BT-Drucksache 16/2033

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/1780, 16/1852, 16/2022 - Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

Vom 28. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/2033
16. Wahlperiode 28. 06. 2006

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln),
Kai Boris Gehring, Monika Lazar, Jerzy Montag, Josef Philip Winkler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/1780, 16/1852, 16/2022 –

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur
Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest,

1. Ein Gesetz zur Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien
ist längst überfällig. Von großer Bedeutung ist dabei, dass das Gesetz nicht
nur im Arbeitsrecht, sondern auch im Zivilrecht alle in Artikel 13 des
EG-Vertrages aufgeführten Merkmale in den Diskriminierungsschutz ein-
schließt. Deutschland folgt damit dem Beispiel vieler anderer Länder in der
EU.

Mit diesem Ansatz wird vermieden, dass ganze Bevölkerungsgruppen wie
behinderte Menschen, religiöse Minderheiten wie Juden oder Muslime,
ältere Menschen sowie Lesben und Schwule aus dem Diskriminierungs-
schutz im Zivilrecht ausgeschlossen werden. Würde man Forderungen nach-
geben, die Merkmale Behinderung, Alter, Religion oder Weltanschauung
sowie sexuelle Identität aus dem Diskriminierungsschutz im Zivilrecht aus-
zugrenzen, würde sich die Intention eines Gleichbehandlungsgesetzes in ihr
Gegenteil verkehren. Das Gesetz würde zu einem Diskriminierungsgesetz.

Für vergleichbare Situationen muss es gleiche Schutzstandards geben.
Belgien, Frankreich, Schweden, Großbritannien, Irland, die Niederlande und
weitere Länder sind bei der Ausgestaltung des Diskriminierungsschutzes im
Zivilrecht einen ähnlichen Weg gegangen wie nun Deutschland.

Die Antidiskriminierungsgesetze in den Nachbarländern haben sich in der
Praxis als gut handhabbar und in keiner Weise belastend für die Wirtschaft
erwiesen. Im Gegenteil gilt: Diskriminierung ist schlecht für die Wirtschaft
und schlecht für das Ansehen Deutschlands. In einer globalisierten Welt ist
die Anerkennung von Vielfalt („Diversity“) ein wichtiges Element für den
wirtschaftlichen Erfolg.

2. Bei den Instrumenten und den Sanktionen bewegt sich der Gesetzentwurf
der Bundesregierung zumeist am äußersten unteren Rand des Rahmens, den

Drucksache 16/2033 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
die EU-Richtlinien und die europäische Rechtssprechung abstecken. Beide
Bereiche wurden gegenüber der Vorlage aus der letzten Wahlperiode deut-
lich verwässert.

Sanktionen bei Verstößen gegen das Gleichbehandlungsgebot müssen laut
den EU-Richtlinien „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein. Es
ist sehr zweifelhaft, ob die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vor-
gesehenen Maßnahmen diesen Anforderungen gerecht werden. Ebenso ist
fraglich, ob die von den EU-Richtlinien geforderte Verbändebeteiligung aus-
reichend umgesetzt ist. Mit der weitgehenden Aussparung der Beteiligungs-
möglichkeiten von Verbänden wird zudem eine große Chance vergeben,
Diskriminierungsprobleme auf zivilgesellschaftliche Weise zu bearbeiten.
Zweifelhaft ist zudem, ob die weit gefassten Ausnahmeregelungen sämtlich
europarechtskonform sind.

3. Die heftigen Widerstände in Deutschland gegen einen gesetzlichen Dis-
kriminierungsschutz, der in vielen Ländern längst Alltag ist, werden in der
europäischen Öffentlichkeit zunehmend mit Verwunderung wahrgenommen.

Die Umsetzungsfrist von drei der vier europäischen Antidiskriminierungs-
richtlinien ist verstrichen. Hinsichtlich der Antirassismusrichtlinie 2000/43/
EG und der Rahmenrichtlinie zu Beschäftigung und Beruf 2000/78/EG hat
der Europäische Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Bundesrepublik
Deutschland ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzt hat. Deutschland
drohen empfindliche Strafzahlungen.

Weitere Verzögerungen wären unverantwortlich. Auch wenn der Gesetzent-
wurf der Bundesregierung eine Reihe von Mängeln aufweist, ist es besser,
wenigstens diesen ersten Schritt zu gehen, als weiter ohne gesetzliche Rege-
lung zu bleiben. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist aber nicht
geeignet, einen Schlusspunkt in der Antidiskriminierungsgesetzgebung zu
setzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

zügig als zweiten Schritt einen Entwurf zur europarechtskonformen Überarbei-
tung des Gleichbehandlungsgesetzes vorzulegen. Insbesondere sollen darin die
Möglichkeiten der Verbändebeteiligung erweitert, die Sanktionen europarechts-
konform ausgestaltet und dem Europarecht zuwiderlaufende Ausnahmerege-
lungen geändert werden.

Berlin, den 28. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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