BT-Drucksache 16/2514

Zur Situation von usbekischen Flüchtlingen

Vom 5. September 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2514
16. Wahlperiode 05. 09. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Birgitt Bender,
Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Winfried Nachtwei, Claudia Roth (Augsburg),
Rainder Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zur Situation von usbekischen Flüchtlingen

Die kirgisischen Behörden haben am 9. August 2006 fünf usbekische Flücht-
linge nach Usbekistan zurückgeführt. Die fünf Männer gehörten zu einer
Gruppe von ca. 500 Flüchtlingen, die im Mai 2005 aus der usbekischen Stadt
Andijan nach Kirgisien geflohen waren. Usbekische Soldaten hatten in Andijan
zuvor nach Augenzeugenberichten auf Demonstranten geschossen und hun-
derte Personen, darunter Kinder, getötet. Usbekistan verlangte später die Aus-
lieferung aller usbekischen Flüchtlinge aus Kirgisien.

Nach Einschätzung von Louise Arbour, der UN-Menschenrechtskommissarin,
sowie dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) drohen den
Männern in Usbekistan schwere Misshandlung und Folter. Vier der fünf Männer
waren vom UNHCR offiziell als Flüchtlinge anerkannt worden. Berichten von
Amnesty International zufolge werden sie seit ihrer Rückkehr in Usbekistan
ohne Kontakt zur Außenwelt in Gewahrsam gehalten.

Kirgisien ist gemäß dem völkerrechtlichen Prinzip des Non-Refoulement
(Nichtabschiebung) verpflichtet, niemanden in ein Land zurückzuführen, in
dem ihr oder ihm schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Dies ist in
zahlreichen internationalen Menschenrechtsabkommen wie der Genfer Flücht-
lingskonvention von 1951 und dem Internationalen Pakt über bürgerliche und
politische Rechte verankert, denen Kirgisien beigetreten ist. Die Menschen-
rechtsorganisation Amnesty International hat zahlreiche Fälle dokumentiert, in
denen Personen nach ihrer Zwangsrückführung nach Usbekistan gefoltert oder
in einem unfairen Prozess zum Tode verurteilt worden sind.

Am 18. August 2006 verschwanden zwei weitere usbekische Flüchtlinge in
Kirgisien unter ungeklärten Umständen. Nach Informationen der kirgisischen
Menschenrechtsorganisation Adalet wurden sie nach Andijan verschleppt und
werden dort gefangen gehalten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welcher Form fordert die Bundesregierung Kirgisien auf, seinen völker-

rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen und niemanden in ein Land zu
verbringen, in dem ihm oder ihr die Gefahr schwerer Menschenrechtsverlet-
zungen droht?

2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Aufenthaltsort und
Gesundheitszustand der fünf ausgewiesenen und zwei verschleppten Män-
ner in Usbekistan?

Drucksache 16/2514 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3. Vermittelt die Bundesregierung Usbekistan gegenüber die Sorge um die
Sicherheit der Flüchtlinge?

a) Bemüht sich die Bundesregierung um Zusicherungen der usbekischen
Behörden, dass die Flüchtlinge Zugang zu ihren Familien und zu einem
Rechtsbeistand ihrer Wahl haben?

b) Bemüht sich die Bundesregierung um Zusicherungen der usbekischen
Behörden, dass der Schutz vor Misshandlungen und Folter sowie die
gesundheitliche Betreuung der Flüchtlinge gewährleistet sind?

c) Thematisiert die Bundesregierung dabei auch den Zustand der Gefäng-
nisse in Usbekistan?

4. Wird die Rückführung usbekischer Flüchtlinge nach Usbekistan und ihre
Behandlung dort im Rahmen des angekündigten Menschenrechtsdialoges
mit der usbekischen Regierung thematisiert, und wenn ja, in welcher Form?

5. Was tut die Bundesregierung, um zu verhindern, dass die Arbeit des UNHCR
in der Region diskreditiert wird, und wie bindet sie in dieser Frage Russland
als wichtigen Akteur in der Region ein?

Berlin, den 5. September 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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