BT-Drucksache 16/3557

Stärkung der sozialen und ökologischen Verantwortung von Unternehmen

Vom 21. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3557
16. Wahlperiode 21. 11. 2006

Große Anfrage
der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dr. Barbara Höll, Sabine Zimmermann, Dr. Axel
Troost, Kornelia Möller, Lutz Heilmann, Eva Bulling-Schröter, Hüseyin-Kenan
Aydin, Alexander Ulrich, Inge Höger-Neuling, Paul Schäfer (Köln) und der
Fraktion DIE LINKE.

Stärkung der sozialen und ökologischen Verantwortung von Unternehmen

Mit der Liberalisierung von Finanzmärkten und Welthandel haben große trans-
nationale Konzerne (TNK) einen wachsenden Einfluss auf die Weltwirtschaft
und die gesellschaftlichen Entwicklungen weltweit bekommen. Die Umsätze
der 10 größten Konzerne der Welt beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund
2,3 Bio. US-Dollar, das ist mehr als das Bruttoinlandsprodukt von Frankreich.
Fusionen und Übernahmen forcieren diesen Prozess.

Im Zuge dieser Entwicklung hat sich eine Orientierung der Unternehmenspolitik
am Shareholder Value und damit an dem Ziel, eine extrem hohe Rendite zu
erwirtschaften durchgesetzt. Andere Ziele, etwa der Respekt vor den Menschen-
rechten und vor sozialen oder ökologischen Rechten und den Interessen der
Beschäftigten, der Verbraucherinnen und Verbraucher oder anderer von der Un-
ternehmenspolitik betroffenen geraten dabei in den Hintergrund.

In Deutschland ist die Sozialbindung des Eigentums explizit im Grundgesetz
(GG) verankert. Die Bundesregierung begreift den Inhalt des entsprechenden
Artikels 14 Abs. 2 GG in erster Linie als „eine Richtschnur für den Gesetzgeber
bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums“ (Bundestags-
drucksache 16/2058). Der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ spielt dabei in
verschiedenen Konflikten eine Rolle, in letzter Zeit vor allem dann, wenn
Unternehmen trotz hoher Gewinne Beschäftigte entlassen, wie aktuell bei der
Allianz. Als die Deutsche Bank Anfang 2005 erklärte, nach einem Gewinn von
2,5 Mrd. Euro 6 400 Arbeitsplätze abbauen zu wollen, erinnerte auch Bundes-
kanzler Gerhard Schröder die Bank an ihre „soziale Verantwortung“ (FAZ,
14. Februar 2005).

Mit der Androhung von Produktionsverlagerungen und in der Konkurrenz um
Investitionen erzwingen transnationale Konzerne zudem einen Unterbietungs-
wettlauf bezüglich sozialer und ökologischer Standards. Auch auf europäischer
Ebene führt dieser zu permanenten Konflikten.

Weltweit werden v. a. von Europa und den USA ein verbindlicher Investitions-

schutz, sowie ein umfassender Schutz geistiger Eigentumsrechte vorangetrieben
– die Investorenrechte werden also gestärkt. Eine globale Verankerung von ver-
bindlichen sozialen und ökologischen Mindeststandards für Unternehmen und
damit ein Regelwerk für Investorenpflichten existiert jedoch nicht. Im Gegenteil
beinhalten bilaterale Investitionsschutzabkommen und geplante multilaterale
Investitionsschutzabkommen eine Einschränkung der nationalen Regelungs-
befugnisse.

Drucksache 16/3557 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zur praktischen Umsetzung von sozialer und ökologischer Verantwortung auf
internationaler Ebene gibt es eine Vielzahl von Initiativen, von internationalen
Zusammenschlüssen, Vereinbarungen und freiwilligen Verhaltenskodizes, die
meist unter der Überschrift „Corporate Social Responsibility“ (CSR) zusam-
mengefasst werden. Oft bauen sie auf bestehenden Normen auf, etwa auf der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte oder auf den Kernarbeitsnormen
der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Zu diesen Initiativen gehören
beispielsweise die „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“, der
„Global Compact“ der Vereinten Nationen (UN), die „UN Normen für die Ver-
antwortlichkeiten transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunter-
nehmen im Hinblick auf die Menschenrechte“ oder auch der „Runde Tisch Ver-
haltenskodizes“ in Deutschland. Daneben gibt es Gütesiegel und Zertifikate, die
Unternehmen die Einhaltung von bestimmten Verhaltensstandards bescheini-
gen. Allerdings sehen nur die wenigsten dieser Kodizes eine unabhängige,
externe Überprüfung vor, ihre Einhaltung wird vielmehr von den Unternehmen
selbst „überwacht“.

