BT-Drucksache 16/1967

Waffen unter Kontrolle - Für eine umfassende Begrenzung und Kontrolle des Handels mit Kleinwaffen und Munition

Vom 28. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1967
16. Wahlperiode 28. 06. 2006

Antrag
der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Alexander Bonde, Jürgen Trittin,
Volker Beck (Köln), Dr. Uschi Eid, Kai Boris Gehring, Thilo Hoppe, Ute Koczy,
Renate Künast, Fritz Kuhn, Kerstin Müller (Köln), Claudia Roth (Augsburg),
Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Waffen unter Kontrolle –
Für eine umfassende Begrenzung und Kontrolle des Handels
mit Kleinwaffen und Munition

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Begrenzung und Kontrolle des internationalen Handels mit Schuss-
waffen und Munition jeglicher Art sowie die Beseitigung der Ursachen, die
deren destabilisierende Anhäufung und den Einsatz begünstigen, gehören zu
den vordringlichsten Aufgaben der internationalen Staatengemeinschaft.
Anlässlich der Überprüfungskonferenz zum „UN-Aktionsprogramm zur
Bekämpfung des illegalen Kleinwaffenhandels in all seinen Aspekten“
(26. Juni bis 7. Juli 2006) plädiert der Deutsche Bundestag dafür, neben dem
illegalen Handel von Kleinwaffen und leichten Waffen, dem gesamten Be-
reich der Schusswaffen, der Schusswaffenmunition und verbindlichen inter-
nationalen Regelungen, um diese Waffen unter Kontrolle zu bringen, mehr
Aufmerksamkeit zu widmen.

Waffen sind nicht die Ursache von Konflikten. Ihre destabilisierende Anhäu-
fung und ein unverantwortlicher Umgang befördern jedoch ein Klima der
Angst, eine Kultur der Gewalt und die Gefahr, dass es zu gewaltsam ausge-
tragenen Konflikten kommt. Dies gilt nicht nur für Kleinwaffen und leichte
Waffen, die im Besitz von Armee, Polizei oder bewaffneten Gruppen sind
und die nicht nur zur Verteidigung oder zum Schutz der Bürger, sondern
auch zur Repression, zu gröbsten Menschenrechtsverletzungen und zum
Bruch des humanitären Völkerrechts eingesetzt werden können. Es gilt auch
für – häufig völlig legal erworbene – Waffen in den Händen von Zivilisten.
Nach Schätzungen des International Action Network on Small Arms
(IANSA) sind weltweit ca. 640 Millionen Schusswaffen, davon bis zu
286 Millionen in den USA, im Umlauf. Die Mehrzahl der Schusswaffen

(59 Prozent) ist im Besitz von Zivilisten, seien es normale Bürger oder
Kriminelle; etwa 38 Prozent werden im Besitz der Streitkräfte oder Regie-
rungen, 2,8 Prozent in den Händen der Polizei und 0,2 Prozent im Besitz
bewaffneter Gruppen vermutet. Von ca. 1 250 Unternehmen werden jährlich
8 Millionen neue Schusswaffen und ca. 10 bis 14 Milliarden Schuss Muni-
tion produziert.

Drucksache 16/1967 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die menschlichen und ökonomischen Folgen dieser Anhäufung von Waffen
sind immens. Es ist schwer, die Zahl der Opfer und die wirtschaftlichen Fol-
gen genau zu beziffern. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus,
dass weltweit jährlich bis zu 300 000 Menschen den Tod in bewaffneten
Konflikten finden, 200 000 durch Schusswaffen ermordet werden oder
selbstverschuldet ums Leben kommen. Etwa 1 Million Menschen werden
jährlich durch Schusswaffen verletzt, 500 000 sterben an den Langzeitfolgen
ihrer Schussverletzungen und weit mehr werden lebenslang traumatisiert.
56 Prozent der Tötungsdelikte haben einen kriminellen, 25 Prozent einen
militärischen und 14 Prozent einen suizidalen Hintergrund.

2. Mit Kleinwaffen ausgerüstete Personen sind zum tödlichsten Gefechts-
system unserer Zeit geworden. Bis zu 90 Prozent aller Opfer bewaffneter
Konflikte, darunter auch viele Frauen und Kinder, werden mit Kleinwaffen
getötet. Mit leicht bedienbaren Kleinwaffen werden Kinder zu Soldaten und
damit zu Tätern und Opfern gemacht.

