BT-Drucksache 16/13229

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD -16/12662, 16/13214- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Investitions- und Tilgungsfonds"

Vom 27. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13229
16. Wahlperiode 27. 05. 2009

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Rainer Brüderle, Paul K. Friedhoff, Gudrun Kopp, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Uwe Barth, Angelika Brunkhorst, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Otto
Fricke, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Birgit Homburger, Michael Kauch, Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb,
Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Markus
Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-
Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Gisela Piltz, Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster, Dr. Max Stadler,
Carl-Ludwig Thiele, Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein,
Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der
Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
– Drucksachen 16/12662, 16/13214 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung
eines Sondervermögens „Investitions- und Tilgungsfonds“

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Deutsche Bundestag lehnt das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Er-
richtung eines Sondervermögens „Investitions- und Tilgungsfonds“ ab.

II. Der Deutsche Bundestag stellt weiterhin fest:

Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für den Industriestandort Bun-
desrepublik Deutschland haben sich seit 2005 spürbar verschlechtert. Insbeson-
dere der deutsche Automobilsektor ist von der seit Anfang 2007 geltenden, um
drei Prozentpunkte erhöhten Umsatzsteuer erheblich betroffen. Dies verteuert
nicht nur die Anschaffung von privaten Neu- und Gebrauchtwagen, sondern

ebenso Reparaturen, Fahrzeugaufwertungen und Betriebsmittel wie Benzin und
Diesel. Der Besitz und Betrieb eines privaten Kraftfahrzeugs ist dadurch erheb-
lich unattraktiver geworden. Mit der aktionistischen Biokraftstoffpolitik der
Bundesregierung wurden Verbraucher zusätzlich verunsichert. Das Teilsegment
„Lastkraftwagen“ ist in Deutschland nicht zu letzt durch die Erhöhung der Maut
negativ betroffen. Der Absatz von Bussen ist ohnehin in erheblichem Umfang
durch die öffentliche Beschaffungsnachfrage geprägt, die scheinbar ausbaufähig

Drucksache 16/13229 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ist. Die Politik der großen Koalition der Fraktionen der CDU/CSU und SPD hat
somit wenn nicht bei der Entstehung, so doch bei Ausprägung der gegenwärti-
gen Branchenkrise erheblich beigetragen.

Statt dringend benötigter, nachhaltiger Strukturreformen zur Lösung von Ent-
wicklungsbremsen, setzen die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD
einseitig auf kurzfristigen Aktionismus. Mit der diesbezüglich eingeführten Ab-
wrackprämie werden die Ursachen der gegenwärtigen Krise nicht angegangen.

Durch die Abwrackprämie wird ein staatlicher Anreiz zur Vernichtung volks-
wirtschaftlichen Vermögens gesetzt. Die hierfür bereitgestellten Mittel sollen
von derzeit 1,5 Mrd. Euro auf 5,7 Mrd. Euro einschließlich Zinsausgaben aufge-
stockt werden. Ökonomisch unsinnig und ökologisch fragwürdig setzt die große
Koalition der Fraktionen der CDU/CSU und SPD ihre inkonsistente und durch
Aktionismus gekennzeichnete Wirtschaftspolitik fort.

Die Abwrackprämie:

● begründet erhebliche Wettbewerbsverzerrungen innerhalb des Automobil-
sektors und zwischen verschiedenen Wirtschaftssektoren. Die bislang ver-
fügbaren Antragsstatistiken verdeutlichen erhebliche Marktanteilsverschie-
bungen zu Gunsten wertschöpfungsflacher Kleinwagenhersteller und zu Las-
ten wertschöpfungstiefer Premiumhersteller. Auch zwischen verschiedenen
Sektoren kommt es zu spürbaren Verzerrungen. Die Anschaffung hochwerti-
ger, langlebiger Konsumgüter wird oftmals zurückgestellt, um staatlich sub-
ventionierte Automobilanschaffungen vorzuziehen. Durch diese Substitu-
tionseffekte wird die Wirtschaftskrise für andere Wirtschaftssektoren noch
verschärft. Die einseitige Förderung von Automobilkäufen ist ökonomisch
daher nicht zu rechtfertigen;

● verursacht erhebliche Vorzieheffekte, wodurch perspektivisch Nachfrage-
ausfälle im Binnenmarkt nach der Bundestagswahl erwartbar sind. Die dann
notwendigen Anpassungsmaßnahmen bei Herstellern, Händlern und Werk-
stätten werden die Unternehmen langfristig belasten. Von einer „Brücken-
funktion“ der Abwrackprämie kann schon deshalb nicht ausgegangen wer-
den, weil wichtige Exportländer bereits eigene konjunkturelle Programme
zum Abverkauf von Automobilen aufgelegt haben (siehe Ausschussdrucksa-
che 16(9)1531). So beispielsweise: England (seit April 2 000 Pfund Ab-
wrackprämie für ein über 10 Jahre altes Auto); Frankreich (seit Ende 2008
1 000 Euro Abwrackprämie); Japan (1 900 Euro Abwrackprämie für ein über
13 Jahre altes Auto); Indien (Senkung der Mehrwertsteuer); Russland (staat-
liche Kredite für den Fahrzeugkauf bis 8 000 Euro).