Während Bundesregierung und Unternehmen stets betonen, das Engagement für
Unternehmensverantwortung müsse auf freiwilliger Basis erfolgen, fordern Ge-
werkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NGO) mehr Verbindlichkeit.
Sie wollen „Corporate Accountability“, also Rechenschaftspflichten der Unter-
nehmen, Information und Zustimmung der betroffenen Bevölkerung und klare
Haftungsregeln für soziale und ökologische Schäden. Corporate Accoutability
soll freiwillige Maßnahmen der Unternehmen ergänzen und teilweise ersetzen.
Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, haben mehr als 30 deutsche NGO
und Gewerkschaften im September 2006 das Netzwerk für Unternehmens-
verantwortung (CorA) gegründet. In der Gründungserklärung heißt es: „Die
Unternehmensphilosophie von freiwilligen und privaten Initiativen der […]
CSR kann die Kluft zwischen menschenrechtlichen, sozialen, sowie ökolo-
gischen Problemen einerseits und den normativen Werten unserer Zivilisation
nicht allein überwinden […] CSR-Initiativen sind keine Alternative zu not-
wendigen Regulierungen.“

Vorschläge, verbindliche Standards innerhalb des Rechtsrahmens der Welt-
handelsorganisation zu verankern sind zuletzt in der Doha-Welthandelsrunde
gescheitert. Nach wie vor haben ILO und andere UN-Organisationen (UNEP,
UN Ausschuss zur Überwachung des Paktes für wirtschaftliche, soziale und kul-
turelle Rechte) bei der Überwachung der Einhaltung von Menschenrechten und
Standards im Gegensatz zur WTO keine effektiven Durchsetzungsmecha-
nismen.

Anlässlich des europäisch-asiatischen Dialogs über die soziale Dimension der
Globalisierung forderte der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz
Müntefering, die Repräsentanten von drei Dutzend Staaten und die Europäische
Kommission auf, jenen Unternehmen Einhalt zu gebieten, die Standorte gegen-
einander ausspielen, um kurzfristig ihren Profit zu erhöhen. Die Politik müsse
die zerstörerischen Kräfte des globalen Kapitalismus zähmen. Gleichzeitig kün-
digte er an, dass es ein Kernanliegen der deutschen Ratspräsidentschaft sein
werde, die soziale Dimension des europäischen Einigungsprozesses zu stärken.

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Grundsätzliche Bedeutung des Themas

1. Mit welchen Schwerpunkten will die Bundesregierung die Ankündigung des
Bundesministers für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering, die soziale
Dimension des europäischen Einigungsprozesses zu stärken, in der Ratsprä-

sidentschaft 2007 umsetzen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3557

2. Die Bundesregierung hat sich 2002 beim Weltgipfel für nachhaltige Ent-
wicklung in Johannesburg dazu verpflichtet, „corporate accountability“
aktiv voranzutreiben und weiterzuentwickeln (§ 49 des Johannesburg Plan
of Implementation).

Welche konkreten Maßnahmen hat Deutschland innerhalb der EU und der
UN bisher ergriffen um dieser Verpflichtung nachzukommen und welche
weiteren Schritte sind diesbezüglich geplant (bitte einzeln benennen)?

3. Was ist das Ziel des in einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales vom 15. Juni 2006 angekündigten Multistakeholder-
forums zu CSR?

Erwartet die Bundesregierung dadurch Fortschritte gegenüber früheren ähn-
lichen Foren und wie will sie sicherstellen, dass dieses neue Forum erfolg-
reicher wird als vorherige?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der gesellschaftliche Ein-
fluss von großen Konzernen in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen
hat?

Wenn ja, welche Folgen sind damit insbesondere hinsichtlich der demokra-
tischen Regelungsfähigkeit von Regierungen verbunden, und wie bewertet
sie dies?

