BT-Drucksache 16/3154

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/2452- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Überstellungsausführungsgesetzes und des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen

Vom 25. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3154
16. Wahlperiode 25. 10. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksache 16/2452 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Überstellungsausführungsgesetzes
und des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen

A. Problem

Nach dem Gesetz zur Ausführung des Übereinkommens vom 21. März 1983
über die Überstellung verurteilter Personen vom 26. September 1991 (Über-
stellungsausführungsgesetz – ÜAG, BGBl. I S. 1954) erfolgt keine gerichtliche
Prüfung der Zulässigkeit einer weiteren Vollstreckung im Ausland, während
nach § 71 Abs. 4 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Straf-
sachen (IRG) eine gerichtliche Prüfung zwingend vorgeschrieben ist. Grund für
den Verzicht auf eine gerichtliche Prüfung im Überstellungsausführungsgesetz
war, dass nach dem Übereinkommen von 1983 eine Überstellung nur mit aus-
drücklicher Zustimmung der verurteilten Person erfolgen kann. Artikel 3 des
Zusatzprotokolls zum Übereinkommen vom 18. Dezember 1997 sieht jedoch in
bestimmten Fällen – unter anderem im Falle einer bestandskräftigen Aus-
weisungsverfügung – eine Überstellung auch gegen den Willen der verurteilten
Person vor.

B. Lösung

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung, mit dem durch Änderung
des Überstellungsausführungsgesetzes geregelt wird, dass die gerichtliche
Zulässigkeitsprüfung auch in den Fällen nach Artikel 3 des Zusatzprotokolls zu
erfolgen hat. Durch eine Änderung des § 71 Abs. 4 IRG wird die sachliche
Zuständigkeit den Oberlandesgerichten zugewiesen.

Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktio-
nen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 16/3154 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/2452 mit folgenden Maßgaben, im Übri-
gen unverändert anzunehmen:

1. In Artikel 1 Nr. 2 wird in § 1 die Angabe „(BGBl. 2002 II S. 2886)“ durch
die Angabe „(BGBl. 2002 II S. 2866)“ ersetzt.

2. Nach Artikel 2 wird folgender Artikel 3 eingefügt:

„Artikel 3
Einschränkung von Grundrechten

Das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des
Grundgesetzes) wird nach Maßgabe dieses Gesetzes eingeschränkt.“

3. Der bisherige Artikel 3 wird Artikel 4.

Berlin, den 25. Oktober 2006

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Dr. Peter Danckert
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Sevim Dag˘delen
Berichterstatterin

Jerzy Montag
Berichterstatter

hat oder zes entsprochen.

c) mit einem der vorgenannten Ausländer in familiärer

oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft lebt,

2. Unionsbürger ist oder

3. mit einem deutschen Staatsangehörigen oder einem

Die Fraktion der FDP befürwortete den Gesetzentwurf.
Sie stellte fest, dass nach dem Zusatzprotokoll zum Über-
einkommen eine rechtskräftige Ausweisungsverfügung Vor-
aussetzung dafür sei, dass die weitere Vollstreckung der
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/3154

Bericht der Abgeordneten Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen), Joachim
Stünker, Dr. Peter Danckert, Jörg van Essen, Sevim Dag˘delen und Jerzy Montag

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 16/2452 in seiner 51. Sitzung am 21. September 2006
in erster Lesung beraten und dem Rechtsausschuss zur
federführenden Beratung überwiesen.

II. Beratung im Rechtsausschuss
Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 31. Sitzung
am 25. Oktober 2006 abschließend beraten. Der Ausschuss
hat mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen zu empfeh-
len, den Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussemp-
fehlung anzunehmen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wies darauf
hin, dass das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen vom
18. Dezember 1997 grundsätzlich zwei Möglichkeiten ein-
räume, von der Zustimmung des Betroffenen zur weiteren
Vollstreckung seiner Haftstrafe im Ausland abzusehen. Dies
sei zum einen der Fall, wenn der Täter in sein Heimatland
geflüchtet sei, zum anderen aber auch dann, wenn eine Per-
son, die nicht Staatsangehöriger des Staates sei, in dem das
Strafurteil ergangen sei, seine Strafhaft in diesem Staat ver-
büße. Für den letztgenannten Fall werde durch das Zusatz-
protokoll eine Rückausnahme ermöglicht. Eine solche
Rückausnahme sei sinnvoll für Menschen, die in Deutsch-
land geboren und aufgewachsen seien und hier ihre Fami-
lien hätten, jedoch nicht die deutsche Staatsangehörigkeit
besäßen. Für diese Menschen diene eine Strafvollstreckung
in einem anderen Staat, zu dem sie keine sozialen Bindun-
gen hätten und dessen Sprache sie nicht beherrschten, nicht
der Resozialisierung. Für eine Überstellung dieses Perso-
nenkreises an einen anderen Staat könnten vor diesem Hin-
tergrund allenfalls pekuniäre Erwägungen sprechen. Die
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellte daher folgen-
den Änderungsantrag:

