BT-Drucksache 16/371

Für starke und handlungsfähige Kommunen

Vom 17. Januar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/371
16. Wahlperiode 17. 01. 2006

Antrag
der Abgeordneten Kerstin Andreae, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick,
Birgitt Bender, Matthias Berninger, Grietje Bettin, Ekin Deligöz, Dr. Thea Dückert,
Hans Josef Fell, Kai Boris Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann,
Peter Hettlich, Priska Hinz (Herborn), Dr. Reinhard Loske, Winfried Nachtwei,
Brigitte Pothmer, Claudia Roth (Augsburg), Krista Sager, Elisabeth Scharfenberg,
Irmingard Schewe-Gerigk, Silke Stokar von Neuforn, Dr. Harald Terpe
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Für starke und handlungsfähige Kommunen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Lage der Kommunen ist nach wie vor angespannt, auch wenn ihnen die
Maßnahmen der rot-grünen Koalition der letzten Wahlperiode zur Stabilisierung
ihrer Einnahmenbasis erhebliche Fortschritte gebracht haben. So hat sich die
Gewerbesteuer wieder zu einer tragfähigen und ergiebigen Einnahmequelle ent-
wickelt, auch wenn weitergehende Verbreiterungen und Vereinfachungen bisher
am Widerstand der Unionsmehrheit im Bundesrat gescheitert sind.

Besonderer Druck lastet auf den Kommunen von der Ausgabenseite her. Stei-
gende Soziallasten als Folge hoher Arbeitslosigkeit konnten durch die Zusam-
menlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zwar teilweise abgemildert wer-
den, fallen aber regional unterschiedlich aus. Die Beteiligung des Bundes an den
Wohnkosten der Langzeitarbeitslosen wird deshalb auch weiterhin beibehalten.

Weitere Handlungsschritte sind aber notwendig, um die finanzielle Lage der
Kommunen vollständig zu erfassen, zu stabilisieren und die Kommunen in ihrer
Finanzautonomie zu stärken.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die Situation der Kommunen weiter zu verbessern. Konkret heißt das:

● darzulegen, wie die Bundesregierung die Gewerbesteuer verbreitern, verein-
fachen und als stabile und dynamische Einnahmequelle der Kommunen zu-
kunftssicher, wettbewerbsfähig und EU-rechtskonform ausgestalten will, und
Gesetzesvorschläge vorzulegen;
● darzulegen, wie die Bundesregierung die Grundsteuer zu einer weiteren ver-
fassungskonformen und tragfähigen Einnahmequelle der Kommunen weiter-
entwickeln will, die Grundvermögen gerecht und ausgewogen belastet, der
fortschreitenden Zersiedelung entgegenwirkt, brachliegende Baugrundstü-
cke in Innenstädten besser mobilisiert und den Umweltverbrauch angemes-
sen berücksichtigt, und Gesetzesvorschläge vorzulegen;

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● darzulegen, wie die Bundesregierung die Beteiligung des Bundes an den
Wohnkosten der Langzeitarbeitslosen für die folgenden Jahre auf eine solide
und angemessene Grundlage stellen will, und Gesetzesvorschläge vorzule-
gen;

● darzulegen, wie sich die Bundesregierung einen Ausgleich entsprechend der
tatsächlichen Be- und Entlastung der einzelnen Kommunen durch die Hartz-
IV-Kosten vorstellt, damit die Länder diese Vorschläge entsprechend aufgrei-
fen und in ihren kommunalen Finanzausgleichen berücksichtigen können;

● darzulegen, wie die Bundesregierung im Rahmen der angestrebten Föderalis-
musreform ein verfassungsrechtlich verankertes Mitspracherecht der Kom-
munen zu ihren Belangen herstellen will, und Gesetzesvorschläge vorzule-
gen;

● möglichst rasch Details vorzulegen, wie die im Ergebnispapier der Klausur-
tagung des Bundeskabinetts in Genshagen am 9. und 10. Januar 2006 ange-
kündigten Kommunalkredite der KfW für die energetische Sanierung von
Kindergärten und Schulgebäuden aussehen sollen;

● ein Konzept zu entwickeln, welche Daten für die finanzielle Situation der
Kommunen relevant sind, und wie diese verlässlich, schnell und regelmäßig
gewonnen werden können.

