BT-Drucksache 16/2366

Haushaltssperre für Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik

Vom 3. August 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2366
16. Wahlperiode 03. 08. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch,
Dr. Axel Troost, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Haushaltssperre für Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat 1,1 Mrd. Euro des Ein-
gliederungstitels qualifiziert gesperrt, der üblicherweise für die Finanzierung
der aktiven Arbeitsmarktpolitik verwendet wird. Dies wird mit der tatsäch-
lichen Mittelbindung und dem Mittelabfluss im letzten Jahr begründet, wes-
wegen diese Sperrung vertretbar sei. Im letzten Jahr sind lediglich 57 Prozent
der Mittel des Eingliederungstitels abgeflossen. Darüber hinaus sind die ge-
sperrten Mittel nun mit den passiven Leistungen deckungsfähig, so dass damit
die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II ausgeglichen werden können. Das be-
deutet, dass Mittel, die für aktive Eingliederungsleistungen vorgesehen waren,
nun auch für passive Leistungen verwendet werden können. Statt Eingliede-
rungsmaßnahmen und Arbeit zu finanzieren, wird Arbeitslosigkeit finanziert.

In der Presse wird im Hinblick auf verschiedene Arbeitsgemeinschaften
(ARGEn) – vor allem in Ostdeutschland, aber nicht nur – gemeldet, dass diese
die nach der Sperre übrig gebliebenen Mittel bereits zu einem großen Teil
verbraucht haben und für den Rest des Jahres nun die Gefahr der Handlungs-
unfähigkeit bestehe bzw. geplante oder bereits bewilligte Maßnahmen unsicher
geworden sind. So fehlt der ARGE Leipzig beispielsweise nun eine Planungs-
summe von 13 Mio. Euro (Neues Deutschland 24. Juli 2006). Von den ihr nach
der Haushaltssperre verbleibenden 77,5 Mio. Euro sind bereits zum 30. Juni
2006 72,98 Mio. Euro fest gebunden. Auch im Landkreis Bayreuth können
keine neuen Maßnahmen mehr bewilligt werden (Frankfurter Rundschau
online 20. Juli 2006). Im „Eigenbetrieb Grundsicherung für Arbeitsuchende“
des Landkreises Spree-Neiße sind zum 21. Juni 2006 aufgrund der Haushalts-
sperre bereits knapp 98 Prozent der Mittel gebunden. Gegenüber dem 1. Regie-
rungsentwurf zum Bundeshaushalt 2006 wurden die Mittel dort um etwa
4,5 Mio. Euro reduziert. Der Kreistag des Landkreises Spree-Neiße hat daher in
einer Resolution an den Bundestagspräsidenten die Aufhebung der Haushalts-
sperre gefordert, da ansonsten keine Handlungsfähigkeit hinsichtlich der akti-
ven Eingliederung mehr gegeben sei.

Da mit den Mitteln des Eingliederungstitels Maßnahmen der aktiven Arbeits-
marktpolitik finanziert werden, stellt sich die Frage, inwiefern neben dem For-

dern auch das Fördern der Arbeitsuchenden in ausreichendem Maße umgesetzt
werden kann. Aktive Arbeitsmarktpolitik zielt darauf ab, die Integrations-
chancen Arbeitsuchender zu verbessern oder ihnen öffentlich geförderte Be-
schäftigungsmöglichkeiten anzubieten. Damit kann die aktive Arbeitsmarkt-
politik einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Chancen zur Teilhabe am
Arbeitsleben und somit auch zur sozialen Teilhabe leisten. Eingliederungs-
leistungen sind für Erwerbs- und insbesondere Langzeiterwerbslose von hoher

Drucksache 16/2366 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bedeutung. Für einige ARGEn könnte mit dem Fördern nun aber Schluss sein
oder sie können dies nur noch sehr eingeschränkt tun – gerade wenn sie im In-
teresse der Langzeiterwerbslosen bisher bereits viele Eingliederungsmaßnah-
men durchgeführt haben. Daher ergeben sich aus der Haushaltssperre Fragen zu
ihren Grundlagen und Konsequenzen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung bereits Erkenntnisse aus den von den kommunalen
Trägern bis zum 14. Juli 2006 erbetenen Mitteilungen über die Höhe der
jeweils tatsächlich verausgabten Eingliederungsmittel sowie über darüber
hinaus gebundene Mittel?

