BT-Drucksache 16/3732

Kostenentwicklung und Änderungen im Bereich des Zweiten und Dritten Buchs Sozialgesetzbuch

Vom 1. Dezember 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3732
16. Wahlperiode 01. 12. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Karin Binder, Dr. Lothar Bisky, Dr. Martina Bunge,
Diana Golze, Inge Höger-Neuling, Katja Kipping, Elke Reinke, Frank Spieth,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Kostenentwicklung und Änderungen im Bereich des Zweiten und Dritten Buchs
Sozialgesetzbuch

Die Diskussion um eine vermeintliche Kostenexplosion im Bereich des Zweiten
Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) und der Arbeitslosigkeit im Ganzen hält
ungebrochen an. Fakt jedoch ist, dass erstmals nicht nur die Ausgaben der BA
sondern auch die Ausgaben für ALG II sinken. So lagen die Ausgaben des
Bundes für ALG II im September 2006 um 48 Mio. Euro unter denen des
Vorjahresmonats (Mitteilung des Bremer Instituts für Arbeitsmarktforschung
und Jugendberufshilfe (BIAJ) vom 20. Oktober 2006). Wird gleichzeitig be-
rücksichtigt, dass mit dem erheblichen Anstieg der Erwerbslosigkeit sowie dem
gewollten schnelleren Übergang vom ALG I ins ALG II und damit auf Sozial-
hilfeniveau, die Zahl der Bezieherinnen und Bezieher von ALG II erheblich an-
gestiegen ist, muss der Anstieg der Kosten im Bereich des ALG II als Ergebnis
einer Verschiebepolitik gesehen werden. Gestärkt wird diese Sichtweise durch
den starken Rückgang der Kosten für Arbeitslosengeld (I). Fraglich ist dann, ob
Veränderungen der Leistungen und Anspruchsvoraussetzungen im Bereich des
SGB II (ALG II) unter diesen Voraussetzungen zielführend sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie haben sich die Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit für das Arbeits-
losengeld (nur dieses) in diesem Jahr gegenüber dem Jahr 2005 entwickelt,
und welche Entwicklung erwartet die Bundesregierung bis Ende 2006?

2. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die Ausgaben des Bundes und
der Bundesagentur für Arbeit für Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II
zusammengenommen in 2006 unter den Ausgaben von 2005 liegen, und
wenn ja, in welcher Höhe?

3. Wie viele Personen wechselten pro Monat seit 1/2005 insgesamt und aufge-
schlüsselt nach Geschlecht sowie Ost- und West-Deutschland, unter Angabe
der jeweiligen Bezugsdauer (Median und Mittelwert) und Bezugshöhe
(Median und Mittelwert) des Arbeitslosengeldes, vom Arbeitslosengeld in

das Arbeitslosengeld II?

4. Wie sähe die Zahl der Übergänge vom Arbeitslosengeld in die Arbeitslosen-
hilfe und Sozialhilfe und die jeweilige Bezugshöhe aus, wenn das alte
System aus Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe beibehalten
worden wäre (bitte analog zu Frage 3 aufschlüsseln)?

Drucksache 16/3732 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

5. Wie haben sich die monatlichen Ausgaben Pro-Kopf insgesamt sowie ge-
trennt nach Geschlecht und den alten und neuen Bundesländern für ALG II
von 1/2005 bis 9/2006 im Bereich SGB II entwickelt (insgesamt und
aufgeschlüsselt nach Arbeitslosengeld II, Kosten der Unterkunft, aktive
Arbeitsmarktinstrumente und sonstigen Kosten)?

6. Wie haben sich die monatlichen Ausgaben Pro-Kopf bei Mitgliedern einer
Bedarfsgemeinschaft nach SGB II getrennt nach Alter (unter 15 Jahren,
unter 25 Jahren) und den alten und neuen Bundesländern für ALG II von
1/2005 bis 10/2006 im Bereich SGB II/SGB XII entwickelt (insgesamt und
aufgeschlüsselt nach Arbeitslosengeld II (bzw. Sozialgeld), Kosten der
Unterkunft, aktive Arbeitsmarktinstrumente und sonstigen Kosten)?

7. Wie hoch waren die Ausgaben analog zu Frage 5 unter dem alten System
von Arbeitslosen- und Sozialhilfe im Jahr 2004, und wie hoch wären sie im
Jahre 2005 und 2006 gewesen?

