BT-Drucksache 16/3917

Ein Jahr Informationsfreiheitsgesetz des Bundes

Vom 15. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3917
16. Wahlperiode 15. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Silke Stokar von Neuforn, Volker Beck (Köln), Grietje Bettin,
Kai Gehring, Monika Lazar, Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk,
Josef Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ein Jahr Informationsfreiheitsgesetz des Bundes

Seit dem 1. Januar 2006 ist das noch unter der ehemaligen rot-grünen Bundes-
regierung verabschiedete Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) in
Kraft. Das IFG gibt allen Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich ein Aus-
kunfts- bzw. Akteneinsichtsrecht bei allen Bundesministerien, Bundesbehörden
und Bundeseinrichtungen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen.

Das IFG des Bundes hat offensichtlich eine Sogwirkung auf die Bundesländer
ausgeübt. So haben z. B. das Saarland, Hamburg und Bremen nach Erlass des
IFG eigene Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet, die sich stark an das
IFG des Bundes anlehnen. Auch Mecklenburg-Vorpommern hat mittlerweile
ein IFG verabschiedet, sodass sich jetzt in acht Bundesländern ein Aktenein-
sichtsrecht etabliert hat.

Das IFG verfolgt mehrere Ziele. Es setzt den Anspruch der Bürgerinnen und
Bürger auf umfassende Teilhabe an den öffentlichen Angelegenheiten um. Die
Abkehr von der grundsätzlichen Geheimhaltung von Verwaltungshandeln ist
eine Einladung an die Menschen, sich verstärkt politisch einzumischen. Das
Gesetz richtet sich nicht gegen die Verwaltung, sondern gegen ein überkomme-
nes Staatsverständnis, das noch immer von einem Herrschaftsanspruch staat-
licher Stellen gegenüber dem Bürger geprägt ist.

Von ganz entscheidender Bedeutung für die Umsetzung des Gesetzes ist die
Anzahl der Anfragen durch die Bürgerinnen und Bürger und die für die Ein-
sicht erhobenen Gebühren. Obwohl das Gesetz noch immer relativ unbekannt
ist, sind die Zahlen des ersten Halbjahres ermutigend. Dennoch wissen noch zu
wenige Bürgerinnen und Bürger von ihrem neuen Recht. Hier müssen auch von
Seiten der Verwaltung weitere Anstrengungen bei der Vermittlung unternom-
men werden.

Eine weitere wichtige Voraussetzung für die effektive Wahrnehmung des Akten-
einsichtsrechts ist die ausreichende personelle und sächliche Ausstattung des
Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, damit er
in Konfliktfällen vermitteln kann.
Der Erfolg des Gesetzes hängt schließlich auch vom Umgang der Verwaltung mit
dem Gesetz ab. Wenn Verwaltungen transparenter arbeiten und z. B. wesentlich
mehr Informationen von sich aus in das Internet stellen würden, wäre dies bereits
ein großer Erfolg.

Laut Presseberichten wird häufig die Auskunft unter Hinweis auf verschiedene
Ausnahmetatbestände verweigert. So berichtet z. B. die „FAZ.NET“ vom
22. Mai 2006, dass die Anfrage auf Akteneinsicht in den Mautvertrag mit dem

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Betreiberkonsortium Toll Collect mit der Begründung abgelehnt wurde, der Ver-
trag enthalte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, deren Bekanntwerden „Toll
Collect im Wettbewerb schaden und/oder die Sicherheit des Systems gefährden“
könne. Mangels Sachverstands sehe sich das Bundesministerium für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) nicht dazu in der Lage, geheimhaltungs-
bedürftige Passagen zu erkennen und entsprechend zu schwärzen und die übri-
gen freizugeben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 3. Juni 2006 – 20 F 5.05 –
(DVBl. 2006, 1245 f.) festgestellt, dass zu den nach § 99 Abs. 1 Satz 1 der Ver-
waltungsgerichtsordnung (VwGO) grundsätzlich vorzulegenden Urkunden
oder Akten auch die behördlichen Akten gehören, in die Einblick zu nehmen
die Fachbehörde unter Berufung auf etwaige im jeweiligen Fachgesetz nor-
mierte Geheimhaltungsgründe abgelehnt hat. In dem zitierten Urteil ging es um
eine Anfrage nach dem IFG Brandenburg. Diese höchstrichterliche Entschei-
dung dürfte auch Auswirkungen auf die Anwendung des Bundes-IFG haben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Anfragen auf der Grundlage des IFG wurden im Jahr 2006 an die
Bundesministerien und die ihnen nachgeordneten Behörden gestellt?

