BT-Drucksache 16/3348

Den Reichtum umverteilen - für eine sozial gerechte Reform der Erbschaftsbesteuerung

Vom 8. November 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3348
16. Wahlperiode 08. 11. 2006

Antrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Ulla Lötzer, Kornelia Möller,
Dr. Herbert Schui, Sabine Zimmermann, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der
Fraktion DIE LINKE.

Den Reichtum umverteilen – für eine sozial gerechte Reform der
Erbschaftsbesteuerung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das zu übertragende Vermögen potentieller Erblasser hat in der Bundesrepu-
blik Deutschland einen Rekordstand erreicht. Allein in den Jahren 1999 bis
2002 erbten private Haushalte jährlich 36 Mrd. Euro. Inklusive Schenkungen
wurden pro Jahr 50 Mrd. Euro zwischen den Generationen transferiert. Für die
nächsten Jahre wird von einem ansteigenden jährlichen Erbvolumen bis in
Höhe von durchschnittlich 130 Mrd. Euro ausgegangen. Erbschaften werden
zunehmend zu einem wesentlichen Faktor der Vermögensbildung.

Allerdings ist die Chance der Bürgerinnen und Bürger, durch eine Erbschaft zu
Vermögen zu gelangen oder es zu vergrößern ungleich verteilt. So erbten in
2001/2002 rund 30 Prozent aller Haushalte weniger als 13 000 Euro, rund 60
Prozent aller Haushalte erhielten ein Erbe von weniger als 51 000 Euro. Demge-
genüber erbten knapp 10 Prozent aller Haushalte mehr als 250 000 Euro. Durch
unterschiedliche Analysen in den vergangenen Jahren wurde mehrfach nach-
gewiesen, dass Angehörige höherer Einkommensschichten höhere Erbchancen
besitzen und höhere Beträge erben. Nicht zuletzt dies hat in den vergangenen
Jahren zu einer zunehmenden Vermögenskonzentration in der Bundesrepublik
Deutschland beigetragen.

Trotz des hohen Erbvolumens spielt die Erbschaft- und Schenkungsteuer gemes-
sen am Gesamtsteueraufkommen und am Bruttoinlandsprodukt nur eine unter-
geordnete Rolle: Mit 4,097 Mrd. Euro betrug ihr Anteil am Gesamtsteuerauf-
kommen in 2005 rund 0,8 Prozent, am Bruttoinlandsprodukt rund 0,18 Prozent.
Ursache dafür ist ihre aktuelle Ausgestaltung. So steht z. B. die Höhe der Steu-
erlast – neben der Begünstigung verschiedener Vermögensarten insbesondere
des Betriebs- und Grundvermögens – in unmittelbarem Zusammenhang mit dem
persönlichen Verhältnis zwischen Erblasser und Erben. Privilegiert werden da-
mit finanzielle und soziale Machtpositionen qua Geburt. Dies trägt wesentlich

zur Konservierung sozioökonomischer Verhältnisse bei.

Mit der Erbschaftsteuer steht ein geeignetes Instrument zur Auflösung der
Vermögenskonzentration in Richtung einer gleichmäßigeren Vermögensvertei-
lung sowie der Bekämpfung der Armut der öffentlichen Hand zur Verfügung.
Darüber hinaus bieten das anstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur
Bewertung unterschiedlicher Vermögensarten und die diesbezüglich notwendi-

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gen gesetzlichen Änderungen Anlass für eine umfassende Reform der Erb-
schaftsbesteuerung.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzent-
wurf vorzulegen, der eine sozial gerechte Reform der Erbschafts- und Schen-
kungsbesteuerung gewährleistet und ihr Potential zur Erschließung von steuer-
lichen Mehreinnahmen nutzt. Dazu gehören folgende Eckpunkte:

1. Notwendig für eine gerechte Erbschaftsbesteuerung ist die Gleichbehandlung
aller der Steuer zugrunde liegenden Vermögensvorteile. Dies setzt eine rea-
litätsnahe Bewertung aller Vermögensarten voraus. Vor diesem Hintergrund
ist insbesondere eine Korrektur der Wertermittlung sowohl des Grund und
Bodens als auch des Betriebsvermögens mit dem Ziel einer Bewertung zum
gemeinen Wert notwendig.

