BT-Drucksache 16/3023

Steuervereinfachung - Lohnsteuerklassen III, IV und V abschaffen

Vom 18. Oktober 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/3023
16. Wahlperiode 18. 10. 2006

Antrag
der Abgeordneten Christine Scheel, Kerstin Andreae, Birgitt Bender,
Matthias Berninger, Grietje Bettin, Alexander Bonde, Ekin Deligöz,
Dr. Thea Dückert, Kai Boris Gehring, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann,
Priska Hinz (Herborn), Krista Sager, Dr. Gerhard Schick,
Margareta Wolf (Frankfurt) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Steuervereinfachung – Lohnsteuerklassen III, IV und V abschaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Lohnsteuerabzugsverfahren gründet auf einer nicht mehr zeitgemäßen Vor-
schrift und führt deshalb zu ungerechten, leistungsfeindlichen und verwaltungs-
aufwändigen Wirkungen. Es muss deshalb dringend modernisiert und verein-
facht werden.

Das Einkommensteuerrecht sieht für die abhängig Beschäftigten das Lohnsteu-
erabzugsverfahren als eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuerschuld vor.
Die sechs verschiedenen Lohnsteuerklassen bilden die unterschiedlichen Steu-
erbelastungen, die sich je nach Familienstand und Beschäftigungsverhältnis er-
geben, schon im Voraus monatlich ab. Die Lohnsteuerklassen III, IV und V die-
nen allein dazu, die steuerliche Wirkung des Ehegattensplittings vorwegzuneh-
men.

Bei Wahl der Lohnsteuerklassenkombination III/V wird das höhere Einkommen
niedrig und das geringere Einkommen hoch besteuert. Im Jahr 2001 waren von
den in die Lohnsteuerklasse III (mit niedrigem Lohnsteuerabzug) eingestuften
Personen 83,1 Prozent Männer und 16,9 Prozent Frauen. Gleichzeitig waren
von den in Lohnsteuerklasse V (mit höherem Lohnsteuerabzug) eingestuften
Personen 10,4 Prozent Männer und 89,6 Prozent Frauen. Diese Zahlen belegen
die ungerechte Lohnbesteuerung vor allem erwerbstätiger Ehefrauen, die sich
aus der Lohnsteuerklassenkombination III/V ergibt. Erst später bei der Einkom-
mensteuerveranlagung kommt es zu einer Gesamtberechnung der gemeinsamen
Einkommensteuerlast. Auch wegen der hohen Lohnsteuerabzüge geht vielen
Frauen ihre positive Motivation zur Erwerbsarbeit verloren. Hinzu kommt noch
der negative Effekt, dass bei Arbeitslosigkeit und künftig auch bei der Berech-
nung des Elterngeldes das niedrigere Nettoeinkommen als Berechnungsgrund-
lage für das Arbeitslosengeld I herangezogen wird.
CDU, CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, statt der bisherigen
Steuerklassen ein Anteilssystem einzuführen, mit dem jeder Ehegatte künftig
soviel Lohnsteuer zahlt, wie es seinem Anteil am gemeinsamen Bruttolohn
entspricht. Mit diesem Vorschlag wird nicht vom Ehegattensplitting abgerückt,
sondern ein neues Lohnsteuerermäßigungsverfahren eingeführt, dass zusätz-
lichen Verwaltungsaufwand auslöst. Die kontinuierliche Erfassung der anteili-

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gen Bruttoeinkommen erfordert ein vollständig elektronisches Besteuerungsver-
fahren, um zeitnah Veränderungen bei den monatlichen Bruttoeinkommen der
Steuerpflichtigen erfassen zu können. Auf diesem Wege werden den Arbeit-
gebern die personenbezogenen Daten der Ehepartner ihrer Beschäftigten be-
kannt. Das ist problematisch hinsichtlich des im Grundgesetz verankerten
Rechts auf Datenschutz.

Im Vergleich zu heute wird der geringer Verdienende weniger und der höher Ver-
dienende mehr Lohnsteuer voraus zahlen müssen. Wegen der ungleichen Be-
und Entlastungswirkungen vereinnahmt der Fiskus allerdings in der Summe
mehr Lohnsteuern unmittelbar an den Einkommensquellen. Erst nachträglich
bei der Einkommensteuerveranlagung kann dies zu Gunsten der Steuerpflich-
tigen korrigiert werden. Für den Fiskus entstehen so Liquiditätsvorteile. Die
Steuerpflichtigen müssen dem Fiskus zinslose Darlehen gewähren. Verzichten
die Steuerpflichtigen auf die Veranlagung zur Einkommensteuer völlig, dann er-
zielt der Fiskus sogar nachhaltig höhere Steuereinnahmen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

Eine Individualbesteuerung soll anstelle der Zusammenveranlagung von Ehegat-
ten eingeführt werden. Die Steuerklassen III, IV und V sollen als große Steuer-
vereinfachung wegfallen. Für die Alleinerziehenden soll die Steuerklasse II er-
halten bleiben, um den Vorteil des Entlastungsfreibetrags in die Steuerkarte ein-
tragen lassen zu können. Für weitere Beschäftigungsverhältnisse soll auch die
Lohnsteuerklasse VI erhalten bleiben. Für alle anderen Lohnsteuerpflichtigen
soll die Steuerklasse I gelten, sie werden nach der Grundtabelle versteuert.

Das steuerliche Privileg des Ehegattensplittings soll in eine Individualbesteue-
rung mit übertragbarem Höchstbetrag in Höhe von 10 000 Euro für Unterhalts-
pflichten unter Ehe- und Lebenspartnern umgewandelt werden. Die Neurege-
lung soll in gleicher Weise für Ehepaare und gleichgeschlechtliche Paare nach
dem Lebenspartnerschaftsgesetz gelten. Bei unterschiedlichen Einkommen bei-
der Ehegatten oder Lebenspartner soll ein Teil des Einkommens des einen Ehe-
gatten oder Lebenspartners bis zu maximal 10 000 Euro auf den anderen Ehe-
gatten oder Lebenspartner steuerfrei übertragbar sein. Alle einkommensteuer-
pflichtigen Personen werden ansonsten in Höhe ihres individuell erzielten Ein-
kommens besteuert. Damit sinkt für einkommensstarke Haushalte die bisherige
Ersparnis aus dem Ehegattensplitting.

Die steuerlichen Mehreinnahmen sollen zum Ausbau und zur Finanzierung der
Kinderbetreuung verwandt werden.

Durch den übertragbaren Höchstbetrag werden die Unterhaltspflichten zwischen
Ehe- und Lebenspartnern steuerlich berücksichtigt und damit das verfassungs-
rechtliche Gebot der sozialrechtlichen Einstandspflicht in der Ehe eingehalten.

Berlin, den 18. Oktober 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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