BT-Drucksache 16/13439

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Priska Hinz (Herborn), Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/11604- Biopatentrecht verbessern - Patentierung von Pflanzen, Tieren und biologischen Züchtungsverfahren verhindern

Vom 17. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13439
16. Wahlperiode 17. 06. 2009

Beschlussempfehlung und Bericht
des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Priska Hinz (Herborn), Jerzy
Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/11604 –

Biopatentrecht verbessern – Patentierung von Pflanzen, Tieren und biologischen
Züchtungsverfahren verhindern

A. Problem

Die Antragsteller fordern den Deutschen Bundestag auf festzustellen, dass ein
modernes Biopatentrecht für einen angemessenen Ausgleich zwischen den Inte-
ressen des Erfinders am Schutz einer Erfindung und denen der Allgemeinheit
sorgen müsse. Sie weisen darauf hin, dass die Richtlinie 98/44/EG (Biopatent-
richtlinie) 1998 nach langen und schwierigen Verhandlungen in der Euro-
päischen Union verabschiedet worden und wichtiges Ziel gewesen sei, Schutz-
regelungen vor zu weitreichenden Patentansprüchen auf Lebewesen und
biologische Züchtungsverfahren einzuziehen. Diesem Anspruch werde die Bio-
patentrichtlinie nicht gerecht.

Die zentralen Bestimmungen der Richtlinie seien 1999 durch Beschluss des Ver-
waltungsrats der Europäischen Patentorganisation in die Ausführungsanord-
nung zum Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) übernommen worden.
Infolgedessen erteile das Europäische Patentamt (EPA) seine Patente seitdem auf
der Basis der Biopatentrichtlinie. Die Vielzahl der strittigen Patenterteilungen,
die sich in entsprechenden Einsprüchen, Einspruchsbeschwerden und nationalen
Nichtigkeitsklagen widerspiegele, mache aber deutlich, dass ein dringender
regulatorischer Handlungsbedarf bestehe und es nicht ausreiche, auf eine Selbst-
regulierung durch das EPA zu vertrauen. Vielmehr müssten die Biopatentricht-
linie verbessert und die Interpretationslücken, auf deren Basis das EPA strittige
Biopatente wie zum Beispiel auf biologische Züchtungsverfahren oder embryo-
nale Stammzellen erteilt habe, geschlossen werden.

Über den Rechtsrahmen der Europäischen Union hinaus müsse auch bei inter-

nationalen Verträgen und Rahmenrichtlinien wie zum Beispiel der Biodiversi-
tätskonvention (CBD) und dem WTO-TRIPS-Abkommen ein Gleichgewicht
zwischen den Interessen der Entwicklungs- und Industrieländer im Umgang mit
genetischen Ressourcen hergestellt werden. Es müsse sichergestellt werden,
dass die Interessen dieser Länder an einer Nutzung ihrer genetischen Ressour-
cen nicht übergangen würden. So seien z. B. auf der CBD-Vertragsstaatenkon-
ferenz im April 2002 die „Bonner Leitlinien über den Zugang zu genetischen

Drucksache 16/13439 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Ressourcen und die gerechte und ausgewogene Beteiligung an den Vorteilen aus
ihrer Nutzung“ verabschiedet worden, in denen die Vertragsparteien aufgefor-
dert werden, „Maßnahmen zu erwägen, die dazu ermutigen, das Ursprungsland
der genetischen Ressourcen und der traditionellen Kenntnisse, Innovationen und
Gebräuche eingeborener und ortsansässiger Gemeinschaften in Antragsverfah-
ren für geistige Eigentumsrechte offenzulegen“. Hierzu gehöre unter anderem
auch, im internationalen Patentrecht wie im Abkommen über handelsbezogene
Aspekte geistiger Eigentumsrechte (TRIPS-Abkommen) eine verpflichtende
Herkunftsangabe von verwendeten biologischen Ressourcen zu verankern. Wei-
terhin müsse im Patentrecht bei der Verwendung menschlicher Gene, Zellen oder
Organe ein effektiver Schutz des Persönlichkeitsrechts gewährleistet werden.