Zu diesem Zweck ist bei unbebauten Grundstücken weiterhin von den Bo-
denrichtwerten auszugehen, allerdings unter Verbesserung der Praxis ihrer
Ermittlung. Darüber hinaus soll der allgemein angewendete Abschlag für die
Besonderheiten des Grundstücks abgeschafft werden. Wahlweise steht dem
Steuerpflichtigen der Nachweis eines geringeren gemeinen Werts des Grund-
stücks frei.

Für bebaute Grundstücke, für die eine reale Miete nicht vorliegt bzw. eine
übliche Miete nicht nachgewiesen werden kann, ist das Sachwertverfahren
anzuwenden. Hier empfiehlt sich das Grundflächenverfahren auf Basis der
Normalherstellungskosten 1995 (NHK 95). Diese enthalten anerkannte und
teilweise bereits verbindliche Werte und ersparen dem Gesetzgeber umfang-
reiche eigene Ermittlungen. Für Mietwohngrundstücke (Gebäude mit mehr
als 2 Wohnungen, gewerbliche Nutzung) soll das Ertragswertverfahren nach
der Wertermittlungsverordnung (WertV) genutzt werden.

Der Wert des übertragenen Betriebsvermögens wird künftig nicht mehr nach
den Steuerbilanzwerten, sondern gesondert erfasst. Anzuwenden ist dabei ein
Verfahren, das neben dem Substanz- und Ertragswert auch Zukunftserwar-
tungen des Unternehmens einbezieht und somit weitgehend dem Verkehrs-
wert entspricht.

2. Die derzeit existierenden 3 Steuerklassen sind zu einer Steuerklasse zusam-
menzufassen.

Natürlichen Personen ist für die Summe der Erwerbe von Todes wegen,
Schenkungen und Zweckzuwendungen ein einheitlicher Freibetrag unabhän-
gig vom Verwandtschaftsgrad zum Erblasser zu gewähren. Die Höhe des
Freibetrages soll sich an der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts orien-
tieren, wonach das „durchschnittliche“ Gebrauchsvermögen erbschaftsteuer-
lich zu verschonen bzw. „kleinere Vermögen“ völlig steuerfrei zu stellen sind.
Erben, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, minderjährige Kinder, hinter-
bliebene Ehegatten bzw. eine vom Erblasser/der Erblasserin benannte Person
erhalten – über den allgemeinen Freibetrag hinaus – einen zusätzlichen Ver-
sorgungsfreibetrag.

Entsprechend der Vereinheitlichung der Steuerklassen sind die ererbten Ver-
mögen zu einem einheitlichen Tarif – zukünftig mit Teilmengenstaffelung –
zu besteuern. Durch die Teilmengenstaffelung entfällt die Notwendigkeit des
derzeitigen Härtefallausgleichs bei Tarifübergängen.

3. Die aktuellen Vorschriften zur Behandlung des Betriebsvermögens entfallen.
Statt der undifferenzierten Begünstigung von Betriebsvermögen durch
Bewertungsabschlag und zusätzlichen Freibetrag ist die Fortführung von
Unternehmen durch Regelungen zu sichern, die einerseits den konkreten

wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens sowie andererseits dem
Ziel einer umverteilenden Ausgestaltung der Erbschaftsteuer entsprechen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3348

Deshalb ermäßigt sich im Erbfall oder im Weg der vorweggenommenen Erb-
folge die Erbschaftsteuer auf die gegenständlichen Wirtschaftsgüter des
Anlagevermögens und damit auf die wesentliche Betriebsgrundlage des Un-
ternehmens. Bei Übertragung von Beteiligungen von mehr als 25 Prozent ist
die Ermäßigung im Verhältnis der Beteiligung zum gesamten Stammkapital
zu gewähren.

Die Steuerermäßigung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, sofern
innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb das Unternehmen bzw. die Anteile
am Betriebsvermögen aufgegeben bzw. veräußert werden.

4. Die derzeit existierenden sachlichen Steuerbefreiungen bleiben aus Vereinfa-
chungsgründen im Wesentlichen erhalten. Steuerbefreiungen für Hausrat
werden zukünftig allen Steuerpflichtigen in gleicher Höhe gewährt. Zuwen-
dungen zu kirchlichen, gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken sowie an
politische Parteien bleiben weiterhin steuerfrei.

