BT-Drucksache 16/13226

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD sowie des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/12279, 16/13107, 16/13213- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung luftverkehrsrechtlicher Vorschriften

Vom 27. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13226
16. Wahlperiode 27. 05. 2009

Änderungsantrag
der Abgeordneten Jan Mücke, Horst Friedrich (Bayreuth), Patrick Döring,
Joachim Günther (Plauen), Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt,
Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Jörg van Essen, Otto Fricke,
Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel
Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Michael Kauch, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Dr. h. c. Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Horst Meierhofer, Burkhardt Müller-Sönksen,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Frank Schäffler,
Dr. Konrad Schily, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
sowie des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/12279, 16/13107, 16/13213 –

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung luftverkehrsrechtlicher Vorschriften

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe a wird wie folgt geändert:

‚Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Vorbehaltlich des Luftverkehrsrechts der Europäischen Gemeinschaft
und der Regelung von § 31f wird mit der Wahrnehmung der in § 27c Absatz 2
genannten Aufgaben nur eine Flugsicherungsorganisation mit Sitz in der
Bundesrepublik Deutschland beauftragt. Das Nähere wird vom Bundes-
ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung durch Rechtsverordnung
im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung ohne Zu-
stimmung des Bundesrates geregelt.“‘

2. Artikel 1 Nummer 10 Buchstabe a Doppelbuchstabe dd wird wie folgt geän-
dert:

‚Der Halbsatz „einschließlich zusätzlicher Anforderungen für Fluglotsen

über das 55. Lebensjahr hinaus unter Berücksichtigung der altersspezifischen
Tauglichkeit sowie Art und Umfang der Arbeitseinsätze und die technische
Ausstattung des Arbeitsplatzes“ wird gestrichen.‘

Berlin, den 27. Mai 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Drucksache 16/13226 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Zu Artikel 1 Nummer 6

Die Fraktion der FDP hat die parlamentarischen Bestrebungen zur Kapitalpriva-
tisierung der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) im Jahr 2006 begrüßt und
unterstützt. Der debattierte Entwurf eines „Gesetzes zur Neuregelung der Flug-
sicherung“ (Bundestagsdrucksache 16/240) sah im Kern die Möglichkeit der
Veräußerung von bis zu 74,9 Prozent der Geschäftsanteile an der DFS vor. Die
Fraktion der FDP bedauert insofern die Nichtausfertigung des Gesetzes durch
den Bundespräsidenten. Er begründete seine Verweigerung damit, dass die Flug-
sicherung nach derzeitiger Verfassungslage eine hoheitlich wahrzunehmende,
sonderpolizeiliche Aufgabe darstelle. Dies setze aber dauerhafte verwaltungs-
rechtliche und gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten des Bundes vor-
aus. Diese Vorgaben erfülle das verabschiedete Gesetz nicht.

Im Nachgang dieser Entscheidung wurden verschiedene Lösungsmöglichkeiten
beraten. Allen diskutierten Modellen ist gemein, dass für eine Kapitalprivatisie-
rung der DFS eine Änderung des Artikels 87d Absatz 1 des Grundgesetzes zwin-
gend notwendig ist. Nach dem so genannten Verwaltungsmodell wird die Flug-
sicherung weiterhin als hoheitliche Tätigkeit verstanden. Aufgaben der
Luftverkehrsverwaltung dürfen im Bereich der Flugsicherung fortan von Wirt-
schaftsunternehmen erbracht werden. An diesem Modell orientierten sich die
Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD bei ihrem vorliegenden Entwurf
zur Änderung des Grundgesetzes.

