BT-Drucksache 16/148

Probleme bei der Reisefreiheit für transsexuelle Bürgerinnen und Bürger

Vom 7. Dezember 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/148
16. Wahlperiode 07. 12. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Wolfgang Wieland, Volker Beck
(Köln), Monika Lazar, Silke Stokar von Neuforn, Hans-Christian Ströbele, Josef
Philip Winkler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Probleme bei der Reisefreiheit für transsexuelle Bürgerinnen und Bürger

Transsexuelle Bürgerinnen und Bürger beklagen, in ihrer Reisefreiheit zuneh-
mend eingeschränkt zu werden. Es handelt sich um Personen, die die „Kleine
Lösung“ nach dem Transsexuellengesetz in Anspruch genommen haben (Vor-
namensänderung ohne Änderung des Personenstandes) oder um Transsexuelle,
die trotz geschlechtsanpassender Operation mit Rücksicht auf eine bestehende
Ehe auf eine personenstandsrechtliche Geschlechtsänderung verzichten.

Der nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Passgesetz (PassG) vorgeschriebene Geschlechtsein-
trag im Reisepass steht bei diesem Personenkreis im Widerspruch zum Vorna-
men sowie in der Regel auch zum äußeren Erscheinungsbild. Damit können sich
massive Schwierigkeiten bei der Ein- und Ausreise ergeben sowie bei einer Viel-
zahl weiterer Gelegenheiten, bei denen man sich ausweisen muss, z. B. im Hotel
oder in einer Bank. Betroffene berichten von den aus der Passregelung resultie-
renden Schwierigkeiten, einen so intimen Sachverhalt wie Transsexualität bei
Auslandsreisen offenbaren und in der Regel auch noch in fremder Sprache er-
klären zu müssen. Sie müssen mit unkalkulierbaren Reaktionen rechnen, so bei-
spielsweise mit Anfeindungen und abfälligen Bemerkungen, übermäßigen und
entwürdigenden Kontrollen bei der Ein- und Ausreise (wie z. B. Leibesvisita-
tionen) oder gar mit der Ablehnung der Einreise wegen angeblich falscher
Papiere.

Betroffene Transsexuelle hatten sich in der Vergangenheit mit dem vorläufigen
Reisepass beholfen, da dieser keinen Geschlechtsvermerk vorsah. Nach § 4
Abs. 1 Satz 4 PassG in der Fassung des Terrorismusbekämpfungsgesetzes vom
9. Januar 2002 muss nun aber auch in vorläufigen maschinenlesbaren Reisepäs-
sen das Geschlecht vermerkt werden. Nur in nicht maschinenlesbaren vorläufi-
gen Reisepässen wurde weiterhin auf einen Geschlechtsvermerk verzichtet. Da-
mit können bis heute zumindest Reisen in Länder erfolgen, die bislang keinen
maschinenlesbaren Pass als Einreisedokument verlangen. Nach Artikel 4 § 3 der
Verordnung zur Reform pass- und personalausweisrechtlicher Vorschriften vom
3. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3274) können nicht maschinenlesbare vorläufige
Reisepässe ohne Geschlechtsvermerk aber nur noch bis zum 31. Dezember 2005

ausgestellt werden. Damit ist auch dieser Weg zukünftig versperrt.

Die Bundesregierung hat in der vergangenen Wahlperiode in Aussicht gestellt,
eine Lösung zu finden, die dem betroffenen Personenkreis transsexueller Bürge-
rinnen und Bürger eine Nutzung von maschinenlesbaren Reisepässen ohne Dis-
kriminierungsgefahr ermöglicht.

Drucksache 16/148 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Zudem wird seit langem eine Reform des Transsexuellengesetzes diskutiert,
über die die beschriebenen passrechtlichen Probleme grundlegend gelöst wer-
den könnten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die bestehenden passrecht-
lichen Regelungen die Reisefreiheit transsexueller Bürgerinnen und Bürger,
deren Vornamen nach § 1 Transsexuellengesetz geändert worden sind, emp-
findlich einschränken?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der genannte Personenkreis
die gleichen Möglichkeiten zu Auslandsreisen ohne Diskriminierungsgefahr
erhalten muss wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger?

3. Beabsichtigt die Bundesregierung weiterhin, eine Lösung zu finden, die dem
genannten Personenkreis eine Nutzung maschinenlesbarer Reisepässe ohne
Diskriminierungsgefahr ermöglicht, und wann ist mit der Umsetzung dieser
Maßnahme zu rechnen?

4. Will die Bundesregierung dem Vorschlag von Betroffenenverbänden folgen,
in den Pässen von Personen, die eine Vornamensänderung nach § 1 Trans-
sexuellengesetz vorgenommen haben, das dem neuen Vornamen entspre-
chende Geschlecht anzugeben?

5. Ist eine Verlängerung der Übergangsfrist für die Ausgabe vorläufiger, nicht
maschinenlesbarer Reisepässe ohne Geschlechtseintrag über den 31. Dezem-
ber 2005 hinaus vorgesehen?

Wenn nein, wie will die Bundesregierung – für den Fall, dass zum 1. Januar
2006 noch keine dauerhafte Lösung umgesetzt ist – ab diesem Zeitpunkt
sicherstellen, dass der genannte Personenkreis in seinen Reisemöglichkeiten
nicht noch weiter einschränkt wird?

6. Beabsichtigt die Bundesregierung, in der 16. Wahlperiode einen Gesetzent-
wurf zu einer von Betroffenen- und Bürgerrechtsverbänden seit langem ge-
forderten Reform des Transsexuellengesetzes in den Deutschen Bundestag
einzubringen?

Wenn ja, wann ist mit der Vorlage eines solchen Gesetzentwurfs zu rechnen?

Wenn nein, welche Gründe halten die Bundesregierung von einem solchen
Vorhaben ab?

Berlin, den 6. Dezember 2005

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
Kleine Anfrage
Probleme bei der Reisefreiheit für transsexuelle Bürgerinnen und Bürger

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