Wenn nein, wie begründet sie ihre Position?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des UN-Sonderbeauftragten für
Menschenrechte und transnationale Unternehmen, John Ruggie, dass die
Rechte Transnationaler Konzerne im Zuge von Marktliberalisierung, Inves-
titions- und Handelsabkommen oder auch durch die Ausweitung und Ver-
festigung geistiger Eigentumsrechte in der jüngeren Vergangenheit massiv
gestärkt wurden und dass solche Unternehmen anstelle der Staaten mittler-
weile zum Teil selbst internationale Regelungen bestimmen („… corporate
law firms and accounting firms add yet additional layers to routine transna-
tional rule-making.“, UN-Dok., E/CN. 4/2006/97, Nr. 12)?

Wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung und wie beurteilt sie diese
Punkte?

6. Hält es die Bundesregierung für nötig, den in der BMU-Broschüre „Corpo-
rate Social Responsibility“ erwähnten wachsenden Einfluss von Unterneh-
men wieder einzuschränken?

a) Wenn ja, wie will sie dieses Ziel erreichen?

b) Wenn nein, wie begründet sie ihre Position?

7. Sieht die Bundesregierung die wachsende Ausrichtung von Unternehmens-
politiken an der Steigerung des Marktwerts des Eigenkapitals (Shareholder
Value) als Problem an, und wie begründet sie ihre Meinung?

8. Mit welchen Maßnahmen will die Bundesregierung sozialen und ökologi-
schen Interessen gegenüber dem Shareholder Value mehr Geltung verschaf-
fen, und wie begründet sie ihre Haltung?

9. Welche konkreten Schritte schlägt die Bundesregierung vor, um – wie der
Bundesminister für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering, es gefordert
hat – Unternehmen Einhalt zu gebieten, die Standorte gegeneinander aus-
spielen, um kurzfristig ihren Profit zu erhöhen?

10. Wenn die Bundesregierung, wie sie in Bundestagsdrucksache 16/2058 be-
tont, den Inhalt des Artikels 14 Abs. 2 GG in erster Linie als „eine Richt-
schnur für den Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken
des Eigentums“ begreift, wie wird sie dann dem Anspruch gerecht, durch

verbindliche Regelungen für Unternehmen und entsprechende Gesetzent-

Drucksache 16/3557 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

würfe, der Sozialbindung des Eigentums Bedeutungskraft zu verleihen, und
wie begründet sie ihre Antwort?

II. Einzelne Gesichtspunkte auf nationaler Ebene

11. Wie verhält sich die Bundesregierung zu den im Vorspann geschilderten
Fakt, dass viele Unternehmen trotz hoher Gewinne Massenentlassungen
von Mitarbeitern durchführen, zählt es für die Bundesregierung zur sozialen
Verantwortung von Unternehmen, solches nicht zu tun, und wie begründet
die Bundesregierung ihre Position?

12. Wird die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um Massenentlassungen
bei gleichzeitig hohen Gewinnen zu verhindern, wenn ja, welche, und wie
begründet sie ihre Antwort?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirkung der verschiedenen Tarif-
treuegesetze auf Länderebene (bitte für jedes Bundesland getrennt beant-
worten)?

14. Wird sich die Bundesregierung für eine Neuauflage des in der 14. Wahl-
periode vom Deutschen Bundestag beschlossenen und vom Bundesrat
blockierten so genannten Tariftreuegesetzes auf Bundesebene einsetzen,
und wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

15. In welchem Maße werden Unternehmensverlagerungen ins Ausland nach
Ansicht der Bundesregierung aufgrund unterschiedlicher Sozial- und
Umweltstandards vorgenommen und welche anderen Gründe für Unter-
nehmensverlagerungen sieht sie?

Wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung, und mit welchen Maß-
nahmen will sie reagieren?

III. Internationale Verhaltenskodizes und Initiativen

16. Ist es nach Meinung der Bundesregierung – auch unter Gesichtspunkten der
Demokratie – sinnvoll, auf den wachsenden Einfluss von Unternehmen und
die sinkenden Gestaltungsmöglichkeiten nationaler Regierungen, die auch
das BMU erwähnt, damit zu reagieren, dass man den Unternehmen die
Gestaltung von Umwelt- und Sozialstandards auf Grundlage freiwilliger
CSR-Aktivitäten überlässt, und wie begründet die Bundesregierung ihre
Position?

