BT-Drucksache 16/12710

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/12226, 16/12698- Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 2008 über Streumunition

Vom 22. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12710
16. Wahlperiode 22. 04. 2009

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Omid Nouripour, Kerstin Müller (Köln),
Jürgen Trittin, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde,
Dr. Uschi Eid, Kai Gehring, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Rainder Steenblock und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/12226, 16/12698 –

Entwurf eines Gesetzes
zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 2008 über Streumunition

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das am 3. Dezember 2008 in Oslo von 94 Staaten unterzeichnete Übereinkom-
men vom 30. Mai 2008 über Streumunition ist ein Meilenstein der humanitären
Rüstungskontrolle. Damit wird nach langem Ringen endlich eine Waffe geäch-
tet, die wahllos verletzt und tötet und der ganz überwiegend Zivilisten und Kin-
der – gerade auch nach Kriegsende – zum Opfer fallen.

Um möglichst schnell ein wirksames Verbot von Streumunitionen zu erreichen,
ist eine zügige Ratifizierung zu begrüßen. Auf dem Weg zu einem vollständigen
und universellen Verbot von Streumunition bedarf es jedoch weiterer Schritte,
bei denen gerade die Bundesregierung gefragt ist, hatte sie doch zu Beginn des
Verhandlungsprozesses mit ihrer restriktiven Haltung eine Menge Glaubwürdig-
keit verspielt und auf die besonders kritischen Ausnahmeklauseln, z. B. bezüg-
lich der Definition von Streumunition (Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe c des
Übereinkommens über Streumunition) sowie der Einsätze im Bündnis
(Artikel 21 Absatz 3 des Übereinkommens über Streumunition) hingewirkt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. unverzüglich die in der Konvention geforderten Maßnahmen umzusetzen,
d. h.
a) umgehend mit der Vernichtung der deutschen Streumunitionsbestände zu
beginnen und die Lagerbestände gegenüber dem Deutschen Bundestag
zu veröffentlichen, damit dieser den Delaborierungsprozess verifizieren
kann;

Drucksache 16/12710 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

b) entsprechend des Verbotes der Lagerung von Streumunition die US-
Administration aufzufordern, die in Deutschland auf ex-territorialem Ge-
biet gelagerte US-Streumunition zu beseitigen;

c) im Bereich der humanitären Minenräumung und Opferhilfe andere Staa-
ten bei der Räumung der kontaminierten Regionen und der Beseitigung
von Streumunitionsbeständen zu unterstützen und Hilfe in Bezug auf die
Fürsorge, Rehabilitation sowie die soziale und wirtschaftliche Wiederein-
gliederung der Opfer von Streumunition zu leisten;

2. sich aktiv für eine Universalisierung des Verbotes einzusetzen und sicherzu-
stellen, dass auch zukünftig das Verbot von Streumunition nicht umgangen
wird, d. h.

a) zu prüfen, ob die vom Verbot ausgenommen, alternative Streumunition
(sog. Punktzielmunition) nach einem Einsatz keine Gefährdung für Zivi-
listen mit sich bringt und alle diesbezüglichen Testergebnisse und Testver-
fahren der Bundeswehr öffentlich zu machen;

b) an vergleichbare ethische Investmentregelungen anderer Regierungen an-
knüpfend, das Investment in eine deutschem oder ausländischem Recht
unterliegende Firma zu verbieten, die Streumunition herstellt, zum Ver-
kauf anbietet, ein- oder ausführt bzw. befördert;

c) sicherzustellen, dass bei einer deutschen Beteiligung an internationalen
Militäreinsätzen von Partnernationen keine Streumunition zum Einsatz
kommt;

d) keine Maßnahmen – auch nicht im Rahmen der NATO oder der EU – zu
treffen, mit denen die Vorschriften des Streumunitionsverbots umgangen
werden könnten;

e) in der EU und NATO aktiv dafür zu werben, dass Staaten, die noch nicht
dem Abkommen beigetreten sind, den Verbotsvertrag für Streumunition
unterzeichnen.

Berlin, den 22. April 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

1. Auf der Unterzeichnungskonferenz der Konvention zu Streumunition in Oslo
haben 94 Staaten, darunter auch Deutschland, den Verbotsvertrag für Streu-
munition unterzeichnet. Zwei weitere Staaten sind Anfang des Jahres dazu-
gekommen und fünf Staaten haben den Vertrag bereits ratifiziert. Insgesamt
bedarf es 30 Ratifizierungen, damit die Konvention in Kraft treten kann und
die schlimmsten Formen von Streumunition geächtet sind. Eine schnelle
Ratifizierung durch Deutschland ist daher mehr als erstrebenswert, insbeson-
dere auch um die im Verhandlungsprozess verspielte Glaubwürdigkeit wie-
derzuerlangen. Die deutsche Bundesregierung hatte sich lange Zeit dafür
stark gemacht, nur in eingeschränktem Umfang auf Streumunition zu ver-
zichten (8-Punkte-Position) und damit den ganzen Prozess ins Stocken ge-
bracht.

