BT-Drucksache 16/3916

Haltung der Bundesregierung zu Änderungen des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"

Vom 15. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3916
16. Wahlperiode 15. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Jerzy Montag, Irmingard Schewe-Gerigk,
Monika Lazar, Silke Stokar von Neuforn, Wolfgang Wieland, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Haltung der Bundesregierung zu Änderungen des Gesetzes zur Errichtung einer
Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“

Das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zu-
kunft“ war Ergebnis eines langwierigen und komplizierten internationalen
Verhandlungsprozesses. Das Gesetz hat sich bewährt. Die Auszahlung der Ent-
schädigungen an die Zwangs- und Sklavenarbeiter hat einen wichtigen Beitrag
zur Aussöhnung geleistet. Auch institutionell haben sich die Vorgaben des
Gesetzes als leistungsfähig erwiesen.

Der Errichtung der Stiftung waren internationale Verhandlungen vorausgegan-
gen, sowohl auf bilateraler Regierungsebene zwischen den Vereinigten Staaten
von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland als auch auf multilateraler
Ebene unter Beteiligung der Regierungen der Staaten, die während des Zweiten
Weltkriegs vom Deutschen Reich besetzt worden waren oder die in besonderem
Maße Opfer repräsentieren sowie von Opferverbänden und -anwälten. Am Ende
dieser Verhandlungen wurden in einem deutsch-amerikanischen Abkommen
(Agreement between the Government of the Federal Republic of Germany and
the Government of the United States of America concerning the Foundation
„Remembrance, Responsibility, and Future“) sowie in einer gemeinsamen Er-
klärung anlässlich des abschließenden Plenums zur Beendigung der interna-
tionalen Gespräche über die Vorbereitung der Stiftung „Erinnerung, Verantwor-
tung und Zukunft“ die wesentlichen Elemente der Stiftungslösung festgehalten,
wie sie schließlich in das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Ver-
antwortung und Zukunft“ eingeflossen sind.

Bewährt hat sich dabei insbesondere die den vielfältigen Interessen Rechnung
tragende umfassende, internationale Zusammensetzung des Kuratoriums der
Stiftung nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft“. Die allermeisten Entscheidungen des Kuratoriums
– sowohl hinsichtlich der Auszahlungs- und Förderprogramme des Fonds als
auch bei Personalentscheidungen wie der Wahl des Vorstands – sind in den letzten
Jahren einstimmig gefällt werden.
Vor diesem Hintergrund erscheinen Änderungen des § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur
Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ gegen-
wärtig nicht angezeigt. Bei einer Veränderung der personellen Zusammensetzung
des Kuratoriums – zum Beispiel für den Fall, dass auf eine Beteiligung interna-
tionaler Kuratoren oder Vertreter von Nichtregierungsorganisationen verzichtet
werden würde, droht eine Diskussion, bei der das Ansehen des Gesamtprojektes
Schaden nehmen würde. Außerdem ist damit zu rechnen, dass vor allem die
Nichtberücksichtigung internationaler Kuratoren in einem zukünftigen Stif-

Drucksache 16/3916 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tungskuratorium zu einer Belastung internationaler Beziehungen zwischen
Deutschland und anderen Staaten führen würde.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass sich die derzeitige Zusam-
mensetzung des Kuratoriums für alle Aufgabenbereiche der Stiftung be-
währt hat, und wenn nein, warum nicht?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die internationale Zusam-
mensetzung des Kuratoriums und auch dessen Kompetenzen ausdrücklich
beibehalten werden sollten?

a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf den
vom Bundeskanzler/von der Bundeskanzlerin zu benennenden Vorsitzen-
den im Kuratorium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie begründet sie
ihre Haltung?

b) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht oder die
Reduzierung der vier von den in der Stiftungsinitiative der deutschen
Wirtschaft zusammengeschlossenen Unternehmen zu benennenden Mit-
glieder im Kuratorium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie begründet
sie ihre Haltung?

c) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht oder die
Reduzierung der fünf vom Deutschen Bundestag und zwei vom Bundes-
rat zu benennenden Mitglieder im Kuratorium nicht sinnvoll ist, und
wenn nein, wie begründet sie ihre Haltung?

d) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf den
Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen im Kuratorium nicht
sinnvoll ist, und wenn nein, wie begründet sie ihre Haltung?

e) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf den
Vertreter des Auswärtigen Amts im Kuratorium nicht sinnvoll ist, und
wenn nein, wie begründet sie ihre Haltung?

f) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf das
von der Conference on Jewish Material Claims Against Germany zu be-
nennende Mitglied im Kuratorium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie
begründet sie ihre Haltung?

g) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf ein aus
der Gruppe der Sinti und Roma zu benennendes Mitglied im Kurato-
rium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie begründet sie ihre Haltung?

h) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf das
von der Regierung des Staates Israel zu benennende Mitglied im Kurato-
rium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie begründet sie ihre Haltung?

i) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf das
von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zu benennende
Mitglied im Kuratorium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie begründet
sie ihre Haltung?

j) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf das
von der Regierung der Republik Polen zu benennende Mitglied im Kura-
torium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie begründet sie ihre Haltung?

k) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf das
von der Regierung der Russischen Föderation zu benennende Mitglied im
Kuratorium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie begründet sie ihre Hal-

tung?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3916

l) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf das
von der Regierung der Ukraine zu benennende Mitglied im Kuratorium
nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie begründet sie ihre Haltung?

m) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf das
von der Regierung der Republik Belarus zu benennende Mitglied im
Kuratorium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie begründet sie ihre Hal-
tung?

n) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf das
von der Regierung der Tschechischen Republik zu benennende Mitglied
im Kuratorium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie begründet sie ihre
Haltung?

o) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf den
von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zu benennenden
Rechtsanwalt im Kuratorium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie be-
gründet sie ihre Haltung?

p) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf das
vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen zu benen-
nende Mitglied im Kuratorium nicht sinnvoll ist, und wenn nein, wie be-
gründet sie ihre Haltung?

q) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf das
von der International Organization for Migration nach § 9 Abs. 2 Nr. 6
des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung
und Zukunft“ zu benennende Mitglied im Kuratorium nicht sinnvoll ist,
und wenn nein, wie begründet sie ihre Haltung?

r) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Verzicht auf das
vom Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte e. V. zu
benennende Mitglied im Kuratorium nicht sinnvoll ist, und wenn nein,
wie begründet sie ihre Haltung?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein erneuter Versuch un-
ternommen werden sollte, auch eine Repräsentanz der Sinti und Roma im
Kuratorium sicherzustellen, und wenn ja, welchen Vorschlag hat sie dazu?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die entsendenden Stellen
im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung
„Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zukünftig aufgefordert werden
sollten, Kuratoren zu entsenden, die den gegenüber den Auszahlungs-
programmen geänderten fachlichen Anforderungen einer Förderstiftung, die
überwiegend auf den Fonds „Erinnerung und Zukunft“ ausgerichtet ist, opti-
mal gerecht werden?

5. Sieht die Bundesregierung im Hinblick auf die Zusammensetzung und An-
zahl der Mitglieder des Stiftungsvorstandes gemäß § 6 des Gesetzes zur
Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ ab
Mitte 2007 gesetzlichen Änderungsbedarf, und wenn ja, welchen?

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Änderung des Gesetzes
nicht notwendig ist, um eine Besetzung mit zwei Vorstandsmitgliedern zu
gewährleisten (Lösung: Nichtbesetzung des dritten Postens)?

6. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, das es gute parlamentarische Praxis
ist, dass alle Änderungen des Gesetzes nur auf Antrag aller Fraktionen des
Deutschen Bundestages erfolgen und Parlament und Regierung damit die
gemeinsame politische Verantwortung bei diesem Thema mit Erfolg unter-
strichen haben?
Berlin, den 15. Dezember 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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