Neben der leichten Verfügbarkeit und Handhabung der Waffen hat nicht zu-
letzt die Rüstungsexportpolitik der vergangenen Jahrzehnte dazu beigetra-
gen, dass in vielen Regionen Kleinwaffen zu den Massenvernichtungswaf-
fen und Terrorwaffen unserer Zeit geworden sind. Viele der heute illegal im
Umlauf befindlichen und missbräuchlich verwendeten Kleinwaffen und
Munition stammen aus „legalen“ Regierungsexporten – häufig noch aus Zei-
ten des Kalten Kriegs – und von Firmen, deren Produktion von staatlicher
Seite autorisiert wird bzw. die selbst zum Teil im staatlichen Besitz sind.
Regierungen kommen und gehen und die Kleinwaffen, die eine Lebensdauer
von mehreren Jahrzehnten haben, gelangen damit in immer neue Hände.
Waffen, die in den vergangenen Jahren an Rebellen in Afghanistan oder
Regierungstruppen im Irak geliefert wurden, sind heute in den Händen von
Terroristen, Kriminellen und Verbrechern und bedrohen das Leben vieler
Menschen, auch aus den Ländern, die den Export genehmigt haben.

Die mit dem Ende des Ost-West-Konflikts einhergehenden Transformations-
und Erosionsprozesse vieler Staaten haben den Kleinwaffenmissbrauch be-
schleunigt. Infolge der Streitkräftereduzierungen und -modernisierungen
wurden Millionen von Überschusswaffen legal und illegal weiterverbreitet
und hunderttausende von Soldaten entlassen. Ein Teil fand in dem sprung-
haft wachsenden und noch weitgehend unkontrollierten Bereich der privaten
Militär- und Sicherheitsunternehmen ein neues Betätigungsfeld. Viele
schwache und korruptionsanfällige Staaten waren nicht oder nicht mehr in
der Lage, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Die heu-
tigen Probleme sind daher auch Folge einer kurzsichtigen und zum Teil grob
fahrlässigen „legalen“ Rüstungsexportpolitik der Vergangenheit.

Viele Staaten sowie internationale und regionale Organisationen haben an-
gesichts der überwiegend innerstaatlich ausgetragenen bewaffneten Kon-
flikte und des Zerfalls staatlicher Ordnung den Handlungsbedarf erkannt.
Ohne Sicherheit und ohne Schutz der Bürger vor Gewalt und Kriminalität ist
eine wirtschaftliche, soziale und demokratische Entwicklung nicht möglich.
Unterstützt von Friedensforschungseinrichtungen und Nichtregierungsorga-
nisationen wurden die komplexen Ursachen und multidimensionale Hand-
lungsfelder herausgearbeitet. In den westlichen Staaten ist es inzwischen
weitgehend Konsens, dass die Bekämpfung der Kleinwaffenproblematik nur
dann erfolgreich sein kann, wenn Aktivitäten im Bereich der Abrüstung und
Rüstungsexportkontrolle mit entwicklungspolitischen Instrumenten, insbe-
sondere der Reform des Sicherheitssektors, Strategien zur Armutsbekämp-
fung, Initiativen zur verantwortlichen Regierungsführung und strukturellen

Gewaltprävention einhergehen. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass dies
auch in der Politik der Bundesregierung und der EU berücksichtigt wird.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1967

3. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass es seit Mitte der 90er Jahre national
wie international zu einer Intensivierung der Bemühungen gekommen ist,
den illegalen Handel mit Kleinwaffen und leichten Waffen unter Kontrolle
zu bekommen. Das Aktionsprogramm der Vereinten Nationen zur Bekämp-
fung des illegalen Kleinwaffenhandels hat hierzu einen ersten wichtigen
Beitrag geleistet. Trotz seiner rechtlichen Unverbindlichkeit und Lücken hat
es zu Fortschritten auf regionaler und internationaler Ebene geführt. Die
Umsetzung unter den UN-Mitgliedstaaten variiert jedoch erheblich. Wäh-
rend einige Staaten die Überprüfungskonferenz lediglich dazu nutzen wol-
len, den Stand der Umsetzung zu diskutieren, hoffen andere Mitglieder, dar-
unter die EU-Staaten, dass es zu einer Klärung umstrittener Definitionen,
einer Weiterentwicklung und einem Follow-Up-Prozess kommt. Zu den
strittigen Punkten zählen Exportbeschränkungen an nichtstaatliche Akteure,
Beschränkungen für den legalen Handel und die Produktion von Kleinwaf-
fen, Regelungen für den zivilen Waffenbesitz und Waffenvermittlungsge-
schäfte (Brokering), die Betonung des Zusammenhangs zwischen Kleinwaf-
fen und Entwicklung oder Initiativen, die zu rechtsverbindlichen Kriterien
und Regelungen führen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung phasenweise
durch vereinzelte Initiativen und Beiträge (z. B. im Rahmen der EU, OSZE
und der UN) zu Fortschritten in diesem Bereich beigetragen hat. Angesichts
der Bedeutung der Problematik fordert der Deutsche Bundestag die Bundes-
regierung auf, ihre Bemühungen deutlich zu intensivieren. Der Deutsche
Bundestag tritt dafür ein, dass die Bundesregierung und die Staaten der EU
zu Vorreitern einer effektiven Waffenkontrolle, auch im Kleinwaffenbereich,
werden.

4. Mit ihrer großzügigen Lizenz- und Genehmigungspraxis haben vorangegan-
gene Bundesregierungen – v. a. in den 70er und 80er Jahren – dazu beigetra-
gen, dass Waffen deutschen Ursprungs, wie z. B. das G3, in vielen bewaff-
neten Konflikten dieser Welt im Einsatz sind. Deutschland gehört heute
noch zu den weltweit führenden Produzenten und Exporteuren von Schuss-
waffen sowie diesbezüglicher Munition und Produktionsanlagen. Bislang
gibt es noch keine einheitliche Definition, welche Waffen zu den Kleinwaf-
fen und leichten Waffen zu zählen sind. In Anlehnung an die EU handhabt
die Bundesregierung in ihrer Statistik eine enge Definition von Kleinwaffen,
die nicht mit der UN-Definition kompatibel ist. Nach dieser Statistik wurde
in den Jahren 2001 bis 2004 der Export von Handfeuerwaffen, wozu auch
„zivile Selbstverteidigungswaffen“ wie Revolver und Pistolen oder Jagd-
und Sportwaffen zählen, im Wert von ca. 1,3 Mrd. Euro genehmigt. Hiervon
entfielen ca. 15 Prozent (ca. 190 Mio. Euro) auf Kleinwaffen im engeren
Sinne, die zu 85 Prozent an andere EU- oder NATO-Staaten und zu 15 Pro-
zent an so genannte Drittstaaten (z. B. Ägypten, Indien, Jordanien, Malay-
sia, Mexiko, Saudi-Arabien, Thailand, Vereinigte Arabische Emirate) gelie-
fert wurden. Dabei wurde der Export von Kleinwaffen und Munition in
Drittstaaten immer häufiger mit dem Kampf gegen den internationalen Ter-
rorismus begründet. Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, dass die
meisten Regierungen dieser Länder Teil des Problems und Kleinwaffenex-
porte an Sicherheitskräfte dieser Länder kein Bestandteil der Lösung sind.

Der Deutsche Bundestag tritt dafür ein, auch den Export von Pistolen, Präzi-
sionsgewehren und anderen, häufig für kriminelle Zwecke benutzten „zivi-
len Selbstverteidigungswaffen“ scharf zu kontrollieren. Die Erfahrung zeigt,
dass z. B. im Bereich des Drogenhandels oder der Destabilisierung in Groß-
städten Lateinamerikas diesen Waffen eine größere Bedeutung zukommt, als
den nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz zu genehmigenden militärischen

Kleinwaffen. Nach dem Außenwirtschaftsgesetz gilt auch heute noch der
Grundsatz, dass für den Export sonstiger Rüstungsgüter, d. h. von Waffen,