2. Dass die größten Produzenten, Exporteure und Anwender von Streumuni-

tion, wie die USA, Russland, China, Indien und Pakistan, das Abkommen
bisher nicht unterzeichnet haben und damit nur etwa zehn Prozent der welt-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12710

weiten Bestände unter das Abkommen fallen, ist ein Manko, das es gemäß
Artikel 21 Absatz 1 des Übereinkommens über Streumunition dringend an-
zugehen gilt. Die Bundesregierung muss sich vor allem innerhalb der EU und
NATO dafür einsetzen, dass die acht der 27 EU-Mitgliedstaaten (z. B. Slowa-
kei, Griechenland, Finnland, Polen und Rumänien) und acht der 26 NATO-
Staaten (z. B. USA, Griechenland und die Türkei), die das Verbot noch nicht
unterzeichnet haben, dies dringend nachholen.

3. Ein wichtiger Beitrag zur Universalisierung des Verbotes ist, dass die Bun-
desrepublik erklärt, sich zukünftig nicht an gemeinsamen Militäraktionen zu
beteiligen, bei denen Nicht-Vertragsstaaten Streumunition einsetzen und dass
sie auch im Rahmen der EU und NATO dafür wirbt, dass Artikel 21 Absatz 3
des Übereinkommens über Streumunition nicht dafür genutzt wird, sich
durch gemeinsame Operationen an Streumunitionseinsätzen zu beteiligen.
Eine solche Ausnahme widerspräche der im Vertrag festgeschriebenen Ver-
pflichtung der Vertragsstaaten, unter keinen Umständen Streumunition ein-
zusetzen oder dabei mitzuwirken, andere dazu zu ermutigen.

4. Um die Vertragsverpflichtungen nicht zu konterkarieren bedarf es zudem ei-
ner genauen Prüfung der Wirksamkeit der in Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe c
des Übereinkommens über Streumunition vom Verbot ausgenommenen alter-
nativen Streumunition (sog. Punktzielmunition). Auch hier ist die Bundesre-
gierung besonders gefragt, hatte die deutsche Delegation doch bei den Ver-
handlungen im Mai 2008 in Dublin offen damit gedroht, den Vertrag nicht zu
unterzeichnen, sollte die Verbotsausnahme für alternative Streumunition
nicht akzeptiert werden.

5. Gemäß Artikel 2 des Übereinkommens über Streumunition bezieht sich das
Verbot von Streumunition nun lediglich auf konventionelle Munition, welche
dem Zweck dient, explosive Submunitionen zu verteilen, wovon jede ein-
zelne weniger als 20 kg wiegt. Nicht erfasst ist Streumunition, die ein einzel-
nes Zielobjekt erfassen und angreifen kann, weniger als zehn Submunitionen
von weniger als je vier Kilo enthält, die selbständig Ziele finden und zerstören
kann und über eine elektronische Selbstzerstörung bzw. Selbstdeaktivierung
verfügt (Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe c des Übereinkommens über Streumu-
nition). Demnach ist Streumunition wie z. B. BONUS und die von Rheinme-
tall und Diehl in einem Bündnis mit dem Namen GIWS Gesellschaft für Intel-
ligente Wirksysteme mbH produzierte SMArt-155-Artilleriemunition
(SMArt: Suchzünder-Munition für die Artillerie) vom Verbot ausgenommen.
Diese Ausnahme erzeugte vielfältige Kritik, da die technische Zuverlässigkeit
des Einsatzes dieser Munition bisher nicht bekannt ist. Belgien und Österreich
ächten entsprechend jegliche Streumunition.

6. Angesichts dessen, dass entlang der technischen Parameter des Artikels 2
Nummer 2 Buchstabe c des Übereinkommens über Streumunition längst eine
neue Generation von Streuwaffen entwickelt wird, die mit ihrer Splitterwir-
kung über dieselbe Effizienz wie eine herkömmliche 500-Kilo-Streubombe
verfügen, ist es völkerrechtlich dringend geboten, dass die Bundeswehr
testet, ob alternative Streumunition wirklich eine Waffe ist, die zuverlässig
zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheiden kann. Sich wie die
Bundesregierung dabei allein auf die Angaben der Hersteller zu stützen, wird
dem völkerrechtlichen Verbot von Kampfmitteln, deren Wirkung nicht be-
grenzt werden kann und die damit militärische Ziele und Zivilpersonen un-
terschiedslos treffen können, (Artikel 51 Absatz 4 Buchstabe c des Zusatz-
protokolls I (ZP I) zu den Genfer Protokollen von 1949), dem Verbot von
Waffen, die überflüssige Verletzungen und unnötiges Leiden verursachen,
(Artikel 35 Absatz 1 ZP I) sowie dem gewohnheitsrechtliche Grundsatz der

Proportionalität und des Vorsorgeprinzip (precautionary principle), auf die
sich die Oslo-Konvention stützt, nicht gerecht.

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