BT-Drucksache 16/3070

Verweigerte Anpassung der Betriebsrente sowie Ausdehnung der Ein-Prozent-Anpassung auf Altfälle

Vom 20. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3070
16. Wahlperiode 20. 10. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Klaus Ernst, Karin Binder,
Inge Höger-Neuling, Barbara Höll, Katja Kipping, Ulla Lötzer, Elke Reinke,
Frank Spieth, Jörn Wunderlich, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine
und der Fraktion DIE LINKE.

Verweigerte Anpassung der Betriebsrente sowie Ausdehnung
der Ein-Prozent-Anpassung auf Altfälle

Die Betriebsrentenanpassung unterliegt gemäß § 16 des Gesetzes zur Verbes-
serung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) alle drei Jahre einer Prü-
fungspflicht durch den Arbeitgeber. Die Anpassungen müssen demnach ent-
weder entsprechend der Steigerung des Verbraucherpreisindexes (VPI) oder
entsprechend der Nettolohnentwicklung der aktiv Beschäftigten im Betrieb
erfolgen werden. Ziel ist der Werterhalt der Betriebsrente. Demnach soll sie für
die Rentner stets so viel wert sein wie zu Beginn der Rente. Auf eine Erhöhung
der Renten können Arbeitgeber nur dann verzichten, wenn nachweislich die wirt-
schaftliche Lage des Unternehmens dies nicht zulässt. Nach Angaben des Bun-
desverbandes der Betriebsrentner e. V. (BVB) kommen aber viele Unternehmen,
darunter auch viele Großkonzerne, ihrer Verpflichtung zur Rentenanpassung
nicht oder nicht mehr nach.

Aufgrund der Rentenkürzungen der letzten Jahre wird die Anpassung der Be-
triebsrenten für Millionen von Rentnerinnen und Rentnern ein immer wichtige-
rer Bestanteil des Alterseinkommens. Zudem nutzen Arbeitgeber oftmals die
Unkenntnis oder die falsch verstandene Solidarität der Betriebsrentnerinnen und
-rentner zum ehemaligen Unternehmen aus, ihrer gesetzlichen Anpassungs-
pflicht nicht nachzukommen. Viele Betriebsrentnerinnen und -rentner akzeptie-
ren somit stillschweigend die zur Entwertung ihrer Renten führenden Anpas-
sungsstrategien der Arbeitgeber. Grundsatzurteile des Bundesarbeitsgerichts
werden durch Arbeitgeber ignoriert, weil sie wissen, dass die ehemaligen Be-
triebsangehörigen den Anpassungsbedarf schlicht nicht kennen. Hinzu kommt,
dass sich Betriebsrentnerinnen und -rentner, die sich wehren, oftmals einver-
nehmliche Einzelfalllösungen angeboten bekommen, die mit einer Schweige-
pflicht verbunden sind, damit eine sog. Anpassungslawine verhindert werden
kann. Dass es sich hierbei keineswegs um Einzelfälle handelt, belegen auch die
Beiträge des ARD-Magazins „Ratgeber Recht“ vom 19. August 2006 sowie des
ZDF-Magazins „Frontal 21“ vom 29. August 2006, die beide über unterlassene

Betriebsrentenanpassungen berichteten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist der Bundesregierung die oben geschilderte Problematik der verweigerten
Anpassung von Betriebsrenten durch Arbeitgeber bekannt?

Drucksache 16/3070 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Liegen der Bundesregierung Daten vor, aus denen hervorgeht, wie viele
Unternehmen die Betriebsrenten nicht oder nur unzureichend erhöhen (wenn
ja, bitte ab 1999 aufschlüsseln nach Jahr und Zahl der Unternehmen, die nicht
oder nur teilweise die Betriebsrenten erhöht haben)?

Wenn nein, wie bewertet die Bundesregierung die repräsentative Erhebung
des Bundesverbandes der Betriebsrentner e. V., nach der zwei Drittel der
Arbeitgeber die Betriebsrenten nicht (54 Prozent) oder nur unzureichend
(12 Prozent) erhöhen?

3. Kann die Bundesregierung die Zahlen des BVB bestätigen, nach denen die
Unternehmen jährliche Rentennachzahlungen von 300 bis 1 500 Euro zu
leisten hätten?

Wenn ja, sieht die Bundesregierung in dieser Frage Handlungsbedarf und
zwar welchen?

Wenn nein, warum nicht?

4. Falls der Bundesregierung keine statistischen Daten über die Häufigkeit
unterlassener Betriebsrentenanpassungen durch die Arbeitgeber vorliegen,
sieht sie die Notwendigkeit diese in Zukunft erheben zu lassen?

Wenn nein, warum nicht?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass trotz zweier durch den
BVB bewirkter Urteile vor dem Bundesarbeitsgericht vom 21. August 2001
– 3 AZR 589/00 und 30. August 2005 – 3 AZR 395/04, welche die rechtliche
Grundlage für eine werterhaltende Anpassung – Inflationsausgleich bzw.
Nettolohnentwicklung – zum jeweiligen Prüfungstermin ab Rentenbeginn
geschaffen haben, viele Unternehmen nach wie vor die in § 16 BetrAVG vor-
geschriebenen Anpassungsregelungen ignorieren?

6. Sieht die Bundesregierung aufgrund der offenkundigen Rechtsverstöße vieler
Unternehmen durch unterlassene Betriebsrentenanpassungen Handlungs-
bedarf, um die Ansprüche der Betriebsrentnerinnen und -rentner besser zu
schützen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung, die Betriebsrenten, wie die
Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, einer vom Gesetzgeber fest-
gelegten jährlichen Anpassungsregelung zu unterwerfen?

8. Welche Gründe führt die Bundesregierung an, warum sie, wie bei der Geset-
zesänderung des Betriebsrentengesetzes 1999 ursprünglich geplant, bisher
die Ein-Prozent-Regelung nicht auf Altfälle ausgedehnt hat?

9. Beabsichtigt die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode die Ein-Pro-
zent-Anpassung auch auf Altfälle auszudehnen?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 19. Oktober 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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