Drucksache 16/1967 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

die nicht unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, ein grundsätzlicher
Genehmigungsanspruch besteht, der nur in Ausnahmefällen beschränkt wer-
den kann. Während nur für militärische Zwecke konstruierte Kleinwaffen
als Kriegswaffen gelten, fällt die Ausfuhr sonstiger Schusswaffen und von
Technologien und Herstellungsausrüstung unter das Außenwirtschaftsge-
setz. Dadurch entsteht die unhaltbare Situation, dass der Export eines einzel-
nen Gewehres grundsätzlich verboten, der Export einer Waffen- oder Muni-
tionsfabrik oder sonstiger Schusswaffen aber grundsätzlich erlaubt und zu
genehmigen ist. So haben beispielsweise Usbekistan und Nepal in den ver-
gangenen Jahren Herstellungsausrüstung für kleinkalibrige Munition in Mil-
lionenhöhe erhalten.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung inzwischen
überschüssige Kleinwaffen vernichtet und entschieden hat, bei der Ausfuhr
von Technologie und Herstellungsausrüstung grundsätzlich keine Genehmi-
gungen im Zusammenhang mit der Eröffnung neuer Herstellungslinien für
Kleinwaffen und Munition in Drittländern mehr zu erteilen. Ebenso zu be-
grüßen ist, dass Genehmigungen für die Ausfuhr von Kleinwaffen in Dritt-
länder nur für staatliche Endverwender und womöglich nach dem Grundsatz
„Neu für Alt“ erteilt werden. Danach „sollen“ Lieferverträge so ausgestaltet
werden, dass aufgrund der Neulieferungen aus Deutschland ausgesonderte
Waffen vernichtet und Exporteure verpflichtet werden, die gelieferten Waf-
fen im Falle einer späteren Außerdienststellung zu vernichten. Hervorzuhe-
ben sind auch die diversen Aktivitäten im Bereich der Demilitarisierung,
Demobilisierung und Reintegration (DDR) von (Kinder-)Soldaten, der För-
derung der Sicherheitssektorreform sowie der Unterstützung anderer Staaten
beim Aufbau von personellen und logistischen Kapazitäten zur Sicherung
von Waffenbeständen. Der Deutsche Bundestag begrüßt die Beiträge, die
von Seiten der GTZ und regierungsunabhängigen Organisationen wie z. B.
dem Bonn International Convention Center (BICC) bei der Analyse, Bera-
tung und Qualifizierung geleistet werden.

Der Deutsche Bundestag ist trotz der positiven Ansätze nicht der Auffas-
sung, dass die bisherigen Maßnahmen ausreichen, dem Anspruch und den
Erwartungen an eine restriktive Rüstungsexportpolitik gerecht zu werden.
Der Deutsche Bundestag nimmt mit Besorgnis zur Kenntnis, dass es – u. a.
unter Verweis auf die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und un-
ter dem Vorwand der „Harmonisierung“ der Exportregelungen und Export-
praxis – erkennbare Bemühungen gibt, die deutsche Rüstungsexportpolitik,
zu lockern. Er bedauert, dass, trotz Verbesserungen im Detail, die Transpa-
renz und die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten weiterhin äußerst un-
befriedigend sind und die Geschäftsinteressen der Rüstungsunternehmen hö-
her bewertet werden. Die Fraktionen und Abgeordneten sind aufgrund der
Geheimhaltungspraxis und nachträglichen und lückenhaften Unterrichtung
nicht in der Lage, ihren Kontrollaufgaben und der Verantwortung gegenüber
ihren Wählerinnen und Wählern gerecht zu werden. Der Deutsche Bundes-
tag muss im Vorfeld kritischer Entscheidungen konsultiert und zeitnah un-
terrichtet werden. Die Bundesregierung sollte im jährlichen Rüstungsexport-
bericht über den Export aller Handfeuerwaffen und diesbezüglicher
Munition Rechenschaft ablegen und die Exporte von Kleinwaffen so darstel-
len, dass die Definitionen mit denen der Vereinten Nationen kompatibel
sind. Der Deutsche Bundestag tritt dafür ein, dass auch Rüstungsproduzen-
ten und Rüstungsexporteure sich stärker ihrer Mitverantwortung stellen und
in die Pflicht genommen werden.