Berlin, den 17. Januar 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Es reicht nicht aus, die finanziell klamme Lage der Kommunen zu beklagen und
immer neue Berichte zu fordern. Vielmehr müssen neue Ideen entwickelt und
umgesetzt werden, um die Leistungsfähigkeit der Kommunen im Interesse der
Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen zu stärken.

Stichwort Gewerbesteuer: Die aktuelle überaus positive Entwicklung der Ge-
werbesteuereinnahmen zeigt, dass die Gewerbesteuer für eine stabile und trag-
fähige Finanzbasis der Kommunen unverzichtbar ist. Die bisher aus dem Kreise
der Wirtschaft und der Wissenschaft vorgelegten Alternativen können bisher
nicht überzeugen, auch die Aussagen der Fraktionen FDP, DIE LINKE., CDU/
CSU und auch SPD sind entweder nicht akzeptabel, weil sie einseitig auf die
Abschaffung ausgerichtet sind, oder zu vage, weil man sich an konkrete Schritte
nicht herantraut. Es ist deshalb notwendig, nicht einseitig auf die Abschaffung
zu schielen und nicht in Handlungsstarre zu verharren, sondern – wie dies
eigentlich auch der Vertrag der großen Koalition vorsieht, allerdings ohne wei-
tere Konkretisierung – die Gewerbesteuer weiterzuentwickeln.

Stichwort Grundsteuer: Eine Reform der Grundsteuer ist überfällig. Die Ein-
heitswerte von 1964 und 1935 sind weitab von der Realität und sind Ursache für
verfassungswidrige Ungleichbehandlungen und umweltschädliche Lenkungs-
wirkungen, die nicht länger hinnehmbar sind. Auch der vorliegende Entwurf aus
Bayern und Rheinland-Pfalz ist nicht ausreichend, um die bestehenden Defizite
zu beseitigen.

Stichwort kommunaler Finanzausgleich: Der Bund kann die Kommunen nicht
direkt mit finanziellen Mitteln ausstatten. Dafür sind die Länder verantwortlich.

Sie bilden mit den Kommunen nach dem Grundgesetz eine finanzwirtschaft-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/371

liche Einheit und sind Mittler finanzieller Anstrengungen des Bundes für die
Kommunen. Damit sie dieser Aufgabe auch gerecht werden, muss sich auch der
Bund mit entsprechenden Vorschlägen an der Diskussion beteiligen.

Stichwort verfassungsrechtlich verankertes Mitspracherecht: Die Kommunen
sind ganz nah an den Bürgerinnen und Bürgern und an den Unternehmen. Wer
sonst wenn nicht die Kommunen selbst wissen um die Bedürfnisse der Bewoh-
ner dieses Landes. Die Kommunen stellen die Basisinfrastruktur zur Verfügung.
Es ist deshalb auch ein zukunftsweisender Beitrag, den Kommunen mehr Mit-
spracherechte bei Entscheidungen einzuräumen, die Bund und Länder immer
noch viel zu oft nur über sie anstatt mit ihnen gemeinsam fällen.

Stichwort Datenbasis: In der Vergangenheit gab es immer wieder Missverständ-
nisse über die Datenbasis, die für finanzwirksame Entscheidungen von Bund
und Ländern notwendig waren. Nicht selten waren Daten gefragt, die gar nicht
vorlagen oder erst mühsam abgeleitet werden mussten. Notwendig ist es des-
halb, ein Konzept zu entwickeln, welche Daten für die Erfassung und Beurtei-
lung der finanziellen Lage sowie der Auswirkungen finanzwirksamer Entschei-
dungen notwendig sind und wie sie erhoben werden.

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