BT-Drucksache 16/12857

Staatsgarantie für die Sozialversicherungen - Schutzschirm für Menschen

Vom 5. Mai 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12857
16. Wahlperiode 05. 05. 2009

Antrag
der Abgeordneten Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, Dr. Martina Bunge, Diana Golze,
Inge Höger, Katja Kipping, Elke Reinke, Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Ilja
Seifert, Frank Spieth, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Staatsgarantie für die Sozialversicherungen – Schutzschirm für Menschen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung ist bereit, bis zu 480 Mrd. Euro für marode Banken zu
zahlen und damit die Renditen zumeist vermögender Anleger zu sichern. Einen
wirksamen Schutzschirm für Menschen hat sie dagegen nicht gespannt. Die
Konjunkturpakete, die sie verabschiedet hat, sind zu klein, um die Talfahrt der
Wirtschaft und den Verlust von Arbeitsplätzen zu stoppen. Auf die Sozialversi-
cherungen rollen deshalb Beitragsausfälle in mehrstelliger Milliardenhöhe zu,
was erheblichen Druck auf die Leistungen ausüben wird. Spätestens nach der
Bundestagswahl drohen deshalb massive Kürzungen.

Es wäre jedoch zutiefst sozial ungerecht, wenn die Rentnerinnen und Rentner,
Beschäftigten und Arbeitslosen für die Folgen der Krise zahlen müssten, die
renditegierige Manager und Banker sowie deregulierungswütige Politikerinnen
und Politiker zu verantworten haben. Kürzungen der Sozialleistungen wären
außerdem Gift für die Kaufkraft und würden die gegenwärtige Krise in der
Binnenwirtschaft noch verschärfen.

Kürzungen der Sozialleistungen müssen daher auch für die Zeit nach der
Bundestagswahl verbindlich ausgeschlossen werden. Die Bundesregierung
muss für die sozialen Sicherungssysteme bürgen und durch eine Staatsgarantie
einen wirksamen Schutzschirm für die Menschen spannen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. Kürzungen der sozialen Leistungen für die nächsten vier Jahre verbindlich
auszuschließen;

2. für die aufgrund der Wirtschaftskrise entstehenden Defizite der Sozialver-
sicherungen mit einer Staatsgarantie zu bürgen.
Berlin, den 5. Mai 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Drucksache 16/12857 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Begründung

Die Wirtschaftskrise reißt immer dramatischere Finanzlöcher in die deutschen
Sozialkassen. Laut einem Bericht der Zeitung „Handelsblatt“ vom 27. April
2009 addieren sich die Fehlbeträge allein in der Arbeitslosen- und Krankenver-
sicherung bis Ende 2010 auf bis zu 50 Mrd. Euro, wenn die Wirtschaft wie von
den Wirtschaftsforschungsinstituten in ihrem Frühjahrsgutachten prognostiziert
im laufenden Jahr um sechs Prozent schrumpft und die Zahl der Arbeitslosen
im Jahresdurchschnitt 2010 auf 4,7 Millionen ansteigt.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA), die zu Jahresbeginn 2009 noch über ein
Finanzpolster von 17 Mrd. Euro verfügte, wird bereits im Herbst dieses Jahres
ins Defizit rutschen. Bis Ende 2010 könnte sich der Fehlbetrag auf 15 bis 20
Mrd. Euro belaufen. Noch Ende 2008 hatte die Bundesregierung beschlossen,
den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung über 2010 hinaus auf 2,8 Pro-
zent zu begrenzen und damit mitten in der Krise das Finanzdefizit der BA vor-
programmiert.

In der gesetzlichen Krankenversicherung war der neue Gesundheitsfonds von
Anfang an unterfinanziert. Weitere Fehlbeträge drohen jetzt durch konjunktur-
bedingte Einnahmeausfälle. Das Bundesministerium für Gesundheit geht der-
zeit von einem krisenbedingten Fehlbetrag in Höhe von 2,9 Mrd. Euro in 2009
und zusätzlichen Fehlbeträgen für die Folgejahre aus.

Auch der gesetzlichen Rentenversicherung drohen Mindereinnahmen in Mil-
liardenhöhe, wenn die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sinkt und
Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit weiter ansteigen. Die massive Zunahme der
Kurzarbeit schmälert zudem die Summe der beitragspflichtigen Entgelte, die
für die Rentenanpassung maßgeblich ist, weshalb nach geltender Rechtslage in
2010 mit einer Rentenkürzung von über zwei Prozent zu rechnen wäre. Auch
dies ist aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit und wirtschaftspolitischen
Erwägungen nicht vertretbar.

Die Bundesregierung muss deshalb nicht nur die Kürzung der Renten, sondern
auch anderer Sozialleistungen – auch und gerade für die Zeit nach der Bundes-
tagswahl – verbindlich ausschließen und mit einer Staatsgarantie für die Sozial-
versicherungen bürgen. Damit diese gar nicht erst in großem Umfang entste-
hen, muss sie zugleich konjunkturpolitisch erneut aktiv werden und ein drittes
umfassendes und sozial gerechtes Konjunkturprogramm auf den Weg bringen
(vgl. Bundestagsdrucksache 16/12292).

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