Die Antragsteller fordern den Deutschen Bundestag auf zu begrüßen,

● dass Deutschland 2004 bei der nationalen Umsetzung der Biopatentrichtlinie
im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten Einschränkungen vorgenommen
hat (siehe Drucksachen 15/1719, 15/4417 sowie 15/2657) – unter anderem
hinsichtlich der Einschränkung des Stoffschutzes bei menschlichen Gen-
sequenzen und im Bereich der Landwirtschaft. So hat nach nationalem Recht
der Landwirt das Recht, auch patentiertes Erntegut mit besonderen Eigen-
schaften zurückzubehalten und für die Wiederaussaat im eigenen Betrieb zu
verwenden. Zudem werden Landwirte im Falle einer zufälligen Verunreini-
gung ihres Saatguts, z. B. durch Pollenflug vom Nachbaracker, vor patent-
rechtlichen Ansprüchen geschützt. Weiterhin ist das Forschungsprivileg für
Züchter ausgeweitet worden (Züchterprivileg);

● dass auch bei der EU-Kommission das Bewusstsein für kritische Fragen der
Patentierung von biologischem Material wächst. Dies ist den Berichten der
EU-Kommission über die Entwicklung und die Auswirkungen des Patent-
rechts im Bereich der Bio- und Gentechnologie zu entnehmen, die sie im Rah-
men der Berichtspflicht entsprechend dem Artikel 16 der Biopatentrichtlinie
(98/44/EG) bisher vorgelegt hat (Kommissionsberichte KOM(2002) 545 und
KOM(2005) 312). So stellte die EU-Kommission bereits in ihrem letzten
Bericht zur Biopatentrichtlinie (KOM(2005) 312) fest, dass es sowohl in wirt-
schaftlicher Hinsicht als auch unter ethischen Aspekten neue Argumente gibt,
die bei der Erteilung von Patenten im Bereich der Biotechnologie und Gen-
technik zu beachten sind;

● dass auch das Europäische Parlament am 26. Oktober 2005 eine Entschlie-
ßung zu Patenten für biotechnologische Erfindungen (P6_TA-PROV
(2005)0407) gefasst hat und darin unter anderem verlangt, dass Patente auf
menschliche Gensequenzen nur in Verbindung mit einer konkreten Anwen-
dung erteilt werden dürfen und die EU-Kommission aufgefordert wird, beim
Patentrecht für biotechnologische Erfindungen die ethischen Aspekte und die
möglichen Folgen für die Zugänglichkeit und Erschwinglichkeit gesundheit-
licher Versorgung und die Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen;

● dass auch der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirt-
schaft und Technologie in einer Stellungnahme vom 24. März 2007 zum
Thema „Patentschutz und Innovation“ unter anderem darauf hinweist, dass
die Kontrollsysteme des EPA nur unzureichend funktionieren und darum ver-
bessert werden müssten, dass die „Entzifferung“ von Gensequenzen gesamt-
wirtschaftlich nur von geringem Interesse sei, wohingegen ihre Verwendung
in neuen Medikamenten großen wirtschaftlichen Nutzen stiften könne und
darum vor einem zu starken Patentschutz, der letztlich Innovationen behin-
dert, warnt;

● dass nach einer Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäi-
schen Patentamtes im November 2008 menschliche Stammzellen, die mittels

Zerstörung menschlicher Embryonen gewonnen werden, nicht patentierbar
sind.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13439

Der Deutsche Bundestag solle die Bundesregierung auffordern,

● sich auf europäischer Ebene für eine Verbesserung der Biopatentrichtlinie
98/44/EG einzusetzen, so dass insbesondere

1. Patente auf Gene nur in Verbindung mit einer konkreten Anwendung
erteilt werden können und der Geltungsbereich der Patente auf diese kon-
krete Anwendung begrenzt wird, so dass andere Anwender die gleiche
DNA-Sequenz für andere Anwendungen nutzen und patentieren lassen
können (zweckgebundener Schutz);

2. Interpretationsspielräume hinsichtlich der Patentierbarkeit von biolo-
gischen Verfahren geschlossen werden; so muss u. a. klargestellt werden,
dass auf Verfahren, die auf natürlichen Phänomenen wie Kreuzung und
Selektion basieren, keine Patente erteilt werden dürfen – und zwar auch
dann, wenn die Verfahren zwar nicht vollständig aber im Wesentlichen auf
Kreuzung und Selektion basieren. Weiterhin muss ausgeschlossen wer-
den, dass sich der Schutzbereich von Züchtungsverfahren auf die Verfah-
rensprodukte erstreckt;

3. Patente auf Pflanzen und Tiere nicht erteilt werden können;

● sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die EU-Kommission im
Rahmen ihrer jährlichen Berichtspflicht die Entwicklungen von Patenten im
Bereich der Biotechnologie, die ethischen Aspekte sowie die Folgen für die
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit und die Folgen für die Zugänglich-
keit und Erschwinglichkeit gesundheitlicher Versorgung berücksichtigt;

