BT-Drucksache 16/2160

Gleichbehandlung der Opfer von Strahlungen an Radargeräten in der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee

Vom 30. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2160
16. Wahlperiode 30. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Klaus Ernst, Karin Binder,
Dr. Lothar Bisky, Dr. Martina Bunge, Katja Kipping, Monika Knoche, Katrin Kunert,
Petra Pau, Elke Reinke, Paul Schäfer (Köln), Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten Tackmann
und der Fraktion DIE LINKE.

Gleichbehandlung der Opfer von Strahlungen an Radargeräten in der
Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee

Die Expertenkommission zur Frage der Gefährdung durch Strahlungen in frü-
heren Radareinrichtungen der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee
(NVA) (Radarkommission) hat am 2. Juli 2003 ihren Bericht dem Vorsitzenden
des Verteidigungsausschusses übergeben.

Im Rahmen des Berichts empfahl die Kommission vereinfachte Kriterien für
die Anerkennung von Versorgungsanträgen.

In der Stellungnahme des Bundesministeriums für Verteidigung vom 23. Sep-
tember 2003 erklärte das Ministerium, dass es die Empfehlungen der Radar-
kommission unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten und Ermes-
sensspielräume „1:1“ umsetzen wolle.

Für die Bearbeitung von Versorgungsanträgen von Bundeswehrsoldaten, Hin-
terbliebenen von Bundeswehrsoldaten und Beamten der Bundeswehr und von
ehemaligen Berufs- und Zeitsoldaten der NVA und Hinterbliebenen von Be-
rufs- und Zeitsoldaten der NVA ist das Bundesministerium für Verteidigung zu-
ständig. Für Anträge von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen der Bundeswehr
und von Grundwehrdienstleistenden, Reservisten, Zivilbeschäftigten und Frei-
willigen der NVA und ihren Hinterbliebenen ist die Unfallkasse des Bundes zu-
ständig.

Die Einbeziehung der Wehrdienstleistenden der Bundeswehr in das Bundesver-
sorgungsgesetz (BVG) erfolgt über das Soldatengesetz (SG) und den § 80 des
Soldatenversorgungsgesetzes (SVG).

Diese Rechtssituation führt im Ergebnis dazu, dass Grundwehrdienstleistende,
Reservisten, Zivilbeschäftigte und Freiwillige der NVA eine Unfallrente erhal-
ten, die nach den gesetzlichen Vorschriften auf die Altersrente angerechnet
wird (vgl. § 93 Abs.1 SGB VI), während die Wehrdienstleistenden der Bundes-
wehr Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz erhalten, die nicht auf

eine Altersrente angerechnet werden.

Hinterbliebene von Soldaten der Bundeswehr erhalten Versorgung gemäß § 80
Satz 2 SVG i. V. m. § 38 BVG, wenn der Betroffene an den Folgen einer Wehr-
dienstbeschädigung verstorben ist.

Drucksache 16/2160 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Nach bisher unvollständigen Kenntnissen haben 2 633 Soldaten und Beamte
aus der Bundeswehr und der NVA einen Antrag auf Anerkennung einer Wehr-
dienstbeschädigung (WDB) bzw. Hinterbliebenenversorgung gestellt, von
denen inzwischen 575 positiv beschieden wurden (vgl. Plenarprotokoll 16/32,
S. 2705).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen haben insgesamt in der NVA von 1956 bis 1990 und in
der Bundeswehr von 1958 bis 1985 Wehrdienst an Radargeräten verrichtet?

2. Wie viele Anträge auf Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung, Berufs-
krankheit bzw. Hinterbliebenenversorgung für Strahlenopfer wurden bisher
insgesamt beim Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) und bei der
Unfallkasse des Bundes gestellt (bitte aufschlüsseln nach Anträgen Wehr-
dienstbeschädigung, Berufskrankheit und Hinterbliebenenversorgung für
Antragsteller der Bundeswehr, der NVA und nach Geschlecht)?

