BT-Drucksache 16/3770

Zur künftigen Nutzung des Bombodroms in der Kyritz-Ruppiner Heide

Vom 6. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3770
16. Wahlperiode 06. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. Lothar Bisky,
Diana Golze, Wolfgang Neskovic, Paul Schäfer (Köln), Petra Pau, Heike Hänsel,
Monika Knoche, Katrin Kunert, Dr. Norman Paech, Wolfgang Gehrke,
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Zur künftigen Nutzung des Bombodroms in der Kyritz-Ruppiner Heide

Die Bundesregierung strebt die militärische Nutzung eines Geländes bei Witt-
stock in der Kyritz-Ruppiner Heide als Luft-Boden-Schießplatz (Bombodrom)
an – ungeachtet des fortwährenden Protests einer übergroßen Mehrheit der Bür-
gerinnen und Bürger in der unmittelbar betroffenen Region und ablehnenden
Beschlüssen der Landtage in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern
sowie des Berliner Abgeordnetenhauses.

Am 30. September 2006 fand in Linowsee (Landkreis Ostprignitz-Ruppin, Land
Brandenburg) eine öffentliche Diskussion zu den rechtlichen Grundlagen, poli-
tischen Motivationen und regionalen Konsequenzen einer solchen Nutzung statt.
Die Einladung an das Bundesministerium der Verteidigung, zu dieser Diskus-
sionsveranstaltung zu kommen, wurde nicht wahrgenommen.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Nutzungskonzept für den geplanten Luft-Boden-Schießplatz

1. Welche Position hat die Bundesregierung zu den Aussagen des Obmanns der
Fraktion der SPD im Verteidigungsausschuss des 16. Deutschen Bundes-
tages, Rainer Arnold, bei dieser öffentlichen Diskussion, das Nutzungs-
konzept von 2003 für das Bombodrom müsse entsprechend neuer Szenarien
(z. B. dem Einsatz von Drohnen) laufend fortgeschrieben werden?

2. Welche Verbindlichkeit besteht hinsichtlich der Detailregelungen (z. B. Art
und Umfang der Übungen) in diesem Nutzungskonzept?

3. Auf welche Weise wird gewährleistet, dass die Anwohner und die breitere
Öffentlichkeit über Veränderungen im Nutzungskonzept oder über die Aus-
führungsbestimmungen dieses Nutzungskonzepts informiert werden?

4. Inwieweit sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, das Nutzungskon-
zept für das Bombodrom entsprechend den neuesten technischen oder mili-
tärtaktischen Entwicklungen sowie den multinationalen militärischen Ver-
pflichtungen zu aktualisieren?

5. Können und sollen über dem Bombodrom auch Drohnen für militärische
Übungen eingesetzt werden?

Wenn ja, welche Typen planen die Bundeswehr bzw. andere NATO-Streit-
kräfte dort einzusetzen?

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6. Sind im Rahmen der geplanten Nutzung des Bombodroms durch die
Bundeswehr und andere NATO-Streitkräfte auch Übungen von Bomben-
abwürfen unter „Fremdeinwirkung“ (z. B. Bombenabwurf incl. vorange-
gangenem oder nachfolgendem Luftkampf) erlaubt und/oder geplant?

7. Welche Konsequenzen entstehen aus dem Überflugverzicht der Bundes-
wehr über die Gemeinde Schweinrich für das Nutzungskonzept des geplan-
ten Luft-Boden-Schießplatzes, insbesondere hinsichtlich des Einflugs von
Militärmaschinen in das Gelände?

8. Bezüglich welcher konkreten Einsatzszenarien hält es die Bundesregierung
für unverzichtbar, dass die Bundesluftwaffe im Ausland militärische oder
nichtmilitärische Ziele mit Bombenabwürfen angreift?

II. Bereiche für „kontrollierte Abstürze“

9. In ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen 30 und 31 des Abgeordneten
Alexander Ulrich auf Bundestagsdrucksache 16/2873 teilt die Bundes-
regierung mit, dass es Flächen für „kontrollierte Abstürze“ gäbe, allerdings
„nur in der Nähe von Militärflugplätzen, nicht aber darüber hinaus“.