Wenn ja, welche Erkenntnisse hat sie daraus gezogen, und welche Schritte
plant sie auf der Grundlage dieser Daten?

2. In welchem Umfang haben die einzelnen ARGEn oder Optionskommunen
die zur Verfügung stehenden Mittel im Jahr 2006 bereits ausgeschöpft und
wie viele Mittel sind fest gebunden (bitte für jede ARGE und Options-
kommune einzeln beantworten)?

3. Welche Auswirkungen hat die Mittelsperrung konkret auf bewilligte und
geplante Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung in den einzelnen ARGEn
oder Optionskommunen?

Wie viele geplante oder schon bewilligte Maßnahmen können in den einzel-
nen ARGEn oder Optionskommunen nun nicht mehr durchgeführt werden
(bitte für jede ARGE und Optionskommune einzeln beantworten)?

4. Welche Auswirkungen hat die Haushaltssperre auf Neubewilligungen von
Maßnahmen, insbesondere bei Trägern, die ihre Mittel schon zu einem
großen Teil ausgeschöpft oder gebunden haben?

5. Wie viele geplante Maßnahmen müssen aufgrund der Haushaltssperre auf
das Jahr 2007 verschoben werden?

6. Welche Auswirkungen hat die Haushaltssperre auf den Haushalt 2007 und
den dort zur Verfügung gestellten Eingliederungstitel?

7. Auf welcher gesetzlichen Grundlage, durch wen, in welcher Form und in
welchem Umfang sollen die von der Bundesregierung angekündigten über-
regionalen Ausgleiche aufgrund regional bestehender Unterschiede hinsicht-
lich der Mittelabflüsse durchgeführt werden?

Wie viele ARGEn bzw. Optionskommunen können wie viele Mittel an wie
viele andere ARGEn oder Optionskommunen abführen?

Nach welchen Kriterien sollen die zur Verfügung stehenden Mittel an die
Träger verteilt werden?

8. Plant die Bundesregierung neben den überregionalen Ausgleichen weitere
Schritte, um die ARGEn und Optionskommunen, die eine hohe Mittel-
bindung vorweisen, zu unterstützen?

Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Haushaltssperre vor dem Hinter-
grund des unterschiedlichen Mittelabflusses in den einzelnen Arbeitsgemein-
schaften und Optionskommunen?

9. Inwiefern beurteilt die Bundesregierung – vor dem Hintergrund, dass bspw.
beim „Eigenbetrieb für Grundsicherung“ im Spree-Neiße-Kreis wie oben be-
schrieben bereits mehr als 97 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel
gebunden sind – die Haushaltssperre als „Bestrafung“ für ARGEn, die – zum
Teil als Lehre aus dem letzten Jahr, vor allem aber im Interesse der Langzeit-
erwerbslosen – nun bereits einen weitaus größeren Teil der Eingliederungs-

mittel genutzt bzw. verplant haben?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2366

10. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass bspw. in der ARGE
Leipzig vorerst ein Bewilligungsstopp aufgrund der Haushaltssperre ver-
hängt werden musste und auch andere ARGEn Handlungsunfähigkeit be-
fürchten?

Wie verträgt sich ein solcher Bewilligungsstopp mit dem Prinzip des For-
derns und Förderns?

11. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass manche Träger – wie
in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 2 der Abgeordneten Sabine
Zimmermann auf Bundestagsdrucksache 16/2220 geschildert – kaum noch
Spielraum für Neubewilligungen von Maßnahmen haben, aber sicherstellen
müssen, dass eine Bewilligung und Erbringung von Eingliederungsleistun-
gen im gesamten Haushaltsjahr gewährleistet sein müssen?

Wie bewertet sie dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Träger
ihre Planungen auf der Grundlage eines erwarteten höheren Budgets ge-
tätigt haben?

12. Warum will die Bundesregierung über den weiteren Umgang mit der Mittel-
sperrung und mögliche regionale Umschichtungen nun schon im August
entscheiden und nicht wie ursprünglich geplant erst im September?

Wodurch begründet sich aus Sicht der Bundesregierung die offenbar
frühere Handlungsnotwendigkeit?

Berlin, den 2. August 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.