Die Fraktion der FDP setzt sich dem gegenüber für eine Neuregelung der Flug-
sicherung nach dem so genannten Dienstleistungsmodell ein (vgl. Antrag „Zu-
kunft der Flugsicherung verfassungskonform gestalten“; Bundestagsdrucksache
16/7133). Danach stellen sämtliche Flugsicherungsdienste privatwirtschaftliche
Dienstleistungen dar, die von Wirtschaftsunternehmen erbracht werden. Dieses
lässt im Vergleich zu anderen diskutierten Modellen die geringsten verfassungs-
rechtlichen Probleme bei der Rechtsumsetzung entstehen – ohne Einbußen bei
der Sicherheit befürchten zu müssen. Solange Flugsicherungstätigkeiten als ho-
heitliche Aufgaben charakterisiert werden, müssen die vom Bundespräsidenten
geforderten Ingerenz- und Kontrollrechte des Bundes stets gegeben sein. Zudem
entspricht die Einordnung als privatwirtschaftliche Leistung auch der Charakte-
risierung der Flugsicherungsdienste durch das Gemeinschaftsrecht. Nach der in
den Single-European-Sky-Verordnungen (SES-Verordnungen) genutzten Ter-
minologie stellen Flugsicherungstätigkeiten Dienstleistungen dar, Flugsiche-
rungsorganisationen werden als Dienstleister bezeichnet. Eine Abkehr vom
deutschen Verständnis, die Flugsicherung zwingend als hoheitliche Maßnahme
anzusehen, bewahrt die Bundesrepublik Deutschland für lange Zeit vor System-
konflikten mit dem europäischen Recht und dadurch notwendig werdenden tief-
greifenden Rechtsanpassungen. Durch das dadurch erreichte hohe Maß an
Rechtssicherheit für alle Beteiligten erlangt der Standort Deutschland einen
Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Ländern.

Vor diesem Hintergrund bedauert es die Fraktion der FDP, dass die Koalitions-
fraktionen sich nicht dazu entschließen konnten, diesen Weg mitzugehen. Der
derzeit beratene Entwurf zur Änderung des Artikels 87d des Grundgesetzes
bleibt weit dahinter zurück und lässt die Umsetzung des Dienstleistungsmodells
verfassungsrechtlich nicht zu.

Die Fraktion der FDP sieht sich jedoch in der staatspolitischen Verantwortung,
unter Zurückstellung sämtlicher Bedenken gleichwohl der Grundgesetzände-
rung zuzustimmen. Im Herbst dieses Jahres stehen die sog. Single-European-
Sky-II-Verordnungen im Europäischen Rat zur Abstimmung. Diese enthalten

Regelungen, die den Luftraum über Europa noch stärker zusammenwachsen
lässt und nationale Alleingänge erschwert. Insbesondere werden darin Regelun-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13226

gen getroffen, die für die Schaffung von Funktionalen Luftraumblöcken ent-
scheidend sind. Der Abschluss der SES-II-Verordnungen liegt auch im deut-
schen Interesse. Er ermöglicht die Hebung zusätzlicher Potentiale im
Luftverkehr, direkte und damit kürzere Flugrouten, eine Minderung des Schad-
stoffausstoßes der Flugzeuge und eine Kostenentwicklung, die gleichfalls den
Reisenden zugute kommt. Teile des Verordnungsentwurfs stehen jedoch nicht
im Einklang mit aktuellem deutschem Verfassungsrecht. Die Bundesrepublik
Deutschland wäre daher daran gehindert, der Verordnung im Europäischen Rat
zuzustimmen. Zudem könnte sich die Bundesregierung im Rahmen der zwi-
schenstaatlichen Verhandlungen um die Schaffung des Funktionalen Luftraum-
blocks „FAB Europe Central“ vor dem Hintergrund der derzeitigen Verfassungs-
lage nicht dafür aussprechen, die bisherige Struktur der Flugsicherung, die sich
an den Grenzen der Mitgliedstaaten orientiert, zugunsten von am tatsächlichen
Bedarf ausgerichteten Flugsicherungsbereichen zu reformieren. Diese recht-
lichen Zwänge würden jedoch die positive Haltung der Bundesrepublik
Deutschland und – soweit ersichtlich – aller Fraktionen des Deutschen Bundes-
tages zur Errichtung von Funktionalen Luftraumblöcken konterkarieren.

Darüber hinaus stellt die von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD vor-
geschlagene Grundgesetzänderung die für absehbare Zeit einzig realistische
Möglichkeit dar, die Erbringung von Flugsicherungsdiensten in deutschen
Grenzregionen durch ausländische Organisationen in Einklang mit den Vor-
gaben des Grundgesetzes zu bringen. Seit vielen Jahren werden in grenznahen
Gebieten der Bundesrepublik Deutschland Flugsicherungsaufgaben von Unter-
nehmen mit Sitz im Ausland wahrgenommen. Diese Praxis ist unumgänglich, da
die Zuständigkeitsgrenze nur selten dem verwinkelten Verlauf der Bundes-
grenze folgen kann. Gleichwohl ist es nicht hinnehmbar, dass hierdurch sehen-
den Auges gegen das Grundgesetz verstoßen wird. Die Fraktion der FDP hat
daher bereits im Jahr 2007 auf die Herstellung eines verfassungskonformen
Zustandes gedrungen (vgl. Antrag „Zukunft der Flugsicherung verfassungs-
konform gestalten“; Bundestagsdrucksache 16/7133). Durch Überführung der
Flugsicherung in die (einfache) Bundesverwaltung ist es fortan grundsätzlich
möglich, auch ausländische Unternehmen mit der Wahrnehmung von Flug-
sicherungsaufgaben zu betrauen.