Nach dem geltenden Erbschaftsteuerrecht ist die auf Betriebsvermögen oder
land- und forstwirtschaftliches Vermögen entfallende Erbschaftsteuer auf
Antrag bis zu 10 Jahre zu stunden. Diese Zahlungserleichterung ist auf einen
Zeitraum von 15 Jahren zu erweitern. Darüber hinaus wird die Übertragung
von Wohneigentum, sofern es durch den Steuerpflichtigen zu eigenen Wohn-
zwecken genutzt wird, in die Regelung zur Zahlungserleichterung aufge-
nommen.

Berlin, den 8. November 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Grundsätzlich werden der Erbschaftsteuer sowohl eine fiskalische als auch eine
umverteilende Funktion zugewiesen. Sie knüpft unmittelbar an die Bereiche-
rung von Steuerpflichtigen durch ererbtes Vermögen an. Aktuell ist die Erb-
schaftsteuer jedoch im Hinblick auf die ihr zugeschriebenen Funktionen zur Be-
deutungslosigkeit verurteilt. Daraus erwächst das Erfordernis einer grundlegen-
den Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer. So kann z. B. davon ausge-
gangen werden, dass – bei einem jährlichen Steueraufkommen in Höhe von rund
4 Mrd. Euro – nur ein Teil des anfallenden Erbvolumens in die Bemessungs-
grundlage eingeht. Entsprechend wird durch Berechnungen des Deutschen Ins-
tituts für Wirtschaftsforschung nachgewiesen, dass bei Änderung der Ermittlung
der Bemessungsgrundlage sowie der Freibeträge und Tarife durch die Erbschaft-
steuer insgesamt bis zu rund 10 Mrd. Euro Steueraufkommen zu erzielen wären.

Zu Nummer 1

Entscheidend für eine gerechte Erbschaftsbesteuerung ist die Bewertung der un-
terschiedlichen Vermögensarten nach einheitlichen Grundsätzen. Die Erbschaft-
steuer privilegiert jedoch den Grundbesitz und das Betriebsvermögen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Einheitswertbeschlüssen bereits im
Jahr 1995 das massive Missverhältnis bei der Bewertung von Grundvermögen
einerseits und Geldvermögen andererseits für die Erbschaftsbesteuerung kriti-
siert. Dieses Problem wurde bis heute nicht gelöst. Die derzeit angewendeten

Verfahren zur Bewertung von Grund und Boden haben noch immer nichts mit
einer realitätsnahen Bewertung gemein. Durch verschiedene Gutachten wurde

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regelmäßig eine große Streubreite zwischen ermittelten Grundstückswerten im
Verhältnis zu den aus Kaufpreisen abgeleiteten Werten nachgewiesen. Nicht zu-
letzt die von der damaligen Bundesregierung eingesetzte Sachverständigenkom-
mission zur Vermögensbesteuerung belegte dies in ihrem Gutachten „Bewer-
tung des Grundbesitzes zum Zwecke der Vermögensbesteuerung“ im Jahr 2000.
Die vorgeschlagenen Verfahren zur Bewertung des Grundbesitzes orientieren
sich an den durch die Sachverständigenkommission vorgeschlagenen.

Der Ansatz des Betriebsvermögens zu Steuerbilanzwerten wurde in 1992 mit dem
ausdrücklichen Willen eingeführt, eine „Entlastung des Betriebsvermögens von
ertragsunabhängigen Steuern“ herbeizuführen (Bundestagsdrucksache 12/1108).
Allerdings führt dies nach Meinung zahlreicher Experten nicht zu einer ziel-
gerichteten und gleichmäßigen Steuerentlastung bei Unternehmensübergängen.
Die Entlastung hängt hier davon ab, in welchem Umfang Unternehmen vor Ein-
tritt des Erbfalls steuerbilanzielle Gestaltungsmöglichkeiten in Anspruch genom-
men haben, was tendenziell vor allem ertragsstarken und großen Unternehmen
möglich ist. Vielmehr führt der Ansatz des Betriebsvermögens zu Steuerbilanz-
werten dazu, dass – so die Sachverständigenkommission zur Vermögensbe-
steuerung in ihrem Bericht – die bei der Erbschaftsteuer berücksichtigten Werte
weniger als 10 Prozent der realen Werte abbilden. Deshalb ist der Wert des
Unternehmens zukünftig gesondert festzustellen. Dabei bietet sich eine Modifi-
zierung des sog. Stuttgarter Verfahrens, insoweit als auch Zukunftserwartungen
berücksichtigt werden, an.