Welche Begründung gibt es dafür unter der Berücksichtigung der vernünf-
tigen Annahme, dass Abstürze von Kampfflugzeugen nicht auf die Nähe
von Militärflugplätzen beschränkt werden können?

10. Welche Planungen hat die Bundeswehr bezüglich der Flächen für „kontrol-
lierte Abstürze“ für die unmittelbar mit in die militärische Nutzung des
Bombodroms in der Kyritz-Ruppiner Heide einbezogenen Militärflugplätze
in Laage und Trollenhagen?

11. Wo dürfen Bundesluftwaffe und alliierte Streitkräfte bei einem Notverfah-
ren bzw. einem möglichen „kontrollierten Absturz“ Munition und Waffen
abwerfen – im Sinne von Ballast bzw. zur Vermeidung von Schäden für
Menschen in dem von einem „kontrollierten Absturz“ betroffenen Gebiet
(aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Gemeinden bzw. Gebieten)?

12. Wo dürfen Bundesluftwaffe und alliierte Streitkräfte bei einem Notverfah-
ren bzw. einem möglichen „kontrollierten Absturz“ die Tanks ihrer von dem
Notverfahren bzw. dem „kontrollierten Absturz“ betroffenen Kampfflug-
zeuge entleeren (aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Gemeinden bzw.
Gebieten)?

13. Sind die Bereiche für „kontrollierte Abstürze“ der alliierten Streitkräfte mit
den deutschen Behörden abgestimmt worden?

14. Wenn diese Absturzbereiche nicht mit den deutschen Behörden abgestimmt
sind: Werden bei Notsituationen und kontrollierten Rettungsausstiegen
alliierter Kampfflugzeuge die Orte eines „kontrollierten Absturzes“ mit den
deutschen Behörden abgestimmt bzw. werden diese davon informiert?

15. Welche Auswirkungen hätte das Ablassen eines Tanks eines Kampfflugzeu-
ges oder das Abwerfen von Munition oder Waffen in einer Notsituation über
dem Bombodrom in der Kyritz-Ruppiner Heide für die dort lebenden Men-
schen, Tiere und Pflanzen, und inwieweit wären die Folgen vereinbar mit
den Bestimmungen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie?

III. Beschwerden gegen Störungen durch militärischen Flugbetrieb

16. Wie viele Beschwerdeanrufe sind per 30. September 2006 beim Skyguard –
Bürgertelefon (0800 – 8620730) in den vergangenen Jahren (2000 bis 2005)
für die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin einge-
gangen, und welche Beschwerden wurden dort in welcher Häufigkeit vorge-

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tragen (bitte einzeln für die Jahre, die Länder und den Grund der Beschwer-
den aufführen)?

17. Wie viele schriftliche Beschwerden sind bei den zuständigen Stellen zu
Lärm- oder anderen Belästigungen durch militärischen Flugbetrieb in den
Ländern Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern eingegangen,
und wie viele wurden davon beantwortet?

18. Welche Festlegungen, Vorgaben oder Richtlinien gibt es seitens der Behör-
den für die Nichtbeantwortung solcher Beschwerden?

19. Wie viele solcher Beschwerden waren aus Sicht der zuständigen Behörden
berechtigt, und welche Konsequenzen wurden daraus gezogen?

20. Wie sind die Behörden bei berechtigten Beschwerden und daraus gezogenen
Konsequenzen weiter verfahren?

21. In welcher Form wurden und werden die Beschwerden ausgewertet, und
welche Konsequenzen wurden bisher gezogen?

IV. Antwort auf Anschreiben an die Bundesregierung

22. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung auf die Einladung zu der in
der Einleitung genannten Veranstaltung am 30. September 2006 in Linow-
see nicht reagiert und auch keine Vertreterin bzw. keinen Vertreter entsandt?

23. Aus welchen Gründen hat die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, bislang
die Briefe der Bürgerinitiative FREIe HEIDe vom 19. April 2006 und
7. Juni 2006 nicht beantwortet?

24. Welche Richtlinien gibt es im Bundeskanzleramt für die Beantwortung bzw.
Nichtbeantwortung von Bürgeranliegen und insbesondere von Schreiben
der Gegner einer militärischen Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide?

Berlin, den 5. Dezember 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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