BT-Drucksache 16/3716

S-Bahn-Unfall im Bahnhof Berlin Südkreuz

Vom 27. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3716
16. Wahlperiode 27. 11. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dorothee Menzner, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch,
Karin Binder, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus, Lutz Heilmann,
Hans-Kurt Hill, Katrin Kunert, Michael Leutert, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

S-Bahn-Unfall im Bahnhof Berlin Südkreuz

Im Bahnhof Berlin Südkreuz hat sich am Montag, dem 20. November 2006, ein
Auffahrunfall ereignet. Ein S-Bahn-Zug war im Bahnsteigbereich auf einen
Zug geprallt, der nur aus einem Spezialtriebwagen zum Messen der Gleise
bestand. Mehr als 30 S-Bahn-Fahrgäste sind verletzt worden, zwei davon
schwer. Unklar ist, weshalb die Sicherheitsvorschriften der Bahn den Unfall
nicht haben verhindern können. Dem Eisenbahnbundesamt obliegt die fach-
liche Untersuchung von gefährlichen Ereignissen auf Bundesschienenwegen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Umstand, dass jeder
Zug bei einer Fahrt in das Gleis, auf dem sich im Bahnhof Südkreuz der
Unfall zutrug, nicht nur ein Signal, sondern zwei zu passieren hat?

Das eine steht direkt am Bahnsteiganfang, das andere rund 150 Meter davor
– hätten nicht beide bei besetztem Gleis Halt zeigen und durch die Fahrsper-
ren Zwangsbremsungen auslösen müssen?

2. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung vor, weshalb der S-Bahn-
zug im Bahnhof Südkreuz mit vergleichsweise hoher Geschwindigkeit aufge-
prallt sein muss, weil der Messtriebwagen, der weit schwerer als ein S-Bahn-
wagen ist, etwa 40 Meter bewegt und dabei beschädigt wurde?

a) Konnte die S-Bahn bei glatter Schiene nicht wirksam bremsen?

b) Hatte der Messzug die Schiene verunreinigt?

c) Versagte die elektronische Bremssteuerung des S-Bahnzuges?

d) Hätte eine separate, druckluftgesteuerte Bremse den Unfall verhindern
oder den Schaden mindern können?

3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von Vorfällen, bei denen die
elektronische Bremssteuerung eines Zuges zwar versagt, eine zusätzliche

druckluftgesteuerte Bremse aber Unfälle verhindert hat (bitte gegebenenfalls
Orts- und Zeitangaben für Vorfälle dieser Art auf den Schienenwegen des
Bundes während der vergangenen sechs Jahre nennen)?

Drucksache 16/3716 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von Vorfällen, bei denen
Signal- und Sicherungsanlagen durch einen Messzug gestört wurden (bitte
gegebenenfalls Orts- und Zeitangaben für Vorfälle dieser Art auf den
Schienenwegen des Bundes während der vergangenen sechs Jahre nen-
nen)?

5. Auf Basis welcher Regelungen (bitte einzeln erläutern) dürfen Fahrdienst-
leitung und Lokführer bei der Fahrt eines Messzuges Entscheidungen tref-
fen, um einen davor oder dahinter fahrenden Zug vor einem Auffahrunfall
zu schützen?

6. Welche rechtlichen und betrieblichen Vorschriften gelten, um einen länge-
ren Gleisabschnitt für den nachfolgenden Zug so lange zu sperren, bis ein
Messzug bei seiner Fahrt den nächsten vor ihm liegenden Fahrdienstleiter-
posten passiert hat?

7. Welche Vorschriften, die von den heute gültigen abweichen, hat es in den
vergangenen 15 Jahren gegeben, um einen Gleisabschnitt für den nachfol-
genden Zug so lange zu sperren, bis ein Messzug bei seiner Fahrt den
nächsten voraus liegenden Fahrdienstleiterposten passiert hat?

8. Welche Prüf-, Abnahme- und Zulassungsverfahren und welche regelmäßi-
gen Kontrollauflagen gelten in der Bundesrepublik Deutschland, um bei
Störung oder Fremdbeeinflussung von Signal- und Sicherungsanlagen ge-
fährliche Vorkommnisse auszuschließen?

9. Welche Eisenbahn-Unfälle und welche dabei entstandenen Schäden sind
der Bundesregierung bekannt, deren Ursache darin lag, dass auf einer
Strecke ein Sensor Daten fehlerhaft erfasst hatte, sie aber durch mehrere
Rechner eines Stellwerks nicht als falsch erkannt, sondern verarbeitet
wurden (bitte gegebenenfalls Orts- und Zeitangaben für Vorfälle dieser Art
auf den Schienenwegen des Bundes während der vergangenen sechs Jahre
nennen)?

10. Wer haftet bei Schäden, die entstehen, wenn auf einer Strecke ein Sensor
Daten fehlerhaft erfasst, diese dann aber durch mehrere Rechner in einem
Stellwerk nicht als falsch erkannt, sondern verarbeitet werden?

Berlin, den 27. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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