BT-Drucksache 16/14056

Humanitäre Situation in Sri Lanka

Vom 14. September 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/14056
16. Wahlperiode 14. 09. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Alexander
Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Winfried
Nachtwei, Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin,
Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Undine Kurth (Quedlinburg) und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Humanitäre Situation in Sri Lanka

Die rund 26 Jahre währenden bewaffneten Auseinandersetzungen in Sri Lanka
zwischen den „Befreiungstigern von Tamil Eelam“ (LTTE) und der Regierung,
die bis zu 100 000 Opfer gefordert hat, sind vor wenigen Monaten zu einem
vorläufigen Ende gekommen. Schätzungsweise rund 300 000 Binnenflücht-
linge – darunter laut Amnesty International rund 50 000 Kinder – leben jetzt in
Lagern unter meist katastrophalen humanitären Bedingungen. Diesen Men-
schen aus den früher von der LTTE kontrollierten Gebieten fehlt es an elemen-
tarer Grundversorgung. Nach Berichten zahlreicher Hilfsorganisationen gibt es
weder angemessenen Schutz vor Übergriffen, noch Nahrung, medizinische Ver-
sorgung oder Zugang zu Hygieneeinrichtungen. Die Lager und ihre Insassen
werden von der Armee streng kontrolliert und oft gegen ihren Willen, sowie
unter Verstoß gegen nationales und internationales Recht festgehalten. Hilfs-
organisationen werden in ihrer Arbeit vor Ort massiv behindert. Für auslän-
dische und einheimische Journalistinnen und Journalisten ist eine unabhängige
Berichterstattung nahezu unmöglich, da sie sich nicht frei in den Lagern be-
wegen können und unter Druck gesetzt werden. Die Regierung Sri Lankas be-
gründet dieses repressive Vorgehen damit, dass sich in den Lagern noch mög-
liche Unterstützer der LTTE befinden könnten, und stellt damit rund 300 000
Menschen unter Generalverdacht.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie schätzt die Bundesregierung die humanitäre und menschenrechtliche
Lage in Sri Lanka nach dem Ende des Krieges zwischen Regierungstruppen
und LTTE insgesamt ein?

2. Was unternimmt die Bundesregierung, um die dramatische humanitäre Situ-
ation der Inlandsflüchtlinge zu verbessern und einen nachhaltigen Friedens-
prozess zu unterstützen,

a) in den bilateralen Beziehungen zu Sri Lanka,

b) im Rahmen der Europäischen Union,

c) in Kooperation mit Nicht-EU-Staaten,

d) in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und Nichtregierungs-
organisationen?

Drucksache 16/14056 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Was unternimmt die Bundesregierung, um die Regierung Sri Lankas zu
drängen, mit den Staaten und Organisationen, die bei der Verbesserung der
humanitären Situation in Sri Lanka helfen wollen, zu kooperieren?

Welche Erfolge sind bisher vorzuweisen?

4. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung, bilateral wie im Rahmen
der internationalen Staatengemeinschaft, unternommen, um die Regierung
Sri Lankas dazu zu bewegen, Zugang zu einer medizinischen und hygieni-
schen Grundversorgung, Zugang zu ausreichend Nahrungsmitteln und sau-
berem Wasser, die Vorbereitung einer sicheren und zeitgerechten Rückkehr
in die Heimatregionen der Vertriebenen sowie die Gewährung der Bewe-
gungsfreiheit für die Flüchtlinge in Sri Lanka zu gewährleisten?

5. Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung, bilateral wie im Rahmen
der internationalen Staatengemeinschaft, unternommen, um der Regierung
Sri Lankas unmissverständlich klarzumachen, dass für die Behandlung der
Menschen in den Flüchtlingslagern internationale Mindeststandards gelten
müssen – auch und besonders bezüglich Minderheitenschutz und Aufrecht-
erhaltung humanitärer sowie rechtsstaatlicher Grundsätze?

6. Wie ist die Haltung der Bundesregierung hinsichtlich der Beschränkung
der Pressefreiheit in Sri Lanka, und was tut sie konkret um gegenüber der
Regierung die Bedeutung einer uneingeschränkten Berichterstattung zu
verdeutlichen?

7. Wie setzt sich die Bundesregierung für die bedingungslose Freilassung des
Reporters Jayaprakash Sittampalam Tissainayagam ein?