17. Beinhaltet das Prinzip der Freiwilligkeit beim Konzept der sozialen und
ökologischen Unternehmensverantwortung (CSR) nach Meinung der Bun-
desregierung,

a) die Möglichkeit für Unternehmen, keine CSR-Initiativen zu unter-
nehmen,

b) die Möglichkeit für Unternehmen, Art und Umfang, sowie die konkrete
Ausgestaltung der übernommenen sozialen und ökologischen Verant-
wortung zu bestimmen,

c) die Möglichkeit für Unternehmen, sich nicht an die übernommenen,
Selbstverpflichtungen zu halten,

d) die Möglichkeit für Unternehmen, angegangene CSR-Initiativen jeder-
zeit wieder zu beenden?

18. In welchen Fällen und in welcher Weise können Eigenverantwortung von
Unternehmen, freiwillige Kodizes, CSR-Initiativen und ähnliche neuere
Governance-Ansätze nach Meinung der Bundesregierung einen Beitrag

zum anstehenden Bürokratieabbau leisten?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/3557

19. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Aussage des Europäi-
schen Rates, die EU müsse „einen günstigeren Regelungsrahmen für die
Unternehmen schaffen, die ihrerseits ihre soziale Verantwortung stärken
müssen“ (zitiert in: KOM(2006) 136), so zu interpretieren ist, dass nach
Meinung des Rates verbindliche Regelungen für Unternehmen in bestimm-
ten Bereichen gelockert oder abgeschafft werden können, wenn die Unter-
nehmen sich im Gegenzug zur Übernahme von mehr freiwilliger sozialer
Verantwortung bereit erklären?

Wenn ja, wie beurteilt die Bundesregierung diese Empfehlung, wenn nein,
wie interpretiert die Bundesregierung die Aussage des Rates andernfalls?

20. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass Arbeitnehmerinnen-/Ar-
beitnehmerrechte und Umweltschutz durch verbindliche, vom Parlament zu
verabschiedende Gesetze garantiert werden müssen, und wie begründet die
Bundesregierung ihre Haltung?

21. Wie sollen nach Meinung der Bundesregierung Sozial- und Umweltstan-
dards im Welthandel eine stärkere Rolle zugewiesen bekommen nachdem
das Thema einer entsprechenden Verankerung von Sozialklauseln auf den
vergangenen WTO-Konferenzen gescheitert ist?

22. Was wird die Bundesregierung vor diesem Hintergrund unternehmen, um
dem im Koalitionsvertrag (Abschnitt 1.9) vereinbarten Ziel, internationalen
Arbeits- und Sozialstandards bei der Weiterentwicklung der Welthandels-
regeln Berücksichtigung zu verschaffen, gerecht zu werden?

23. Sollten Deutsche Unternehmen nach Ansicht der Bundesregierung dazu
verpflichtet werden, die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards so-
wie den Respekt vor Menschenrechten bei ihren Zulieferbetrieben zu über-
wachen?

Wenn ja, in welcher Weise sollte das geschehen, wenn nein, wie begründet
die Bundesregierung ihre Antwort?

24. Wie sollen die internationalen UN-Organisationen (ILO, UNEP, UN-Aus-
schuss für Menschenrechte) reformiert werden, um ihnen bzw. ihren
Abkommen, auch gegenüber WTO, IWF und Weltbank, stärkere Durch-
setzungsmöglichkeiten zu verleihen?

25. Wird sich die Bundesregierung auf europäischer und globaler Ebene dafür
einsetzen, dass bilaterale und gegebenenfalls multilaterale Investitionsab-
kommen allenfalls so ausgestaltet werden, dass Staaten, die Direktinvesti-
tionen (ADI) empfangen, weiterhin Bedingungen an diese ADI knüpfen
können, bzw. sie aus sozialen oder ökologischen Gründen ganz ablehnen
können?

Wenn ja, wie wird sie sich dafür einsetzen?

Wenn nein, wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

26. Wie soll nach Meinung der Bundesregierung insbesondere gewährleistet
werden, dass ausländische Direktinvestitionen in Entwicklungsländern zur
dortigen sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung beitragen?