5. Nichtregierungsorganisationen wie amnesty international, OXFAM und
IANSA beklagen, dass es der Weltgemeinschaft nicht gelungen ist, Rüs-

tungstransfers weltweit rechtsverbindlich unter Kontrolle zu bringen. Dies
betrifft insbesondere auch Kleinwaffen und die dafür notwendige Munition.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/1967

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung und die EU die
Initiative für ein internationales Waffenhandelsabkommen (Arms Trade
Treaty) grundsätzlich unterstützen. Der Deutsche Bundestag tritt dafür ein,
in Anlehnung an den EU-Verhaltenskodex und dessen Implementierungsins-
trumenten einen Arms Trade Treaty (ATT) zu entwickeln, der zu einem
möglichst restriktiven, völkerrechtskonformen und verantwortungsbewuss-
ten Handel mit konventionellen Waffen beiträgt. Nichtregierungsorganisati-
onen müssen an der Erarbeitung und Umsetzung eines solchen Abkommens
aktiv beteiligt und unterstützt werden.

Der Deutsche Bundestag begrüßt die Initiative des Auswärtigen Amts, Ver-
treter von Ministerien, Forschungsinstituten sowie Kampagnen- und Durch-
führungsorganisationen zum informellen Informationsaustausch einzuladen.
Er regt an, diesen Austausch zu intensivieren und auch für Vertreter der
Fraktionen des Deutschen Bundestages zu öffnen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. den Kampf gegen den internationalen Terrorismus, den Erhalt wehrtechni-
scher Fähigkeiten und die Bemühungen um eine Angleichung der Rüstungs-
exportpolitik im Rahmen der EU nicht als Vorwand zu nutzen, um den
bereits bisher oft lückenhaft umgesetzten Anspruch einer restriktiven Rüs-
tungsexportpolitik weiter auszuhöhlen und damit die vielen positiven Bei-
träge im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit zu konterkarieren;

2. den im Außenwirtschaftsgesetz verankerten grundsätzlichen Genehmi-
gungsanspruch für die Ausfuhr von sonstigen Rüstungsgütern, die keine
Kriegswaffen sind, schnellstmöglich aufzuheben;

3. sicherzustellen, dass alle überschüssigen Kleinwaffen und Kleinwaffenmu-
nition, inklusive der von der Bundesregierung bislang nicht zu den Klein-
waffen gerechneten Pistolen und Revolver, von Bundeswehr, Bundespolizei
und Länderpolizeien vernichtet werden, und mit Anreiz- und Unterstüt-
zungsprogrammen darauf hinzuwirken, dass auch andere Staaten ihre
Schusswaffenbestände auf ein Minimum reduzieren und überzählige Waffen
vernichten;

4. den Export von Kleinwaffen, Munition und diesbezüglicher Technologie
und Herstellungsanlagen in Staaten außerhalb der NATO, EU oder diesen
gleichgestellten Staaten grundsätzlich zu verbieten, bei Altverträgen und Er-
satzteillieferungen jede Anfrage wie eine Neuanfrage zu prüfen und auch
gegenüber Bündnispartnern dafür zu sorgen, dass die deutschen (Zu-)Liefe-
rungen nicht reexportiert werden und freigesetzte Überschusswaffen ver-
nichtet werden;

5. die Ausfuhr von Schusswaffen zur „zivilen Selbstverteidigung“ sowie Jagd-
und Sportwaffen schärfer zu kontrollieren und nur an solche Staaten zu ge-
nehmigen, die über strenge Waffenkontrollvorschriften (u. a. für Aufbewah-
rung, Führung, Weitergabe, Einsatz) verfügen und bei denen nicht die Ge-
fahr besteht, dass sie zu kriminellen Handlungen missbraucht werden;

6. die Transparenz und Möglichkeiten der parlamentarischen Kontrolle im Be-
reich der Kleinwaffen- und Rüstungsexportpolitik weiter zu verbessern, den
Deutschen Bundestag im Vorfeld von beabsichtigten signifikanten Exporten,
insbesondere in Drittstaaten, in geeigneter Weise zu konsultieren und dabei
darzulegen, warum die Bundesregierung der Auffassung ist, dass eine Ge-
nehmigung nach den Politischen Grundsätzen für den Rüstungsexport, ein-
schließlich des EU-Verhaltenskodex, zulässig und verantwortbar ist;
7. das UN-Protokoll über Feuerwaffen umgehend zu ratifizieren und andere
Staaten zur raschen Ratifizierung und Umsetzung zu bewegen;

Drucksache 16/1967 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

8. Maßnahmen zu unterstützen, die die Einhaltung von Waffenembargos und
Sanktionierung von Embargoverstößen verbessern;

9. sich für eine Expertengruppe zur Waffenvermittlung (Brokering) einzuset-
zen, diese aktiv zu unterstützen und sich an der Ausarbeitung einer interna-
tionalen Regelung zur Kontrolle der Waffenvermittlung zu beteiligen;