Der dringende Reformbedarf der Bewertungsvorschriften für die verschiedenen
Vermögensarten ergibt sich auch daraus, dass der Bundesfinanzhof diese Ermitt-
lung der steuerlichen Bemessungsgrundlage als Verstoß gegen den Gleichheits-
grundsatz des Grundgesetzes kritisiert und dem Verfassungsgericht zur Prüfung
vorgelegt hat.

Zu Nummer 2

Gegenwärtig werden für Erbschaften, Schenkungen und andere Erwerbe Frei-
beträge und Steuertarife in Abhängigkeit von dem persönlichen Verhältnis des
Erben zum Erblasser angewendet. Hinterbliebene Ehegatten können z. B. in-
klusive des Versorgungsfreibetrages einen Freibetrag in Höhe von insgesamt
563 000 Euro geltend machen. Demgegenüber erhält der hinterbliebene nicht
verheiratete Lebenspartner bzw. die -partnerin einen Freibetrag von gerade
5 200 Euro. Dazu kommt, dass im Falle der Zugewinngemeinschaft der Ehegat-
ten ein Teil der Erbschaft grundsätzlich nicht besteuert wird. Aus dieser steuer-
lichen Privilegierung ergeben sich erhebliche Belastungsdifferenzen. Diese
konservieren vorhandene Vermögens- und damit Machtverhältnisse, sind jedoch
angesichts der Lebenssituation zahlreicher Menschen nicht mehr zeitgemäß.
Nach einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes („Leben in Deutsch-
land – Haushalt, Familien und Gesundheit – Ergebnisse des Mikrozensus 2005“)
ist die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften seit 1996 um rund ein
Drittel auf 2,4 Millionen in 2005 gestiegen. Die Zahl der Ehepaare ohne Kinder
stieg im gleichen Zeitraum um 5 Prozent (West) bzw. 6 Prozent (Ost) an. Gleich-
zeitig stieg die Zahl alternativer Familienformen (Alleinerziehende und Lebens-
gemeinschaften mit Kindern). Damit wird deutlich, dass heute Menschen in den
unterschiedlichen Lebensformen familiäre Verantwortung füreinander überneh-
men. Dazu kommt, dass die Zahl der Erblasser ohne Kinder wächst. Im Zuge der
vorweggenommenen Erbschaft werden hier nicht selten komplizierte Gestaltun-
gen, z. B. im Falle einer Unternehmensfortführung, angewendet, die die steuer-
lichen Belastungsunterschiede minimieren sollen.

Die Vereinheitlichung der Freibeträge und Steuerklassen führt zur Gleich-

behandlung aller Erben. Damit werden die gesellschaftlichen Entwicklungen im
Erbschaftsteuerrecht nachvollzogen. Darüber hinaus rechtfertigt sich eine steu-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/3348

erliche Gleichbehandlung aller Erbinnen und Erben auch durch den Umstand,
dass es sich bei ererbten Vermögen anerkanntermaßen um leistungslosen Ver-
mögenszuwachs handelt. Gleichzeitig macht dies komplizierte und intranspa-
rente Gestaltungsmodelle bei Vermögensübertragungen unter Nichtverwandten
überflüssig.

Der zusätzliche Versorgungsfreibetrag, der auch Personen gewährt wird, die der
Erblasser/die Erblasserin vor seinem Ableben benannt hat, trägt der Tatsache
Rechnung, dass zunehmend Menschen auch außerhalb von Verehelichung in be-
sonderer Weise und dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen.

Durch die Beibehaltung der Regelungen bezüglich des nachehelichen Zuge-
winnausgleichs verbleibt ein Teil des Erbes bei den überlebenden Ehegatten
auch weiterhin steuerfrei. Allerdings ist die Bundesregierung aufgefordert, zu
prüfen, inwieweit auch nichteheliche Partnerschaften per Vertrag Zugewinn-
gemeinschaften begründen können.

