BT-Drucksache 16/13487

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/12596, 16/13424- Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze

Vom 17. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13487
16. Wahlperiode 17. 06. 2009

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky,
Dr. Martina Bunge, Diana Golze, Katja Kipping, Elke Reinke, Dr. Ilja Seifert,
Frank Spieth, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/12596, 16/13424 –

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches
Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung schafft mit dem vorgelegten Gesetzentwurf eine er-
weiterte Rentenschutzklausel und verhindert damit, dass die Bruttorenten auf-
grund einer negativen Lohnentwicklung sinken. An dem tatsächlichen Problem
in der Alterssicherung geht diese Maßnahme jedoch vorbei. Die Bundesregie-
rung verschweigt, dass die so genannte Rentengarantie von den Rentnerinnen
und Rentnern in den kommenden Jahren zurück gezahlt werden muss, da die
jährlichen Rentenanpassungen dann halbiert werden. Auch lenkt sie davon ab,
dass ein dramatisches Absinken des Rentenniveaus in den kommenden Jahren
längst beschlossene Sache ist und an diesem Sachverhalt nichts geändert wer-
den soll.

Seit 2001 hat die Bundesregierung in wechselnder Zusammensetzung eine mas-
sive Senkung des Rentenniveaus durch die Einführung verschiedener Dämp-
fungsfaktoren (Riester-, Nachhaltigkeits- und Nachholfaktor) beschlossen. Das
Prinzip der Teilhabeäquivalenz – die gleichgewichtige Entwicklung von
Löhnen und Renten – ist aufgegeben worden. Seitdem gab es lediglich Mini-
Anpassungen bei der Rente oder sogar Nullrunden wie in den Jahren 2004 bis
2006. Bereits heute müsste der Rentenwert um ca. 3,5 Prozent angehoben wer-
den, um das Leistungsniveau von 2000 wieder herzustellen. In den nächsten
Jahren drohen auf Grund der Dämpfungsfaktoren zahlreiche weitere Null-
runden und damit schwere Realverluste für die Rentnerinnen und Rentner.

Durch das weitere Absenken des Rentenniveaus werden in einigen Jahren selbst
langjährig versicherte Durchschnittsverdienende kaum mehr Rentenansprüche
oberhalb des Grundsicherungsniveaus erlangen können. Die derzeitige Krise
verschärft das Problem. Da die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigten ebenso sinkt wie die Summe der Bruttolöhne, wird die Rente krisen-
bedingt geringer steigen – wenn es überhaupt noch Zuwächse gibt. Unmittel-

Drucksache 16/13487 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

bares Handeln ist notwendig, um zu verhindern, dass Altersarmut wieder zu
einem Massenphänomen wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

die Dämpfungsfaktoren in der Rentenformel abzuschaffen, um dem Prinzip der
Teilhabeäquivalenz wieder gesetzliche Geltung zu verschaffen. Löhne und
Renten müssen wieder gleichgewichtig steigen.

Berlin, den 17. Juni 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Begründung

Die Einführung verschiedener Dämpfungsfaktoren (Riester-, Nachhaltigkeits-
und Nachholfaktor) in die Rentenformel führt dazu, dass das Rentenniveau
langfristig dramatisch sinkt. Das Ziel der Lebensstandardsicherung durch die
gesetzliche Rentenversicherung ist ebenso aufgegeben worden wie das Prinzip,
dass die Beitragssätze dem Leistungsziel folgen müssen. Nunmehr gilt die
Beitragssatzstabilität als oberstes Dogma. Die Beitragssätze werden politisch
willkürlich begrenzt. Nach der neoliberalen Logik der Regierung müssen daher
die Leistungen reduziert werden. Entlastet werden dadurch die Arbeitgeberin-
nen und Arbeitgeber, denn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen den
Leistungsverlust aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch private Vor-
sorge kompensieren.

Die logische Folge der Dämpfungen ist ein dramatisch sinkendes Rentenniveau
und eine Abkopplung der Rentnerinnen und Rentner vom wachsenden Wohl-
stand der Gesellschaft. Seit 2001 ist die Kaufkraft der Rentnerinnen und
Rentner bereits um mindestens 8,5 Prozent gesunken – so die VdK-Präsidentin
Ulrike Mascher. Auch künftig werde es nach Auffassung des Vorsitzenden des
Sozialbeirats, Franz Ruland, für mehrere Jahre „Nullrunden oder nur sehr ge-
ringe Rentenerhöhungen geben.“ Langfristig bedeutet die Senkung des Renten-
niveaus, dass selbst langjährig versicherte Durchschnittsverdienende kaum
Leistungen erwerben können, die oberhalb des Grundsicherungsniveaus liegen.
Ein Großteil der langjährigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler wird für
die Existenzsicherung auf die Sozialhilfe verwiesen. Altersarmut als Massen-
phänomen ist vorprogrammiert.

Die Aufgabe des Prinzips der Teilhabeäquivalenz untergräbt damit die Legiti-
mation der gesetzlichen Rentenversicherung, weil der Beitragszahlung keine
entsprechende Gegenleistung folgt. Um den Menschen wieder Vertrauen in die
langfristige Verlässlichkeit ihrer Alterssicherung zu geben und die Rentenver-
sicherung als Institution langfristig zu sichern, muss ein Lebensstandard
sicherndes Leistungsniveau wieder ins Zentrum der gesetzlichen Alterssiche-
rungspolitik gestellt werden. Das Prinzip der Teilhabeäquivalenz ist deshalb
wieder gesetzlich zu verankern. Die gleichgewichtige Entwicklung von Löhnen
und Renten ist zu garantieren. Dazu müssen die Dämpfungsfaktoren – die auf
eine Absenkung des Rentenniveaus abzielen – und das Beitragssatzdogma ab-
geschafft werden.

Eine solche Politik der Lebensstandardsicherung liegt auch und gerade im
Interesse der jüngeren Menschen. Private Vorsorge ist – wie die aktuelle Krise

zeigt – außerordentlich krisenanfällig. Außerdem ist die Aussage des Deut-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13487

schen Gewerkschaftsbundes völlig richtig: Jeder Griff in die Taschen der heu-
tigen Rentnerinnen und Rentner bedeutet ein geringeres Rentenniveau für die
zukünftigen Renten der jüngeren Menschen.

Ein langfristig verlässliches und gutes Rentenversicherungssystem – das for-
dern die Menschen, die Gewerkschaften und die Sozial- und Wohlfahrts-
verbände. Die Bundesregierung ist aufgefordert endlich zu handeln.

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