Wird die geplante Grundgesetzänderung in der von den Koalitionsfraktionen
vertretenen Fassung als Maßgabe verstanden, sind die rechtlichen Gestaltungs-
möglichkeiten sehr begrenzt. Gleichwohl ist die vorgesehene Regelung, nach
der in Deutschland nur ein Unternehmen mit der Ausübung von Flugsicherungs-
aufgaben betraut werden darf, das in hundertprozentigem Eigentum des Bundes
steht, rechtlich nicht geboten und widerspricht der Intention der Single-Euro-
pean-Sky-Verordnungen. Diese hatten zum Ziel, dass die Organisation der euro-
päischen Flugsicherungen nicht mehr vornehmlich von nationalstaatlichen Inte-
ressen bestimmt sein soll. Die von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD
vorgeschlagene Regelung verfolgt jedoch diese Interessen. Sie gibt der DFS das
Exklusivrecht, Flugsicherungsdienste jenseits der Grenzgebiete und der Un-
terstützungsdienste zu erbringen. Auch die notwendigen Ingerenz- und Kon-
trollrechte des Bundes machen es nicht erforderlich, dass sich das ausführende
Flugsicherungsunternehmen in dessen Alleineigentum befindet. Ihre Durchsetz-
barkeit ist im Rahmen der konkretisierenden Rechtsverordnung des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie im Beleihungsakt
sicherzustellen. Der Einsatz von privaten Beliehenen hat sich auch in anderen
hoheitlichen Aufgabenbereichen mit Sicherheitsrelevanz bewährt.

Das Gesetz in der Fassung des vorliegenden Änderungsantrags würde eine
Kapitalprivatisierung der DFS nicht ausschließen. Das Unternehmen hätte damit
– trotz der Schwächen des gewählten Verwaltungsmodells – die Möglichkeit,

auf die sich ändernden Bedingungen durch den sich entwickelnden Markt im
Bereich der Flugsicherung zu reagieren. Nur durch eine Kapitalprivatisierung ist

Drucksache 16/13226 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
die gebotene unternehmerische Handlungsfähigkeit und Flexibilität in hin-
reichendem Maße gewährleistet. Die DFS ist eine der besten Flugsicherungen
der Welt. Nun gilt es, diese Erfolgsstory fortzuschreiben und notwendige Maß-
nahmen nicht zu verschlafen.

Zu Artikel 1 Nummer 10

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs könne der Einsatz älterer Fluglotsen
ein erhebliches Sicherheitsrisiko bei der Verkehrsüberwachung der Luftfahrt
darstellen, da die für die Ausübung der Flugverkehrskontrolle notwendigen
kognitiven Fähigkeiten regelmäßig mit zunehmendem Lebensalter nachließen.
Daher soll die Verwaltung ermächtigt werden, zusätzliche Anforderungen an die
Tauglichkeit von Fluglotsen, die die Altersgrenze von 55 Lebensjahren über-
schritten haben, zu stellen.

Die Festsetzung einer starren Altersgrenze ist jedoch nicht sachgerecht und vor
dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Arti-
kel 12 des Grundgesetzes zudem verfassungsrechtlich bedenklich. Um die
Sicherheit zu gewährleisten, müssen die Fluglotsen stets die für den spezifischen
Arbeitseinsatz erforderlichen Anforderungen an die Eignung und Befähigung
erfüllen. Dies gilt altersunabhängig. Vielmehr müssen individuelle Überprüfun-
gen klären, ob der einzelne Lotse die konkreten Anforderungen, die mit seinem
Arbeitseinsatz verbunden sind, erfüllt. Entsprechende Vorgaben können in einer
Rechtsverordnung festgesetzt werden, ohne dass es einer Festlegung einer
Altersgrenze im Gesetz bedarf.

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