10. bilateral und im Rahmen der EU und NATO dazu beizutragen, dass alle
Mitgliedstaaten

● eine restriktive und aus menschenrechtlicher Perspektive verantwort-
bare Rüstungsexportpolitik betreiben,

● überschüssige Waffen und Munition vernichten,

● Waffen und Munition nicht an nichtstaatliche bewaffnete Gruppen und
nur an zuverlässige staatliche Endempfänger weitergeben,

● ihre rechtlichen, personellen und infrastrukturellen Fähigkeiten zur
effektiven Kontrolle von Waffentransfers weiter verbessern;

11. die deutsche EU- und G8-Präsidentschaft zu nutzen, um abrüstungs- und
rüstungskontrollpolitische Initiativen und deren Implementierung, auch im
Kleinwaffenbereich, voranzutreiben;

12. die OSZE dabei zu unterstützen, ihre materiellen und personellen Kapazi-
täten für die Fortführung ihrer erfolgreichen Arbeit im Bereich der Klein-
waffenkontrolle zu verbessern;

13. andere Staaten bei der Umsetzung eingegangener internationaler Verpflich-
tungen im Bereich der Kleinwaffenkontrolle finanziell, materiell und per-
sonell zu unterstützen;

14. bi- und international dazu beizutragen, dass die komplexen Ursachen für
die Nachfrage nach Schusswaffen und deren Missbrauch in den jeweiligen
Gesellschaften, Staaten und Regionen verstärkt in den Blickpunkt genom-
men und beseitigt werden, und dabei vermehrt Projekte der bi- und multila-
teralen Entwicklungszusammenarbeit zu fördern, mit denen den Opfern ge-
holfen, die Ursachen für schädlichen Kleinwaffengebrauch bekämpft,
Bestände an Kleinwaffen vermindert und das Bewusstsein über die Proble-
matik von Kleinwaffen gestärkt werden soll;

15. vor dem Hintergrund des untrennbaren Zusammenhangs von Frieden,
Sicherheit und Entwicklung die im „Aktionsplan Zivile Krisenprävention,
Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ der Bundesregierung aufge-
führten nationalen und internationalen Strategien und Instrumente u. a. im
Bereich

● der Armutsbekämpfung,

● der Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Kindersolda-
ten und ehemaligen Soldaten,

● der Sicherheitssektor-Reform,

● der guten Regierungsführung,

● des Wiederaufbau,

● der Abrüstung und Rüstungs-(export-)kontrolle

weiter auszubauen und enger auf einander abzustimmen;

16. baldmöglichst Verhandlungen über ein völkerrechtlich bindendes internati-
onales Abkommen zu konventionellen Waffentransfers (ATT) zu unterstüt-
zen,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/1967

● das, in Anlehnung an den EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren,
klare und verbindliche Kriterien und Implementierungsverfahren ent-
hält, die u. a. verhindern, dass Waffentransfers zu Menschenrechtsver-
letzungen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit beitragen oder
regionale oder nationale Instabilität und bewaffnete Konflikte fördern,

● das bereits bestehende internationale Verpflichtungen im Zusammen-
hang mit Kriterien der Menschenrechte und internationalen humanitären
Rechts kodifiziert und

● das die Empfehlungen internationaler Menschenrechts- und Entwick-
lungshilfeorganisationen mit berücksichtigt;

17. national und international der Kontrolle von international agierenden be-
waffneten privaten Militär- und Sicherheitsdienstleistern mehr Aufmerk-
samkeit zu schenken und hierfür national und international Regelungen zu
schaffen, die gewährleisten, dass die Unternehmen und Beteiligten sich
überprüfbar an das Völkerrecht und nationale Rechtsbestimmungen halten
und im Falle eines Verstoßes zur Rechenschaft gezogen werden;

18. weiterhin national und international zivilgesellschaftliche Organisationen,
die sich für Kleinwaffenkontrolle und gegen Kleinwaffenmissbrauch ein-
setzen, zu unterstützen und an der Umsetzung und Weiterentwicklung von
Programmen zur Exportkontrolle und Entwaffnung zu beteiligen.

Berlin, den 28. Juni 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.