8. Bestehen Pläne – oder werden diese in Erwägung gezogen – seitens der
Bundesregierung die Sozialversicherungsbeiträge, oder Teile davon, die im
Rahmen des Arbeitslosengeldes oder des Arbeitslosengeldes II an die Ver-
sicherungsträger gezahlt werden zu kürzen, bzw. zu streichen, und wenn ja,
welche Änderungen würde dies konkret beinhalten?

9. Wie viele Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld und Arbeits-
losengeld II wurden jeweils in den Monaten 1/2005 bis 10/2006 in den
ersten Arbeitsmarkt (insgesamt und nur sozialversicherungspflichtige
Beschäftigungen) vermittelt (aufgeschlüsselt nach ALG und ALG II, Ost-
und Westdeutschland sowie Geschlecht)?

10. Wie hoch war der Mittelwert und der Median des Arbeitslosengeldes der
vermittelten Personen nach Frage 8 jeweils in den Monaten 1/2005 bis
10/2006?

11. Plant die Bundesregierung den Aussteuerungsbetrag nach § 46 Abs. 4
SGB II zu erhöhen, und wenn ja, auf welchen Betrag?

12. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass das dem Bundesminister der
Finanzen, Peer Steinbrück, im Handelsblatt vom 30. Oktober 2006 zu-
geschriebene Argument, den Aussteuerungsbetrag aufgrund der hohen
Kosten des Bundes für ALG II zu erhöhen, um die Ausgaben wenigstens
teilweise auszugleichen, einem Transfer von Beiträgen aus der Arbeits-
losenversicherung in den Staatshaushalt entspricht?

13. Geht die Bundesregierung für das Jahr 2007 von einer tendenziell sinken-
den, konstanten oder steigenden Zahl von Übergängen aus dem Arbeits-
losengeld ins Arbeitslosengeld II gegenüber dem Jahr 2006 aus, und wie
begründet sie ihre Annahmen?

14. Wenn die Bundesregierung von einer sinkenden oder konstanten Zahl von
Übergängen ausgeht, wie erklärt sie dann, dass im Haushaltsentwurf für
das Jahr 2007 die Einnahmen aus dem Aussteuerungsbetrag mit 5,1 Mrd.
Euro etwa 40 Prozent über denen des laufenden Jahres liegen?

15. Stimmt die Bundesregierung zu, dass die Vermutung nahe liegt, dass der
Gesetzentwurf bereits eine Erhöhung des Aussteuerungsbetrages je Über-
gang vorweggenommen hat, wenn man berücksichtigt, dass die öffentlich
diskutierte Erhöhung von 10 000 auf 14 000 Euro ebenfalls 40 Prozent
betragen soll und wie bewertet die Bundesregierung dann ein solches Vor-
gehen?

16. Findet die Bundesregierung diesen Umgang mit Beitragsgeldern gerecht-

fertigt, und wenn ja, wie begründet sie dies?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3732

17. Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass aufgrund des Aussteuerungs-
betrages die BA bei gleicher oder ähnlicher Qualifikation für eine Stelle im
ersten Arbeitsmarkt eine Person mit Arbeitslosengeldbezug vorrangig vor
einer mit Arbeitslosengeld-II-Bezug vermitteln wird, und sieht die Bun-
desregierung darin nicht einen Widerspruch zu ihrem erklärten Ziel, sich
besonders um Langzeiterwerbslose zu bemühen, und wie bewertet sie
diese Anreizmechanismen?

18. Sind der Bundesregierung Fälle wie in der vorherigen Frage erläutert be-
reits bekannt?

Wenn nein, hat sie die Arbeit der Bundesagentur für Arbeit dahingehend
überprüft, und wie begründet sie dies?

19. Auf welche Höhe kalkuliert die Bundesregierung jeweils die zusätzlichen
Einnahmen oder verminderten Ausgaben aufgrund der Änderungen zu den
Hinzuverdienstmöglichkeiten, des Aussteuerungsbetrages, des befristeten
Zuschlags nach § 24 SGB II sowie bei den Sozialversicherungsbeiträgen
im Bereich des SGB II (soweit von ihr in Erwägung gezogen)?

20. Wie viele Erwerbstätige haben ALG II ergänzend zu ihrer Erwerbstätigkeit
beantragt, und wie viele Bezieherinnen und Bezieher von ALG II haben
ergänzend zum Bezug von ALG II eine Arbeit (mit und ohne 1-Euro-Jobs)
aufgenommen (für die Monate 1/2005 bis 10/2006)?

Berlin, den 30. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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