BT-Drucksache 16/13409

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/12069, 16/13261- Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 3. September 2008 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über eine Feste Fehmarnbeltquerung

Vom 17. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13409
16. Wahlperiode 17. 06. 2009

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Lutz Heilmann, Dr. Gesine Lötzsch, Eva Bulling-Schröter,
Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Heidrun Bluhm, Roland Claus, Hans-Kurt Hill,
Katrin Kunert, Michael Leutert, Dorothee Menzner, Dr. Ilja Seifert, Dr. Kirsten
Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/12069, 16/13261 –

Entwurf eines Gesetzes
zu dem Vertrag vom 3. September 2008
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark
über eine Feste Fehmarnbeltquerung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Nach § 23 Absatz 4 des Vertrages vom 3. September 2008 zwischen der Bun-
desrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über eine Feste
Fehmarnbeltquerung werden „die Vertragsstaaten diesen Vertrag nach Maß-
gabe des jeweils geltenden innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten vor-
läufig anwenden“ und keinerlei Forderungen bezüglich getätigter Investitio-
nen gegenseitig geltend machen. Es gibt daher keine Notwendigkeit, eine
parlamentarische Entscheidung schon jetzt zu treffen.

2. Die Vorplanungen und Untersuchungen laufen unabhängig vom Vertrags-
gesetz. So läuft zurzeit von der dänischen Betreibergesellschaft ein Umwelt-
untersuchungsprogramm mit sieben Einzelvorhaben und Langzeitunter-
suchungen zur Schiffssicherheit. Zwei Ingenieur-Gemeinschaften unter-
suchen parallel die Umsetzung einer Schrägseilbrücke oder die Variante eines
Absenktunnels. Das Ergebnis soll frühestens 2011 vorliegen. Des Weiteren
müssen Umweltverträglichkeitsprüfungen und Planfeststellungsverfahren
durchgeführt werden. Das Dänische Folketing wird erst nach Abschluss
sämtlicher Planungen und Genehmigungen in Form eines Baugesetzes über
das Projekt entscheiden. Die einzige parlamentarische Mitbestimmung des

Deutschen Bundestages ist die Entscheidung über das Vertragsgesetz. Diese
sollte daher parallel zur Beratung des Baugesetzes im Dänischen Folketing
nach Abschluss des Prozesses erfolgen, denn beim heutigen Planungsstand
ist keine sachgerechte Entscheidung des Deutschen Bundestages über das
Projekt möglich.

3. Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht vom 30. April 2009 gemäß
§ 88 Absatz 2 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) über die feste Verbindung

Drucksache 16/13409 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

über den Fehmarnbelt mit Hinterlandanbindung erhebliche Unsicherheiten
für künftige Bundeshaushalte aufzeigt und empfiehlt angesichts der geringen
Verkehrsprognose, die Wirtschaftlichkeit des beabsichtigten Ausbaus kri-
tisch zu prüfen. Zentrale Planungsdetails zur Ermittlung der Haushaltsbelas-
tung, die wie die Grobplanung und Kostenermittlung des Trassenverlaufs der
schienenseitigen deutschen Hinterlandanbindung von der DB Netz, liegen
bisher noch nicht vor.

4. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Projektes beträgt nach einer aktuellen
Studie von Prof. Dr. Karl-Heinz Breitzmann, Geschäftsführender Direktor
des Ostseeinstituts für Marketing, Verkehr und Tourismus an der Universität
Rostock lediglich 1:0,65. Die Kosten liegen also über dem volkswirtschaft-
lichen Nutzen. Die Realisierung des Projektes würde zu einem Wohlstands-
verlust führen.

5. Das Projekt ist überdimensioniert. Angesichts der Tatsache, dass die Kapazi-
tät einer zweispurigen Schnellstraße üblicherweise mit rund 26 000 Kraft-
fahrzeugen (Kfz) pro Tag angesetzt wird, liegt die heutige Kapazitätsauslas-
tung auf den zweispurigen Schnellstraßenabschnitten der Fehmarnbeltroute
durch die Grundlast unter 20 Prozent und selbst durch die Spitzenlast immer
noch unter 50 Prozent. Die Grundlast des Kfz-Verkehrs auf der Fehmarnbelt-
route ist so gering, dass hierfür an Land nicht einmal eine zweispurige Orts-
umfahrungsstraße genehmigungs- und förderungswürdig wäre, wie in der
Stellungnahme des Sachverständigen Karlheinz Rößler von der VIEREGG-
RÖSSLER GmbH bei der Anhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung am 6. Mai 2009 zum Thema verdeutlicht wurde.