IV. Verschiedene Regelwerke und CSR-Initiativen

a) EU-Initiativen

27. Wie beurteilt die Bundesregierung die in der Einleitung angesprochene Mit-
teilung der EU-Kommission, „Umsetzung der Partnerschaft für Wachstum
und Beschäftigung: Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung

der Unternehmen führend werden“?

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28. Welche Unternehmen sind an dem in oben genannter Mitteilung erwähnten
„Europäischen Bündnis für CSR“ beteiligt, wie wird sich die Bundesregie-
rung daran beteiligen, und was erwartet sie sich von diesem Bündnis?

29. Wie beurteilt die Bundesregierung die zunehmenden Lobbyaktivitäten von
Unternehmen, Verbänden und spezialisierten Lobbyisten auf europäischer
und nationaler Ebene?

30. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des europäischen Netzwerks „Al-
liance for Lobbying Transparency and Ethics Regulation” (ALTER-EU),
dass existierende, freiwillige „Codes of Conduct“, also Verhaltensregeln,
unlautere Lobby-Aktivitäten auf EU-Ebene bislang nicht verhindert haben
und u. a. deshalb verbindlichere Regeln zur Lobbykontrolle geschaffen
werden müssen, und wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung
(http://www.alter-eu.org/system/files/ALTER-EU+submission+ETI+consul-
tation+-+chap1.pdf)?

31. Welche Maßnahmen sollten nach Meinung der Bundesregierung ergriffen
werden, um Lobbyaktivitäten einzuschränken und transparenter zu gestal-
ten und wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die
Forderungen von ALTER-EU (http://www.alter-eu.org/./statement)?

b) OECD-Leitsätze

32. Wie ist die Erfahrung mit der bisherigen Arbeit der deutschen Nationalen
Kontaktstelle für die „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“?

Wie bewertet die Bundesregierung deren Arbeit, und wie begründet sie ihre
Antwort?

33. Was unternimmt die Bundesregierung, um die OECD-Leitsätze und die
Existenz der Kontaktstelle in der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen
und die Nutzung der Beschwerdemöglichkeit anzuregen?

34. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass ein unabhängiges
Monitoringverfahren, also ein Überwachungsverfahren, für die Arbeit der
Nationalen Kontaktstelle eingeführt wird und eine zusätzliche unabhängige
Revisionsinstanz für Beschwerden geschaffen wird, bei denen zunächst
keine Einigung gefunden wurde, und wie begründet sie ihre Antwort?

35. Wie verfährt die deutsche Nationale Kontaktstelle bei der Auslegung der
Leitsätze hinsichtlich des so genannten Investment-Nexus, also der Not-
wendigkeit, bei der Beurteilung von Beschwerden einen nicht näher defi-
nierten Investitionsbezug zu berücksichtigen?

Wie wird bei den Kontaktstellen anderer Europäischer Staaten diesbezüg-
lich verfahren?

36. Ist die Bundesregierung der Empfehlung der Enquete-Kommission Globa-
lisierung der Weltwirtschaft des Deutschen Bundestages, zu überprüfen, ob
die OECD-Leitlinien Verbindlichkeit erhalten sollen, in irgend einer Weise
gefolgt?

a) Wenn ja, wie sah diese Prüfung aus und zu welchem Ergebnis kam sie?

b) Wenn nein, aus welchen Gründen hat keine Prüfung stattgefunden?

37. Wird die Bundesregierung die Gewährung von Exportkrediten an die ver-
bindliche Einhaltung der OECD-Leitsätze durch die betreffenden Unterneh-
men koppeln?

Wenn ja, wann wird sie Initiativen dazu vorlegen?
Wenn nein, wie begründet sie ihre Haltung?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/3557

c) Global Compact

38. Welche öffentlichen Mittel werden in welcher Höhe in Deutschland für die
Finanzierung des Global Compact bzw. der deutschen Global Compact –
Koordinationsstelle aufgewendet?

39. Zu welchen konkreten Fortschritten im Hinblick auf die Einhaltung von so-
zialen und ökologischen Standards auf Seiten von Unternehmen hat der
Global Compact nach Ansicht der Bundesregierung bislang geführt?

Gibt es eine offizielle Untersuchung über die Wirksamkeit des Global Com-
pact?