● sich bei der EU-Kommission dafür einzusetzen, dass diese die in ihrem ersten
Bericht nach Artikel 16c der Biopatentrichtlinie (KOM(2002) 545) angekün-
digte Expertengruppe für die ethischen Fragen im Rahmen der Biopatent-
richtlinie einrichtet;

● sich dafür einzusetzen, dass das Europäische Patentübereinkommen darauf-
hin überprüft wird, wie die Kontrollmöglichkeit und Transparenz beim EPA
verbessert sowie eine kontinuierliche, institutionelle und unabhängige bio-
ethische Beratung des EPA sichergestellt werden kann;

● einen Bericht über die Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Bio-
technologie vorzulegen, u. a. inwiefern die ausreichende Technizität bei
Biopatenten überprüft und sichergestellt wurde, welche Auswirkungen Bio-
patente im Bereich der Pflanzen- und Tierzüchtung, hinsichtlich der Innova-
tionen im medizinischen Bereich sowie hinsichtlich ethischer Aspekte wie
zum Beispiel der Patentierung von embryonalen Stammzellen haben;

● sich bei allen internationalen Verhandlungen dafür einzusetzen, dass die ver-
schiedenen internationalen Verträge in den Bereichen biologische Vielfalt,
biologische Sicherheit und Schutz des geistigen Eigentums ein Verbot der
Patentierung von Pflanzen und Tieren umfassen.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.
D. Kosten

Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Drucksache 16/13439 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/11604 abzulehnen.

Berlin, den 17. Juni 2009

Der Rechtsausschuss

Andreas Schmidt (Mülheim)
Vorsitzender

Dr. Günter Krings
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Berichterstatterin

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter

II. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 16/11604
in seiner 108. Sitzung am 17. Juni 2009 beraten und
empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN deren Ab-
lehnung.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit hat die Vorlage auf Drucksache 16/11604 in seiner
93. Sitzung am 17. Juni 2009 beraten und empfiehlt mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP ge-
gen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. deren Ableh-
nung.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat die Vorlage auf Drucksache 16/11604 in
seiner 89. Sitzung am 17. Juni 2009 beraten und empfiehlt
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
deren Ablehnung.

Hinsichtlich der Ergebnisse der Anhörung wird auf das Pro-
tokoll der 140. Sitzung des Rechtsausschusses vom 11. Mai
2009 mit den anliegenden Stellungnahmen der Sachverstän-
digen verwiesen.

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage auf Drucksache
16/11604 abschließend in seiner 146. Sitzung am 17. Juni
2009 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Frak-
tion DIE LINKE. beschlossen, die Ablehnung zu empfehlen.

Bettina Locklair Kommissariat der Deutschen
Bischöfe, Berlin

Dr. Andreas Popp BASF-SE, Ludwigshafen

Dr. Christoph Then Scouting Biotechnology, Mün-
chen

Dr. Ruth Tippe Kein Patent auf Leben!, Mün-
chen

Dr. Doris Walter Deutsches Patent- und
Markenamt, Leiterin
Arbeitskreis Biotechnologie,
Leiterin Referat für Patent-
anwaltswesen, München

Berlin, den 17. Juni 2009

Dr. Günter Krings
Berichterstatter

Joachim Stünker
Berichterstatter

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Berichterstatterin

Wolfgang Neskovic
Berichterstatter

Jerzy Montag
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/13439

Bericht der Abgeordneten Dr. Günter Krings, Joachim Stünker, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Wolfgang Neskovic und Jerzy Montag

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/11604 in seiner 205. Sitzung am 12. Februar 2009 bera-
ten und an den Rechtsausschuss zur federführenden Bera-
tung sowie an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz, den Ausschuss für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit und an den Ausschuss für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitbe-
ratung überwiesen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnis
im federführenden Ausschuss

Der Rechtsausschuss hat die Vorlage in seiner 129. Sitzung
am 18. März 2009 beraten und beschlossen, zu dem Antrag
eine öffentliche Anhörung durchzuführen, die er in seiner
140. Sitzung am 11. Mai 2009 durchgeführt hat. An dieser
Anhörung haben folgende Sachverständige teilgenommen:

Prof. Dr. Fritz Dolder Universität Basel

Inken Lampe Rechtsanwältin, Deutscher
Bauernverband e. V., Berlin

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