6. Gegen den Staatsvertrag liegt eine begründete Anzeige des „Aktionsbündnis-
ses gegen eine Feste Fehmarnbeltquerung“ bei der EU-Kommission vor, ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland und
das Königreich Dänemark zu prüfen, da es gegen das europäische Gemein-
schaftsrecht verstößt. Demnach hätte das Projekt nicht in einem bilateralen
Staatsvertrag einer dänischen Planungsgesellschaft erteilt, sondern europa-
weit ausgeschrieben werden müssen. Eine Zustimmung zum Staatsvertrag
wäre demnach EU-vertragswidrig.

a) Mit dem Staatsvertrag wird Dänemark von Deutschland mit der Errich-
tung, der Finanzierung und dem Betrieb des deutschen Teils der Festen
Fehmarnbeltquerung beauftragt. Im Gegenzug erhält Dänemark das
Recht, von den Nutzern der Querung Mautgebühren und Schienennut-
zungsentgelte auch für diesen Teil zu verlangen. Damit erteilt Deutschland
der Sache nach eine Baukonzession an Dänemark. Der Vertrag sieht wei-
ter vor, dass Dänemark seine Rechte und Pflichten als Konzessionär an
eine Projektgesellschaft übertragen wird, die zunächst ein dänisches
Staatsunternehmen ist, das ausschließlich von Dänemark kontrolliert
wird.

b) Es ist irrelevant, dass die Baukonzession auf der Grundlage eines Vertrags
zwischen zwei Mitgliedstaaten der Gemeinschaft erteilt wird. Die Mit-
gliedstaaten dürfen auch durch bilaterale völkerrechtliche Verträge nicht
vom Gemeinschaftsrecht abweichen.

c) Eine vergaberechtsfreie Inhouse-Vergabe liegt nicht vor, da die Bundes-
regierung die Feste Fehmarnbeltquerung nicht als Gemeinschaftsvorha-
ben mit Dänemark errichten will. Vielmehr soll das wirtschaftliche Risiko
für die Durchführung des Vorhabens, wie sich aus dem Vertrag ergibt,
alleine bei Dänemark liegen. Nur Dänemark ist daher gegenüber der
Projektgesellschaft weisungsbefugt. Zudem kann Dänemark über eine
(Teil-)Privatisierung der Projektgesellschaft als eigentlicher Konzessionär

alleine entscheiden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13409

d) Der Staatsvertrag enthält auch keine unter Umständen vergaberechtsfreie
staatsorganisatorische Zuständigkeitsverteilung, bei der Deutschland
hoheitliche Befugnisse und Verantwortlichkeiten an Dänemark delegieren
würde. Der Vertrag stellt beispielsweise ausdrücklich klar, dass die Stra-
ßenbaulast für den deutschen Teil der Querung bei Deutschland verbleibt
und lediglich die Durchführung bestimmter Aufgaben an Dänemark über-
tragen wird. Eine Delegation staatlicher Zuständigkeit an einen anderen
Staat wäre verfassungsrechtlich unzulässig.

e) Eine vergaberechtskonforme Lösung ist kaum denkbar, ohne dass
Deutschland stärker in die Verantwortung für die Feste Fehmarnbeltque-
rung gezogen wird. Eine solche Lösung entspricht aber nicht mehr dem
unterzeichneten Staatsvertrag. Dieser basiert auf der Grundidee, dass
Finanzierung und Durchführung des Vorhabens allein Sache Dänemarks
sind. Das Projekt soll gerade kein deutsch-dänisches Gemeinschaftspro-
jekt sein.

7. In mehreren Anträgen wurde Kritik am Bauprojekt aus ökologischen, ökono-
mischen und sozialen Gründen bereits ausführlich begründet (u. a. Antrag
der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 16/3668).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

den Gesetzesentwurf zurückzuziehen und die Entscheidung über das Projekt
durch den Deutschen Bundestag einzuleiten, wenn die ausstehenden Unter-
suchungsergebnisse vorliegen und alle rechtlichen Fragen umfassend geklärt
sind.

Berlin, den 17. Juni 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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