Der dringend notwendige Strukturwandel wird gebremst und dadurch die
nachhaltige Sicherung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze verhindert. Vor al-
lem für freie, mittelständische KfZ-Werkstätten sind massive Auftragsrück-
gänge in den kommenden Jahren prognostiziert;

● verursacht erhebliche Mitnahmeeffekte, welche die Wirkung des Instruments
einschränken und den Haushalt mit bis zu 2,6 Mrd. Euro netto belasten. Dies
geht aus Berechnungen des renommierten Instituts für Wirtschaftsforschung
Halle (IWH) hervor, wonach bei etwa 75 Prozent aller abwrackprämienge-
stützten Fahrzeugkäufen derartige Steuergeldverschwendungen eintreten.
Konjunkturwirksame Multiplikator- und Acceleratoreffekte würden sich
durch nachhaltige Investitionen in Infrastrukturen sowie eine Stärkung des
Wissenschaftsstandorts ergeben;

● schädigt den Sekundärmarkt für Fahrzeuge mit Betriebszeiten zwischen zwei
und acht Jahren. Die Binnennachfrage nach Gebrauchtwagen wird durch die

Abwrackprämie künstlich gesenkt, was in Teilbereichen zu sinkenden Ver-
kehrswerten führt. Dieser Verfall der Restwerte kann kurzfristig die Finanz-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13229

und Ertragslage von Leasing-Gesellschaften erheblich eintrüben und mittel-
fristig zu insgesamt höhere Leasingraten bei Neuwagen führen.

Letztlich geht mit diesem Verkehrswertverfall ein Vermögensschaden für den
überwiegenden Teil von Fahrzeughaltern einher. Die Kosten der Abwrack-
prämie tragen nicht nur die Steuerzahler;

● weist auch weiterhin ein erhebliches Missbrauchspotential zur Erschleichung
dieser staatlichen Subventionen auf. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein
Antragsteller einen Neuwagen erwirbt, ihn zulässt und die Abwrackprämie
beantragt, ihn anschließend dem Händler wieder veräußert und letztlich als
Gebrauchtwagen erneut kauft;

● birgt Gefahren für Geringverdiener, denn sie kann zu unverhältnismäßigen
Erwerbungen verführen. Die staatlichen Subventionen können die Verbrau-
chersouveränität dadurch eintrüben, dass rationale Abwägungen unterminiert
werden. Die gegebenenfalls über Ratenzahlungen erfolgte Anschaffung zieht
erhebliche Folgekosten beim Betrieb von Fahrzeugen nach sich. Die Gefahr
steigender Privatinsolvenzen kann nicht ausgeschlossen werden;

● steht den umweltpolitischen Zielsetzungen der Bundesrepublik Deutschland
entgegen. Der technische Fortschritt im Automobilsektor hat sich in den letz-
ten Jahren tendenziell weniger in reduziertem Treibstoffverbrauch nieder-
geschlagen, als vielmehr in besserer Ausstattung und entsprechend höherem
Gewicht. Zudem wird die Umwelt auch durch die Produktion der neu verkauf-
ten Fahrzeuge belastet. Für die Umwelt kommt daher nichts dabei heraus;

● steht der entwicklungspolitisch gebotenen Intensivierung des internationalen
Handels zwischen Industrie- und Schwellenländern entgegen. Nach Berech-
nungen des renommierten Wirtschaftsforschungsinstituts CESifo wurden
2006 mehr als 500 000 funktionstüchtige Gebrauchtwagen nach Afrika, Ost-
europa und Zentralasien ausgeführt und dadurch rund 6 Mrd. Euro Han-
delserlöse erwirtschaftet. Mit der Abwrackprämie sollen nun 5,7 Mrd. Euro
dafür ausgeben, einen Teil dieser Exporterlöse zu vernichten und die Auto-
mobile stattdessen zu verschrotten.

Nicht nur Importeure und Logistiker sind durch diesen staatlich verursachten
Angebotsrückgang negativ betroffen. Der Zugang zu sicheren und leistungs-
fähigen Gebrauchtwagen als Grundlage für die private und gewerbliche
Lebensführung in Entwicklungs- und Transformationsländern wird künstlich
erschwert. Dies schädigt die langfristige wirtschaftliche Entwicklung dieser
Länder.

Da außerdem bei der Ausfuhr die Eigentumsverhältnisse an einem Fahrzeug
durch die Zollverwaltung entsprechend dem europäischen Zollrecht nicht
kontrolliert werden, wird durch die Politik der Bundesregierung ein Anreiz
geschaffen, vorgeblich abgewrackte Fahrzeuge ohne das geringste Risiko
illegal zu exportieren. Dadurch wird der Wettbewerb im Gebrauchtfahrzeug-
markt weiter verzerrt. Rechtstreue Exporteure haben im Preiswettbewerb mit
ihren Konkurrenten das Nachsehen;

● führt daher zur Verschwendung von Steuermitteln oder staatlichem Vermö-
gen, gefährdet dadurch die sozialpolitisch gebotene Rückführung der Steuer-
und Abgabenlast, erschwert eine generationengerechte Haushaltskonsolidie-
rung, engt den Spielraum für Zukunftsinvestitionen ein und erodiert letztlich
das Vertrauen der Bürger in die freiheitlich-soziale Wirtschaftsverfassung der
Bundesrepublik Deutschland.

Berlin, den 26. Mai 2009
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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