Zu Nummer 3

Die Erbschaftsbesteuerung des Betriebsvermögens wird aktuell durch seinen
Ansatz zu Steuerbilanzwerten, den Bewertungsabschlag und gesonderte Freibe-
träge massiv begünstigt. Entsprechend gering ist der Anteil der auf das Betriebs-
vermögen entfallenden Erbschaftsteuer am Gesamtaufkommen dieser Steuerart:
Mit rund 300 Mio. Euro jährlich beträgt er nicht einmal 10 Prozent.

Die Sonderbehandlung des Betriebsvermögens wird mit der Argumentation des
Bundesverfassungsgerichts begründet. Dieses stellte 1995 fest, dass insbe-
sondere mittelständische Unternehmen durch die finanzielle Belastung der
Erbschaftsteuer in ihrer Existenz gefährdet werden können. Das Gericht ver-
wies weiterhin auf eine besondere Gemeinwohlbindung und Gemeinwohlver-
pflichtung von Unternehmen als Garant von Produktivität und Arbeitsplätzen.
Soziale Verpflichtungen gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern so-
wie rechtliche Bindungen im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes hätten
eine Wertminderung des vererbten Unternehmens zur Folge. Diesem Ansatz ist
nicht zu folgen. Primäres Ziel von Unternehmen ist die Gewinnmaximierung
und die schnellstmögliche Verwertung des eingesetzten Kapitals. Einrichtun-
gen der Mitbestimmung sind wichtiger Faktor bei der Erreichung dieses Unter-
nehmensziels. Indem Vertretungen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
deren Interessen durchsetzen, tragen sie wesentlich zur Wahrung des Betriebs-
friedens und zur Motivation der Angestellten bei. Sie sind damit Instrument
des wirtschaftlichen Einsatzes von Arbeitskräften. Insoweit mindert die recht-
liche Bindung an Betriebverfassungs- und Wirtschaftsrecht nicht wirtschaft-
liche Leistungsfähigkeit von Unternehmen, sondern stärkt sie vielmehr. Dazu
kommt, dass es sich – wie bei der Übertragung anderer Vermögensarten – bei
der Übertragung von Betriebsvermögen um eine Bereicherung handelt, der
seitens der Erwerberin/des Erwerbers keine eigene Leistung gegenübersteht.

Weiterhin lässt sich eine Existenzgefährdung von Unternehmen durch die Erb-
schaftsteuer nicht nachweisen. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf
eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 16/1350)
ausgeführt, dass keine Daten bzw. Erkenntnisse darüber existieren, dass Unter-
nehmen aufgrund der Androhung bzw. Erhebung von Erbschaftsteuer aufgege-
ben, veräußert oder zahlungsunfähig wurden. Insoweit greift ein Argument für
die massive Begünstigung des Betriebsvermögens ins Leere.

Dazu kommt, dass – auch bei Anerkennung einer besonderen Gemeinwohl-
verpflichtung von Unternehmen – die kumulative Gewährung von steuerlichen
Entlastungen als Verstoß gegen den Gleichheitssatz in Artikel 3 des Grund-

gesetzes betrachtet wird. Der Bundesfinanzhof hat die Regelungen folgerichtig
dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt.

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Vor diesem Hintergrund ist eine Reform der Behandlung des Betriebsvermögens
geboten. Die avisierten Vorschläge beinhalten eine zielgerichtete Begünstigung
der Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen. Damit wird dem vertei-
lungspolitischen Ansatz der Erbschaftsteuer einerseits sowie dem Gleichheits-
gebot andererseits, bei Berücksichtigung der besonderen Situation insbesondere
von kleinen und mittleren Unternehmen, entsprochen.

Zu Nummer 4

Gemäß der angestrebten Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen können diese
die aktuell gewährten Freibeträge für Hausrat einheitlich in Anspruch nehmen.

Die Erweiterung der Stundungsregelung soll der geringen Fungibilität von
gegenständlichem Vermögen Rechnung tragen. Durch die Einbeziehung selbst
genutzter Wohnimmobilien wird abgesichert, dass betroffene Erben durch die
anfallende Erbschaftsteuer nicht in Zahlungsschwierigkeiten gelangen.

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