8. Wie setzt sich die Bundesregierung für die bedingungslose Freilassung des
Arztes Dr. S. Sivapalan ein, der laut Amnesty International auf Grundlage
einer Notstandsverordnung verhaftet wurde, mit dem Hinweis er habe aus-
ländischen Journalisten „falsche Informationen“ gegeben?

9. Wie beurteilt die Bundesregierung den Schutz der Menschenrechte Homo-
sexueller in Sri Lanka?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung den Schutz der Religions- und Glau-
bensfreiheit in Sri Lanka und die Lage religiöser Minderheiten?

11. Was sind die Vorstellungen und Konzepte der Bundesregierungen für eine
nachhaltige Friedensordnung in Sri Lanka, die eine intensive Aufklärung
der Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Auseinandersetzungen zwi-
schen Regierung und LTTE in den vergangenen Jahrzehnten mit ein-
schließt?

12. In welcher Weise und in welchem Umfang hat sich die Bundesregierung in
der Vergangenheit und aktuell an die Regierungen Chinas, Indiens, Pakis-
tans, Russlands und Japans gewendet, um sie zu einer Unterstützung der
Waffenstillstandsforderung und zu einer Mitwirkung bei der Verhandlung
eines Friedensprozesses aufzufordern?

13. In welcher Form fordert die Bundesregierung die Regierung Sri Lankas
dazu auf, die Rechte der Flüchtlinge zu respektieren, deren Verlassen der
Lager zuzulassen, die Familienzusammenführung zu ermöglichen, Beob-
achterinnen und Beobachtern und Hilfsorganisationen freien Zugang zu
gewähren und einen klaren Zeitplan zur Schließung der Lager und zur
Wiederansiedlung der Flüchtlinge vorzulegen?

14. In welcher Weise und in welchem Umfang hat die Bundesregierung die
Finanzströme der in Deutschland tätigen tamilischen Hilfsorganisationen
im Hinblick auf Waffengeschäfte überprüft?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/14056

15. Wie hoch ist die Summe der bisher von der Bundesregierung bereitgestell-
ten Finanzmittel zur Verbesserung der humanitären Situation, und in wel-
chem Unfang ist geplant weitere Gelder bereitzustellen?

16. Wird in der Bundesregierung in Erwägung gezogen, die unterbrochene
bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zeitnah wieder aufzunehmen und
liegen der Bundesregierung Informationen vor, wie andere europäische
Geber im Falle Sri Lankas aktuell und in naher Zukunft vorgehen?

17. Inwieweit wird die Bundesregierung in Zukunft ihr Abstimmungsverhalten
über künftige Unterstützungsleistungen (Kredite, Wiederaufbauhilfen) für
Sri Lanka, beispielsweise in Verhandlungen des Internationalen Wäh-
rungsfond, der Weltbank und der Asiatischen Entwicklungsbank, an be-
stimmten Kriterien hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte bzw.
der Verbesserung der Menschenrechtssituation orientieren?

18. Hat die Bundesregierung im Juli dieses Jahres der Vergabe eines 2,6 Mrd.
US-Dollar-Kredits des Internationalen Währungsfonds an Sri Lanka zuge-
stimmt?

19. Welche Bedingungen sind mit der Vergabe des Kredits des Internationalen
Währungsfonds verbunden, und bestehen dabei auch Verpflichtungen zur
Verbesserung der Menschenrechtssituation und der allgemeinen Entwick-
lung in den besonders vom Bürgerkrieg betroffenen Teilen Sri Lankas?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung den Bericht der Europäischen Kommis-
sion über die Überprüfung der Handelspräferenzen (GSP Plus) für Sri
Lanka, der laut Economist (3. September) zu dem Ergebnis kommt, dass
Sri Lanka Zusagen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation nicht
eingehalten hat und damit zukünftig nicht mehr von den entsprechenden
Handelspräferenzen profitieren sollte?

21. Welche Position wird die Bundesregierung bei der Abstimmung über die
Fortsetzung oder Aufhebung der Präferenzen (GPS Plus) für Sri Lanka be-
ziehen, und wann wird diese Entscheidung getroffen?

22. Inwiefern setzt sich die Bundesregierung für ein politisches Mitsprache-
recht der Volksgruppe der Tamilen in Sri Lanka ein?

Berlin, den 14. September 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.