dem Bundesrechnungshof und den Ländern jedoch unterschiedliche
Auffassungen.“

Im Rahmen der Föderalismusreform 2006 wurde die Rechtsposition des Bundes
bei der Auftragsverwaltung gestärkt. Das Bundeszentralamt für Steuern hat seit-
dem die Aufgabe, die Finanzbehörden der Länder bei der Verhütung und Verfol-
gung von Steuerstraftaten mit länderübergreifender, internationaler oder erheb-
licher Bedeutung zu unterstützen und alle hierfür erforderlichen Informationen

zu sammeln (§ 5 Abs. 1 Nr. 28 FVG). Auch vor der Föderalismusreform war das
Bundeszentralamt für Steuern zur Mitwirkung an Außenprüfungen berechtigt.
Neuerdings besitzt es das Recht, Außenprüfungen in bestimmten Betrieben zu
verlangen und Regelungen zur Durchführung und zu Inhalten der Außenprüfung
festzulegen (§ 15 Abs. 5 FVG). Das Bundesministerium der Finanzen kann den
bundeseinheitlichen Einsatz eines bestimmten Programms für die automatisierte
Datenverarbeitung im Steuervollzug anweisen, wenn nicht die Mehrzahl der

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Länder Einwendungen erhebt (§ 20 Abs. 1 Satz 2 FVG). Das Bundesminis-
terium der Finanzen kann für den Steuervollzug einheitliche Verwaltungsgrund-
sätze, gemeinsame Vollzugsziele und Regelungen zur Zusammenarbeit der Bun-
des- und Landesfinanzbehörden bestimmen und allgemeine fachliche Anwei-
sungen erteilen, wenn eine Mehrheit der Länder nicht widerspricht (§ 21a Abs. 1
FVG).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Über welche Aufsichts- und Weisungsbefugnisse im Steuervollzug verfügt
der Bund nach Ansicht der Bundesregierung nach geltendem Recht im Ein-
zelnen, und auf welche rechtlichen Bestimmungen stützt sie sich dabei?

2. Hält die Bundesregierung die Einschätzung des Bundesministeriums für
Finanzen vom 11. Mai 2004 für aktuell, die Aufsichts- und Weisungsbefug-
nisse des Bundes seien in Teilbereichen rechtlich umstritten, falls ja, um
welche Teilbereiche handelt es sich im Einzelnen, wer bestreitet jeweils die
Befugnisse des Bundes, und auf welche rechtlichen Bestimmungen stützt er
sich dabei?

3. Worin unterscheidet sich die Auffassung der Bundesregierung über die Wei-
sungsbefugnisse des Bundes bezüglich des Steuervollzugs von der Auffas-
sung des Bundesrechnungshofes?

4. Welche Rechtsgutachten liegen der Bundesregierung zur Abgrenzung der
Aufsichts- und Weisungsbefugnisse des Bundes im Steuervollzug vor, und
welche ausstehenden Gutachten wurden in Auftrag gegeben?

5. Hält die Bundesregierung die Einschätzung des Bundesministeriums für
Finanzen vom 11. Mai 2004 nach wie vor für zutreffend, es müsse massiver
und permanenter politischer Druck auf die Länder ausgeübt werden, und
falls ja, in welcher Form ist in dieser Legislaturperiode Druck ausgeübt wor-
den, und welche weiteren Schritte in diesem Sinne plant die Bundesregie-
rung?

6. Ist das Bundeszentralamt für Steuern nach Ansicht der Bundesregierung be-
reits zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der Lage, die neu übertragenen Auf-
gaben voll zu erfüllen?

Falls nein, bis wann und durch welche Maßnahmen wird dies der Fall sein?

7. Über welche finanziellen und personellen Mittel verfügt das Bundeszentral-
amt für Steuern derzeit, und welche Ausstattung ist für die nächsten Jahre
geplant?

8. Welche Aktivitäten zur Verhütung und Verfolgung von Steuerstraftaten mit
länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung hat das
Bundeszentralamt für Steuern bisher unternommen?

9. In wie vielen Fällen hat das Bundeszentralamt an Betriebsaußenprüfungen
mitgewirkt?

10. In wie vielen der in Frage 9 angesprochenen Fälle wurde in den letzten Jah-
ren bei der Auswertung des Prüfungsberichtes oder im Rechtsbehelfsver-
fahren von den Feststellungen des Bundeszentralamtes abgewichen und
welche Auswirkungen hatte dies auf das Steueraufkommen (bitte nach Jah-
ren aufschlüsseln)?

11. In wie vielen Fällen hat das Bundeszentralamt Außenprüfungen von be-
stimmten Betrieben verlangt?

12. In wie vielen der in Frage 11 angesprochenen Fällen hat das Bundeszentral-

amt Regelungen zur Durchführung und zu Inhalten der Außenprüfung fest-
gelegt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3948

13. Plant die Bundesregierung, den bundeseinheitlichen Einsatz eines Pro-
gramms für die automatisierte Datenverarbeitung im Steuervollzug anzu-
weisen und, falls ja, bis wann, falls nein, warum nicht?

14. Welche einheitlichen Verwaltungsgrundsätze, gemeinsamen Vollzugsziele
und Regelungen zur Zusammenarbeit der Bundes- und Landesfinanzbehör-
den hat die Bundesregierung für den Steuervollzug bisher bestimmt, welche
allgemeinen fachlichen Anweisungen hat sie diesbezüglich erlassen, und
welche entsprechenden Schritte plant sie für die laufende Legislaturperiode?

Berlin, den 14. Dezember 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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