BT-Drucksache 16/1477

Finanzierungslücke der Gesetzlichen Krankenversicherung ab dem 1. Januar 2007

Vom 10. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1477
16. Wahlperiode 10. 05. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Spieth, Dr. Martina Bunge, Inge Höger-Neuling,
Klaus Ernst, Dr. Ilja Seifert, Karin Binder, Monika Knoche, Katja Kipping,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Finanzierungslücke der Gesetzlichen Krankenversicherung ab dem
1. Januar 2007

Die Gesetzliche Krankenversicherung hat folgende Einnahmeverluste hinneh-
men müssen:

● Absenkung der Krankenversicherungsbeiträge Arbeitsloser,

● Umwandlung von bisherigen Mitgliedschaften in die Familienmitversiche-
rung,

● Einnahmeausfälle durch die Aufspaltung regulärer Beschäftigungsverhält-
nisse in so genannte Mini- und Midi-Jobs,

● stagnierende Arbeitseinkommen und Streichung von Weihnachts- und Ur-
laubsgeld,

● real sinkende Renten bei steigender Anzahl von Rentnerinnen und Rentner,

● den Wechsel von jährlich 200 000 Versicherten von der GKV in die PKV.

Hieraus resultieren erhebliche Mindereinnahmen, die nachweisbar eine Grö-
ßenordnung von mehr als 5 Mrd. Euro jährlich ausmachen. Die Einnahmeseite
verschlechtert sich auch insofern, weil immer weniger Beitragszahler für die
Kosten aufkommen müssen. Bereits in diesem Jahr, so die Angaben des RSA-
Schätzerkreises, werden Ausgabensteigerungen von 3,3 Prozent erwartet. Das
bereits würde zu einem Defizit von 3,3 Mrd. Euro führen.

Für das Jahr 2007 und die Folgejahre ist mit weiteren finanziellen Belastungen
zu rechnen. Dazu werden nach Berechnungen der Spitzenverbände der Kran-
kenkassen die folgenden Belastungen gezählt wie:

Mehrausgaben durch

● Elektronische Gesundheitskarte (400 Mio. Euro),

● Palliativmedizin (250 Mio. Euro),

● Mehrwertsteuer-Erhöhung (950 Mio. Euro),

● Strukturdynamik des Arzneimittelmarktes (1 Mrd. Euro),

● zusätzliche Ausgaben durch die Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie der EU
im Krankenhaus (2 Mrd. Euro).

Drucksache 16/1477 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Mindereinnahmen durch

● Streichung des Bundeszuschusses aus der Tabaksteuer für versicherungs-
fremde Leistungen (minus 2,7 Mrd. Euro in 2007 und 4,2 Mrd. Euro ab
2008),

● zusätzliche Absenkung der Krankenversicherungsbeitragspauschale für Ar-
beitslosengeld-II-Empfänger von rd. 115 auf rd. 111 Euro sowie die Reduzie-
rung der Bezugsdauer von ALG I von 32 auf maximal 18 Monate.

Aus den oben genannten Einnahmeausfällen und den zusätzlichen Ausgaben
ergeben sich Mehrbelastungen für die GKV von zirka 7,4 Mrd. Euro im Jahr
2007. Hinzu kommen die Aufwendungen für den Abbau der GKV-Schulden,
der bis zum Jahr 2008 gesetzlich vorgeschrieben ist. Hierbei ist von mindestens
1 Mrd. Euro Altschulden aus dem Jahr 2005 und weiteren ca. 3,3 Mrd. Euro aus
dem Jahr 2006 auszugehen. Insgesamt beläuft sich damit die absehbare finan-
zielle Belastung für die GKV bis zum Jahr 2008 auf zirka 15 Mrd. Euro.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung unsere Auffassung, dass die hier dargestellten
Belastungen der GKV sich im kommenden Jahr auf über 15 Mrd. Euro
belaufen werden?

2. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um diese Lücke von 15 Mrd. Euro zu
schließen?

a) Wird die Bundesregierung die Praxisgebühr erhöhen?

b) Sollen weitere Leistungen aus dem Leistungskatalog gestrichen werden?

c) Sind Änderungen und Erhöhungen der Zuzahlungsregelung geplant?

d) Werden die Versicherten mit einer weiteren Erhöhung des Sonderbeitrags
belastet?

3. Beabsichtigt die Bundesregierung ein Vorschaltgesetz zu verabschieden, um
die drohende Finanzmisere der GKV abzuwenden?

4. Welche Strukturelemente wird die angekündigte Gesundheitsreform be-
inhalten, die den hier beschriebenen Kosten entgegenwirken?

Berlin, den 9. Mai 2006

Frank Spieth
Dr. Martina Bunge
Inge Höger-Neuling
Klaus Ernst
Dr. Ilja Seifert
Karin Binder
Monika Knoche
Katja Kipping
Jörn Wunderlich
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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