Wenn ja, was hat sie ergeben, wenn nein, ist eine solche geplant?

40. Wie bewertet es die Bundesregierung, dass laut einer McKinsey-Umfrage
von 2004 nur 9 Prozent der von teilnehmenden Unternehmen durchgeführ-
ten Veränderungen in der Unternehmenspolitik hinsichtlich der Global
Compact-Prinzipien durch den Einfluss des Global Compact zu Stande
kamen, und dass 890 und damit rund 30 Prozent der Global Compact-Teil-
nehmer auf der UN-Website als „Non-Communicating Participants“ gelistet
werden, weil sie ihrer Berichtspflicht nicht nachkommen?

41. Welche Initiativen plant die Bundesregierung (auch vor dem Hintergrund
der EU-Präsidentschaft und des G8-Vorsitzes) zum „Global Compact
Leader Summit“ im Sommer 2007?

d) UN-Normen

42. Wie beurteilt die Bundesregierung den von einer UN-Arbeitsgruppe
verfassten und von der UN-Unterkommission für die Förderung und den
Schutz der Menschenrechte im Jahr 2003 gebilligten Katalog mit Normen
bezüglich der Verantwortung von Unternehmen, die Menschenrechte
betreffend (Norms on the Responsibilities of Transnational Corporations
and Other Business Enterprises with Regard to Human Rights, U.N. Doc. E/
CN.4/Sub.2/2003/12/Rev.2 (2003)) und wie begründet sie ihre Haltung?

43. Hat sich die Bundesregierung auf UN-Ebene dafür eingesetzt, dass geprüft
wird, wie die UN-Normen zu innerstaatlichem oder Völkerrecht werden
können, wie es auch die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen
von der Bundesregierung gefordert hat?

Was wird die Bundesregierung diesbezüglich in Zukunft unternehmen?

44. Unterstützt die Bundesregierung die in dem in Frage 42 erwähnten Papier
zu Normen für TNK bezüglich der Menschenrechte explizit gemachte Aus-
sage, dass Unternehmen die Pflicht haben, die in nationalem, wie inter-
nationalem Recht festgeschriebenen Menschenrechte zu fördern, zu respek-
tieren, zu schützen und deren Einhaltung abzusichern?

Wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

e) Runder Tisch

45. Wie beurteilt die Bundesregierung die bisherige Arbeit des „Runden
Tisches Verhaltenskodizes“?

46. Wie hoch ist die öffentliche Förderung des Runden Tisches seit seiner Grün-
dung?

Aus welchen Haushaltstiteln kamen diese Mittel (bitte nach Jahren auf-
schlüsseln) und welcher Prozentsatz dieser Mittel wurde beim Runden

Tisch,

Drucksache 16/3557 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

a) für Öffentlichkeitsarbeit,

b) für Sekretariats- und Verwaltungsaufgaben und

c) zur Finanzierung von gemeinsamen Pilotprojekten verwendet?

47. Welche Fortschritte hat der Runde Tisch hinsichtlich seiner Aufgabe
gemacht, ein Verständnis zu entwickeln, „wie freiwillige Verhaltenskodizes
wirksam, transparent und partizipativ eingeführt und umgesetzt werden
können“ (http://www.coc-runder-tisch.de/coc%2Drunder%2Dtisch/inhalte/
texte_grundlagen/basispapier_rt_coc.pdf)?

Welche Verfahren des Monitorings und der Verifizierung wurden dabei bis-
her erarbeitet und welche gemeinsam von Gewerkschaften, Unternehmen,
NGO und staatlichen Akteuren getragenen Pilotprojekte wurden vom
Runden Tisch initiiert?

48. Wie bewertet es die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, dass sich
das Netzwerk „Kampagne für Saubere Kleidung“ (CCC) mit der Begrün-
dung, der Runde Tisch werde seinem Anspruch, Stakeholder der Zivil-
gesellschaft als gleichberechtigte Partner zu behandeln nicht gerecht, nach
langjähriger Mitgliedschaft aus der Arbeit am Runden Tisch zurückgezogen
hat?

49. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung für die Entwicklung
ihrer Politik zu Unternehmensverantwortung aus den Erkenntnissen von
Audit-Projekten des Runden Tisches, wonach über 90 Prozent von über
1 000 Bekleidungslieferanten des deutschen Einzelhandels die von den
Handelsunternehmen selbst verlangten Sozialstandards bei der Produktion
ihrer Waren nicht einhalten, und wie begründet die Bundesregierung ihre
Antwort?

V. Corporate Social Irresponsibility, Monitoring und Transparenz

50. Wie beurteilt es die Bundesregierung, dass Unternehmen freiwillig einge-
gangene Verpflichtungen nicht immer einhalten (das ARD-Magazin Moni-
tor berichtete zum Beispiel am 19. Januar 2006, dass in Indien bei einer
Tochterfirma der Bayer AG, die sowohl Teilnehmerin des Global Compact,
als auch Mitglied des CSR-Netzwerks der deutschen Wirtschaft „econ-
sense“ ist, Kinderarbeit stattfinde, die Kampagne für Saubere Kleidung
wirft der Adidas Salomon AG vor, dass Zulieferbetriebe in Lateinamerika
die Rechte der Beschäftigten missachteten, womit gegen einen von Adidas
selbst aufgestellten Verhaltenskodex verstoßen werde, die freiwillige
Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft im Rahmen des Ausbildungs-
paktes habe nicht dazu geführt, dass ausreichend Ausbildungsplätze zur
Verfügung gestellt wurden etc.), und wie bewertet sie in diesem Zusammen-
hang die Wirksamkeit von freiwilligen CSR-Maßnahmen?

51. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, mit Hilfe der Regelungen
zum unlauteren Wettbewerb zu verhindern, dass Unternehmen in der
Außendarstellung betonen, bestimmte CSR-Maßnahmen eingeleitet zu ha-
ben oder Sozial- und Umweltstandards einzuhalten, wenn dies in Wahrheit
nicht zutreffend ist, und wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

52. Wie sollte die durch Selbstverpflichtungen übernommene oder durch Güte-
siegel zertifizierte und von den betreffenden Unternehmen auch in der Öf-
fentlichkeit dargestellte Bereitschaft von Unternehmen, soziale und ökolo-
gische Verantwortung auf Grundlage bestimmter Mindeststandards (etwa
ILO-Kernarbeitsnormen etc.) zu übernehmen, nach Meinung der Bundes-
regierung auf ihre tatsächliche Einhaltung hin überprüft werden, und wie

begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/3557

53. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Veröffentlichungs-
pflichten für Unternehmen einzuführen, die vergleichbare Informationen
über deren Respekt vor Umwelt- und Sozialstandards und anderen gesell-
schaftlichen Pflichten garantieren, und wie begründet die Bundesregierung
ihre Position?

54. Inwieweit existieren im deutschen Bilanzrecht Berichtspflichten über so-
ziale und Umweltbelange für Unternehmen und für welche Unternehmen
gelten diese?

55. Welche Möglichkeiten bestehen nach Ansicht der Bundesregierung, Unter-
nehmen zu verpflichten, regelmäßig Sozial- und Umweltbilanzen zu erstel-
len, und wie begründet die Bundesregierung ihre Antwort?

56. Welche Bedeutung hat die Empfehlung der Enquete-Kommission Globa-
lisierung der Weltwirtschaft des Deutschen Bundestages, die die Bundes-
regierung auffordert, die Umsetzung und Überwachung von Verhaltens-
kodizes zu unterstützen und unter Einbeziehung von Gewerkschaften und
NGO einen jährlichen Sachstandsbericht zu erstellen für die Bundesregie-
rung?

Welche zusätzlichen Maßnahmen hat die Regierung seit der Veröffent-
lichung des Berichts 2002 unternommen um der Empfehlung zu begegnen,
und welche Schritte wird sie diesbezüglich in Zukunft noch unternehmen?

57. Hat in den vergangenen Jahren eine Evaluierung der Wirksamkeit von
Verhaltenskodizes stattgefunden, wie sie auch die Enquete-Kommission des
Deutschen Bundestages Globalisierung der Weltwirtschaft des Deutschen
Bundestages in ihrem Abschlussbericht empfiehlt?

a) Wenn ja – wie viele und welche Verhaltenskodizes wurde evaluiert und
welche Ergebnisse hatten die Evaluierungen?

b) Wenn nein – warum wurde der Empfehlung der Enquete-Kommission
nicht gefolgt und wird sich die Bundesregierung für eine umfassende
Evaluierung hinsichtlich der Wirksamkeit von Verhaltenskodizes in na-
her Zukunft einsetzen?

