BT-Drucksache 16/1823

Auswirkungen des Vorhabens Bürokratieabbau und Normenkontrollrat auf soziale und ökologische Standards

Vom 14. Juni 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1823
16. Wahlperiode 14. 06. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer,
Dr. Herbert Schui, Werner Dreibus, Dr. Axel Troost, Kornelia Möller
und der Fraktion DIE LINKE.

Auswirkungen des Vorhabens Bürokratieabbau und Normenkontrollrat
auf soziale und ökologische Standards

Die Bundesregierung will den „Bürokratieabbau“ zu einem zentralen Thema
ihrer Wirtschaftspolitik machen. Die Koalitionsfraktionen haben deshalb be-
schlossen einen so genannten Normenkontrollrat einzurichten (Bundestags-
drucksache 16/1406). Der Normenkontrollrat soll Gesetze und Gesetzentwürfe
daraufhin untersuchen, welche Kosten Unternehmen durch Informationspflich-
ten entstehen. Als Vorbild dient ein Modell zur Messung von Bürokratiekosten
aus den Niederlanden. Analog zum Normenkontrollrat existiert dort ein ähnliches
Gremium (Actal).

Nach Aussage der Regierungskoalition soll der Normenkontrollrat den Zweck
der Gesetzentwürfe nicht hinterfragen (Bundestagsdrucksache 16/1406, Be-
gründung zu § 2). Dem entgegen äußerten in der Anhörung des Ausschusses
für Wirtschaft und Technologie zum Thema Bürokratieabbau am 29. Mai 2006
mehrere Sachverständige die Meinung, dass vom Normenkontrollrat auch eine
politische Einflussnahme zu erwarten sei. Der Deutsche Gewerkschaftsbund,
vertreten durch Dr. Christel Degen, zeigte sich besorgt, „dass hier möglicher-
weise Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgebaut werden,
beispielsweise zum Arbeitsschutz und Datenschutz, aber auch andere ökolo-
gisch-soziale Rechte. Wir haben auch noch einmal mit Kollegen aus den Nie-
derlanden gesprochen […] auch dort wurde diesbezüglich darauf hingewiesen,
dass es Probleme gegeben hat.“ Nach dem Sachverständigen Michael Schorn,
Institut für Wirtschafts- und Politikforschung, „hat jede Information auch ein
politisches Ziel. […] Die Frage, ob man den Normenkontrollrat dahin be-
schränken kann, dass er keinen politischen Einfluss nimmt, beantworte ich mit
nein. […] Denn mit jeder Messung, mit jeder Darstellung, Veröffentlichung am
Gesetzentwurf übt der Normenkontrollrat Druck auf die Politik aus.“ Es werde
nicht bei einer Optimierung von Informationspflichten bleiben, vielmehr werde
man, „schnell dahin kommen, dass man die Informationspflicht an sich über-
denken muss, weil auch die Optimierungen nicht unerschöpflich sind“. (Zitate
aus dem Wortprotokoll zur Anhörung).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung Informations- und Statistik-
pflichten von Unternehmen zu hinsichtlich der Schaffung von Transparenz,
für den Verbraucher- und Umweltschutz, für Antikorruptionsmaßnahmen,
für die Ermöglichung von wissenschaftlichen Analysen, für eine Weiter-

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entwicklung der Wirtschafts- und Sozialpolitik und anderer Politikfelder und
für eine effektive Durchsetzung der Einhaltung von Steuergesetzen?

2. Wie verhält sich die Bundesregierung zu den in der Vorbemerkung zitierten
Bedenken der Sachverständigen Dr. Christel Degen, der Normenkontrollrat
könne auch einen Abbau von sozialen und ökologischen Regelungen beför-
dern, und wie will sie dies verhindern?

3. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die in der Vor-
bemerkung zitierten Äußerungen des Sachverständigen Michael Schorn, der
Normenkontrollrat würde auch politischen Einfluss ausüben und es werde
nicht bei einer Optimierung der Informationspflichten bleiben, Informati-
onspflichten würden vielmehr auch ganz abgeschafft?

4. Warum hat die Bundesregierung, wenn sie nicht beabsichtigt, im Rahmen
des Bürokratieabbaus den Inhalt und Zweck von Gesetzen in Frage zu stel-
len, in das Gesetz zur Einrichtung eines nationalen Kontrollrates nicht einen
Passus aufgenommen, in dem ein Abbau sozial-ökologischer Standards aus-
geschlossen wird?

5. Wie wird die Bundesregierung verhindern, dass die vom Normenkontrollrat
veröffentlichten Zahlen und der dadurch entstehende Druck auf die Politik,
den auch der Sachverständige Michael Schorn erwähnt, dazu führen, dass
ökologisch oder sozial sinnvolle Regelungen nicht beschlossen werden?

6. Sind der Bundesregierung Fälle aus den Niederlanden bekannt, in denen die
Kontrolle des Actal dazu geführt hat, dass geplante ökologische oder soziale
Regelungen wegen angeblich zu hoher Bürokratiekosten nicht durchgesetzt
wurden, wenn ja, welche waren das?

7. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über die Kritik an der
Durchführung der ersten deutschen Bürokratiekostenmessung in der Mo-
dellregion Ostwestfalen-Lippe und wie bewertet sie den Umstand, dass dort
Gewerkschaften und Umweltverbände aus dem Verfahren ausgestiegen
sind?

8. Welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus für die von ihr geplanten Initia-
tiven zum Bürokratieabbau?

Berlin, den 12. Juni 2006

Sabine Zimmermann
Dr. Barbara Höll
Ulla Lötzer
Dr. Herbert Schui
Werner Dreibus
Dr. Axel Troost
Kornelia Möller
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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