2. a) Wie vielen Anfragen wurde vollständig oder teilweise stattgegeben?

b) Wie viele Anfragen wurden abgelehnt?

3. Welche Ablehnungsgründe wurden von den Behörden in wie vielen Fällen
zur Ablehnung des Informationsbegehrens herangezogen?

4. a) In wie vielen Fällen wurde eine Gebühr für die Bearbeitung der Anfrage
erhoben, und in welcher Höhe beliefen sich die Gebühren?

b) In wie vielen Fällen wurde von den Behörden die Erstattung der Aus-
lagen verlangt, und in welcher Höhe beliefen sich die Auslagen?

c) In wie vielen Fällen wurde von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf
eine Gebühr bzw. Auslagenerstattung zu verzichten?

d) In wie vielen Fällen wurde gegen den Kostenbescheid Widerspruch ein-
gelegt oder der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informa-
tionsfreiheit angerufen?

5. Wie viele Widersprüche und Klagen wurden gegen die Ablehnung eines
Informationsbegehrens erhoben, und wie sind diese – soweit sie abgeschlos-
sen sind – ausgegangen?

6. Wie oft wurde der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informa-
tionsfreiheit von den Antragstellern im Zusammenhang mit einer Ablehnung
angerufen, und welche Ergebnisse hatte diese Einschaltung des Bundes-
beauftragten?

7. a) In welchem Umfang wurden für den Bundesbeauftragten für den Daten-
schutz und die Informationsfreiheit Mittel bereitgestellt, um die neue
gesetzliche Aufgabenzuweisung als Bundesbeauftragter für die Informa-
tionsfreiheit bewältigen zu können (vgl. Beschlussempfehlung des Innen-
ausschusses des Deutschen Bundestages (Bundestagsdrucksache 15/5606))?

b) Wie wurde der Mehrbedarf berechnet?

c) Sah oder sieht sich die Bundesregierung veranlasst, bei der Berechnung des
finanziellen Mehrbedarfs des Bundesbeauftragten von einer geringeren
Anzahl als den in der Bundestagsdrucksache 15/5606 angenommenen not-

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wendigen zwei bis drei neuen Stellen des höheren Dienstes und drei Stellen
des gehobenen Dienstes auszugehen?

Wenn ja, warum?

8. Was gedenkt die Bundesregierung innerhalb der Behörden des Bundes,
aber auch in Bezug auf die breite Öffentlichkeit, zu tun, um die Bürgerin-
nen und Bürger besser über das IFG zu informieren?

9. a) Hält die Bundesregierung für Anträge auf Einsicht in die „Vertragsunter-
lagen Toll Collect“ im BMVBS den notwendigen Sachverstand vor, um
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in dem von ihm ausgehandelten
Vertragswerk ausfindig machen und schwärzen zu können?

b) Wenn ja, wieso wurden in dem in der Presse geschilderten Fall die
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht ausfindig gemacht und ge-
schwärzt?

10. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass mit dem Beschluss des
Fachsenats des Bundesverwaltungsgerichts für Entscheidungen nach § 99
Abs. 2 VwGO vom 13. Juni 2006 nunmehr zweifelsfrei klargestellt ist, dass
im Rahmen gerichtlicher Auseinandersetzungen über die dem IFG-Anspruch
entgegenstehenden Ausnahmetatbestände des IFG das in-camera-Verfahren
nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO in vollem Umfang auch auf die streitbefan-
genen Akten bzw. Informationen anwendbar ist?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 15. Dezember 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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