3. Über wie viele Anträge auf Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung
bzw. Berufskrankheit oder Hinterbliebenenversorgung ist bisher entschieden
worden (bitte aufschlüsseln nach Bundeswehr und NVA sowie nach Ge-
schlecht differenziert):

– positive Bescheide WDB/Berufskrankheit mit Leistung,

– positive Bescheide WDB/Berufskrankheit ohne Leistung,

– negative Bescheide WDB/Berufskrankheit,

– positive Bescheide für Hinterbliebenenversorgung,

– negative Bescheide für Hinterbliebenenversorgung?

4. Aus welchen konkreten Gründen wurden bislang Anträge auf Anerkennung
einer Wehrdienstbeschädigung, Berufskrankheit oder Hinterbliebenenver-
sorgung mit Bezug auf den Bericht der Radarkommission negativ beurteilt?

5. Wie viele der bisher abgelehnten Antragsteller/Antragstellerinnen der Bun-
deswehr und der NVA haben zur Durchsetzung ihrer Rechte den Rechtsweg
beschritten?

6. Wie viele sozialrechtliche als auch zivilrechtliche Klageverfahren bei den
Strahlenopfern der Bundeswehr und der NVA sind bisher anhängig?

7. Welche Maßnahmen zur Herstellung von langfristiger Rechtssicherheit für
die Strahlenopfer beider deutscher Armeen und ihren Hinterbliebenen plant
die Bundesregierung?

8. Plant die Bundesregierung ein Strahlenopferentschädigungsgesetz?

Wenn ja, welche Personengruppen sind in diese Gesetzesinitiative eingebun-
den?

Wer vertritt die jeweiligen Opfer aus Bundeswehr und NVA?

Unter welcher Trägerschaft findet diese Planung statt?

Wenn nein, aus welchen Gründen wird auf ein solches Gesetz verzichtet?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/2160

9. Wie erklärt sich die Bundesregierung die Tatsache, dass nach einem er-
weiterten Berichterstattergespräch, an dem auch der Parlamentarische
Staatssekretär Christian Schmidt teilnahm, der verantwortliche Ministerial-
dirigent am 7. April 2006 dem Petitionsausschuss bestätigte, dass an einem
Stiftungskonzept gearbeitet werde, auf eine schriftliche Anfrage vom
7. Juni 2006 (–1680016-V66–) durch den Abgeordneten Volker Schneider
(Saarbrücken) aber der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt
erklärte, dass bereits 2001 „die Überlegungen, eine Stiftung zu etablieren
oder ein Sondergesetz zu schaffen, verworfen wurde“, ohne über die neue
Entwicklung zu berichten?

10. Wann und warum wurden die Überlegungen zur Einrichtung einer Stiftung
genau verworfen?

11. Wurden bzw. werden bei der Erarbeitung der Stiftung Interessenverbände
mit einbezogen, und wenn ja, welche?

12. Ist beabsichtigt, den Interessenverband „nva-radar e. V.“, der den Großteil
der NVA-Radargeschädigten und Hinterbliebenen vertritt, in die Erarbei-
tung mit einzubeziehen, und wenn nein, warum nicht?

13. Welche Personengruppen sollen von der möglichen Stiftung profitieren?

14. Welche Überlegungen seitens der Bundesregierung gibt es, die Ungleich-
behandlung der Strahlenopfer der Bundeswehr und der NVA und ihrer
Hinterbliebenen aufzugeben?

15. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass Angehörige der
Deutschen Wehrmacht, soweit diese eine Dienstbeschädigung erlitten
haben, unter die Anwendung des BVG fallen, die Strahlenopfer der NVA
und ihre Hinterbliebenen aber, wenn überhaupt Anspruch auf eine Unfall-
rente haben, und die Hinterbliebenen, weil gegenwärtig ohne Rechtsgrund-
lage, gänzlich unversorgt bleiben?

16. Kann sich die Bundesregierung vorstellen, Grundwehrdienstleistende der
NVA in den Anwendungsbereich des Bundesversorgungsgesetzes z. B.
durch Aufnahme einer Nummer 4 in § 7 Abs.1 BVG einzubeziehen?

17. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, eine Gleichstellung der Witwen
von Angehörigen der NVA mit Witwen von Angehörigen der Bundeswehr
zu erreichen?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 29. Juni 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.