Der Bundestag wolle beschließen:
Artikel 1 Nr. 2 § 1 wird um folgenden § 1a) ergänzt:
„Art. 3 Abs. 1 des in Art. 1 Nr. 2 § 1 genannten Zusatzproto-
kolls findet keine Anwendung, wenn die verurteilte Person
Ausländer ist, der im Inland seinen gewöhnlichen Aufent-
halt hat und
1. sich mindestens fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet

aufgehalten hat und

a) im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger
eingereist ist,

b) eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder besessen

Begründung:
Die Vollstreckungshilfe soll der bestmöglichen Resozialisie-
rung des Verurteilten dienen. Diesem Ziel wird der Gesetz-
entwurf nicht gerecht. Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN schlägt deshalb vor, Ausländer mit besonders
engen Bindungen an Deutschland aus dem Anwendungs-
bereich des Zusatzprotokolls herauszunehmen.
Zwar erfasst das Zusatzprotokoll in Artikel 3 Abs. 1 nach
seinem Wortlaut uneingeschränkt diejenigen Personen, ge-
gen die wegen der der Verurteilung zugrunde liegenden
Straftat eine rechtskräftige Ausweisungsverfügung vorliegt.
Es steht den potentiellen Vertragsstaaten jedoch frei, inner-
staatlich bestimmte Personengruppen aus dem Anwen-
dungsbereich des Protokolls auszuschließen. Diese Be-
schränkung bezieht sich auf diejenigen Fälle, in denen
Deutschland Urteilsstaat ist. Sie beruht auf der Erwägung,
dass es bei den bezeichneten Personen zu erheblichen, vom
Strafzweck nicht gedeckten Unzuträglichkeiten käme, würde
ihre „Wiedereingliederung“ in der ihnen fremden Heimat
im dortigen Strafvollzug beginnen. Sprache und Lebensver-
hältnisse des Herkunftsstaates sind oft unbekannt, und der
Kontakt während der Haft mit hier lebenden Angehörigen
kann nicht gewährleistet werden. Dass die bezeichneten
Personen nach Abschluss der Vollstreckung der Strafe in
Deutschland gleichwohl ausreisepflichtig sind und gegebe-
nenfalls abgeschoben werden, steht dem nicht entgegen. In
diesem Fall erfolgt die Eingliederung in die ausländische
Gesellschaft in Freiheit.
Der Änderungsantrag wurde mit den Stimmen der Fraktio-
nen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
abgelehnt.

Die Fraktion der CDU/CSU begrüßte den Gesetzentwurf
und wies darauf hin, dass eine Überstellung nach Artikel 3
des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen nur möglich sei,
wenn der Betreffende nach der Verbüßung der Haft ohnehin
aufgrund eines ausländerrechtlichen Ausweisungstitels aus-
reisen müsste. Überschneidungen mit dem Europäischen
Haftbefehlsgesetz seien denkbar, da dieses nicht nur Vor-
schriften zum strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ent-
halte, sondern auch zur Verbüßung von Strafen. Die Frak-
tion der CDU/CSU hob hervor, dass der Gesetzentwurf eine
Prüfung durch die Oberlandesgerichte in denjenigen Fällen
zwingend vorsehe, in denen eine weitere Vollstreckung der
Strafhaft im Ausland erfolgen solle. Durch die vorgesehene
geänderte Fassung des Gesetzentwurfs werde im Hinblick
auf die Einschränkung des Grundrechts der Freiheit der Per-
son dem Zitiergebot des Artikels 19 Abs. 1 des Grundgeset-
Unionsbürger in familiärer oder lebenspartnerschaftli-
cher Gemeinschaft lebt.“

Strafhaft im Ausland angeordnet werde. Sie wies allerdings
darauf hin, dass es gewisse Überschneidungen zwischen

Drucksache 16/3154 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dem Europäischen Haftbefehlsgesetz und dem Übereinkom-
men vom 18. Dezember 1997 gebe und dass sich die inhalt-
lichen Regelungen teilweise voneinander unterschieden.

III. Zur Begründung der Beschlussempfehlung

Im Folgenden werden lediglich die vom Rechtsausschuss
beschlossenen Änderungen gegenüber der ursprünglichen
Fassung des Gesetzentwurfs erläutert. Soweit der Aus-
schuss den Gesetzentwurf unverändert angenommen hat,
wird auf die jeweilige Begründung auf Drucksache 16/2452
(S. 6 f.) verwiesen.

Zu Nummer 1

Es handelt sich um die Berichtigung eines redaktionellen
Versehens.

Zu Nummer 2

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfGE 113, 348 [366 f.]) ist das betroffene Grundrecht
im Änderungsgesetz auch dann zu benennen, wenn das ge-
änderte Gesetz bereits eine Zitiervorschrift enthält. Der Ge-
setzentwurf erweitert die Eingriffsbefugnisse auf Personen,
die nach dem Zusatzprotokoll und nach dem Schengener
Durchführungsübereinkommen überstellt werden sollen.

Berlin, den 25. Oktober 2006

Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Dr. Peter Danckert
Berichterstatter

Jörg van Essen
Berichterstatter

Sevim Dagd˘elen
Berichterstatterin

Jerzy Montag
Berichterstatter

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