BT-Drucksache 16/3617

Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der EU stärken - Mandat der Grundrechteagentur sinnvoll ausgestalten

Vom 29. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3617
16. Wahlperiode 29. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Rainder Steenblock, Omid Nouripour,
Marieluise Beck (Bremen), Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller
(Köln), Winfried Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg), Jürgen Trittin und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der EU stärken – Mandat der
Grundrechteagentur sinnvoll ausgestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Dezember 2003 hat der Europäische Rat der Europäischen Kommission den
Auftrag erteilt, einen Vorschlag für die Einrichtung einer Agentur der Europäi-
schen Union für Grundrechte auf dem Fundament der seit 1998 bestehenden
„Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlich-
keit“ (Beobachtungsstelle) in Wien zu unterbreiten. Ein entsprechender Auftrag
ist auch in dem von den Staats- und Regierungschefs im November 2004 verab-
schiedeten „Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht
in der Europäischen Union“ enthalten. Der Europäische Rat bekräftigte im Juni
2006, dass die Agentur ihre Arbeit im Januar 2007 aufnehmen soll.

Die Agentur soll sich bei der Ausführung ihrer Aufgaben auf die Grundrechte
beziehen, wie sie in Artikel 6 Abs. 2 des Vertrags über die Europäische Union
definiert und insbesondere in der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten
Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind. Gemäß dem
Vorschlag der Europäischen Kommission soll die Agentur nicht in Konkurrenz
zu bestehenden Institutionen der Europäischen Union, der Mitgliedstaaten oder
des Europarates treten. Sie wird keine Beschwerdeinstanz sein, sondern auf
Anfrage der EU-Organe grundrechtsrelevante Informationen zu den EU-Poli-
tiken und deren Umsetzung in den Mitgliedstaaten sammeln, auswerten und
diese in einer Expertise bereitstellen. Zudem soll sie die Öffentlichkeit für
Grundrechtsfragen sensibilisieren. Gerade im Bereich der Innen- und Justiz-
politik der dritten Säule, in dem besonders grundrechtssensible Beschlüsse
fallen, ist eine zusätzliche Expertise häufig wünschenswert, um eine bessere
Folgenabschätzung der Politik zu unterstützen.

Beim kommenden Rat für Justiz und Inneres scheint eine Einigung über das
Mandat der Agentur möglich zu sein, so dass die Agentur ihre Arbeit plan-

mäßig zum 1. Januar 2007 aufnehmen könnte.

Drucksache 16/3617 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, bei den Verhand-
lungen über das Mandat der Agentur folgende Punkte zu berücksichtigen:

1. Das Mandat der Agentur und insbesondere die mit dem Europarat zu ver-
handelnde Vereinbarung müssen eine Doppelung von Mandaten und Kom-
petenzen absolut ausschließen.

2. Es muss sichergestellt werden, dass die Agentur die gesammelten und analy-
sierten Informationen und Daten dem Europäischen Gerichtshof und dem
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Verfügung stellt.

3. Das Mandat der Agentur muss eine umfangreiche Zusammenarbeit mit
Institutionen der Zivilgesellschaft sowie Nichtregierungsorganisationen er-
möglichen.

4. Im Mandat der Grundrechteagentur muss die Stellungnahme des Europäi-
schen Parlaments im Rahmen des Trilogs angemessen berücksichtigt wer-
den; mögliche spätere Anpassungen müssen im Mitentscheidungsverfahren
und unter enger Beteiligung der nationalen Parlamente erfolgen.

5. Es müssen die notwendigen rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, um
das Mandat der Grundrechteagentur uneingeschränkt auch auf die Politiken
der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit ausweiten zu können.

6. Der geographische Zuständigkeitsbereich der Agentur soll neben den Mit-
gliedstaaten die Beitrittsländer, die Kandidatenstaaten und alle Staaten des
westlichen Balkans, die seit dem Gipfel von Thessaloniki über eine prinzi-
pielle EU-Beitrittsperspektive verfügen, umfassen.

7. Mit einer Rendezvous-Klausel ist die Prüfung der Arbeit der Agentur nach
der Hälfte der ersten Haushaltsperiode (2010) vorzusehen, um Verbesserun-
gen und Anpassungen zu ermöglichen.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung des Weiteren auf,

1. ihre Position bei den Verhandlungen im Rat über das 5-Jahres-Arbeitspro-
gramm für die Grundrechteagentur im Sinne der Vereinbarung zwischen
Bundesregierung und Bundestag über die Zusammenarbeit in Angelegenhei-
ten der Europäischen Union rechtzeitig mit dem Deutschen Bundestag abzu-
stimmen;

2. den Deutschen Bundestag auf derselben Grundlage anlässlich der jährlichen
Berichte über die Lage der Grundrechte sowie über die Tätigkeiten der
Agentur zeitnah und direkt zu unterrichten.

Berlin, den 29. November 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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