58. Hat sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für die Einrichtung
einer vom Europäischen Parlament in Erwägung gezogener Monitoring-
Agentur für Verhaltenskodizes europäischer transnationaler Unternehmen
eingesetzt oder wird sie sich zukünftig dafür einsetzen, und wie begründet
die Bundesregierung ihre Haltung?

VI. Von freiwilliger „Verantwortung“ zu verpflichtenden Standards

59. Welche sozialen und ökologischen Kriterien muss ein Unternehmen nach
deutschem Vergaberecht mindestens einhalten, um bei der Vergabe von
öffentlichen Aufträgen berücksichtigt zu werden und was hat sich dies-
bezüglich durch das Inkrafttreten der EU-Richtlinien 2004/18/EG und
2004/17/EG, bzw. durch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, diese Richt-
linien ab 1. Februar 2006 anzuwenden, geändert?

60. Welchen Spielraum lassen die EU-Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG
den Mitgliedstaaten, bei der Umsetzung der Richtlinien in nationales Recht,
hinsichtlich der Kopplung der öffentlichen Auftragsvergabe an die Einhal-
tung von sozialen und ökologischen Standards?

61. Inwiefern wurden die in Frage 60 abgefragten Spielräume von der Bundes-
regierung bei der Umsetzung in deutsches Recht ausgenutzt, bzw. inwiefern
werden sie bei der Umsetzung in deutsches Recht ausgenutzt werden?

Drucksache 16/3557 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

62. Inwieweit können nach deutschem Vergaberecht Unternehmen von öffent-
lichen Aufträgen ausgeschlossen werden, die selbst, oder deren Tochter-
unternehmen oder Zulieferbetriebe, im In- oder Ausland erwiesenermaßen
Menschenrechte missachten, gegen Arbeits-, Sozial- oder Umweltstandards
und -gesetze verstoßen, bzw. im Verdacht stehen, solches zu tun?

Was hat sich diesbezüglich durch das Inkrafttreten der neuen EU-Richtlini-
en geändert?

63. Wie begründet die Bundesregierung ihre in Bundestagsdrucksache 16/1503
geäußerte Ablehnung, über den bislang geltenden gesetzlichen Rahmen
hinaus zusätzliche Bedingungen in den Bereichen sozialer und umweltbe-
zogener Aspekte, Arbeitsschutz usw. bei der Vergabe öffentlicher Aufträge
einzuführen – insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass der Rat für
Nachhaltige Entwicklung fordert, bei der öffentlichen Auftragsvergabe die
OECD-Leitsätze als Kriterien zu berücksichtigen?

64. Ist die Bundesregierung der Empfehlung der Enquete-Kommission Globa-
lisierung der Weltwirtschaft des Deutschen Bundestages, zu überprüfen,
inwieweit die Überführung von Kodizes mit Mindeststandards in gesetz-
liche Regelungen sinnvoll ist in irgend einer Weise gefolgt?

a) Wenn ja, wie sah diese Prüfung aus, und zu welchem Ergebnis kam sie?

b) Wenn nein, aus welchen Gründen hat keine Prüfung stattgefunden?

65. Welche sozialen und ökologischen Kriterien muss ein Unternehmen im
In- und Ausland einhalten, um eine Garantie der Bundesregierung für einen
Ungebundenen Finanzkredit (UFK), eine Exportkreditgarantie (Hermes-
Bürgschaft) oder eine Investitionsgarantie für eine Direktinvestition im
Ausland zu erhalten, plant die Bundesregierung – auch vor dem Hinter-
grund, dass der Rat für Nachhaltige Entwicklung dies in seinen Empfeh-
lungen vom 17. September 2006 fordert – diese Kriterien auszuweiten, und
wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

66. Wie kontrolliert die Bundesregierung die Einhaltung der in den Fragen 59
und 65 abgefragten sozialen und ökologischen Kriterien vor der Vergabe
von Aufträgen bzw. Garantien?

Berlin, den 9. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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