BT-Drucksache 16/12682

500 000 Arbeitsplätze - Existenzsichernd und öffentlich gefördert

Vom 22. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12682
16. Wahlperiode 22. 04. 2009

Antrag
der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus,
Ulla Lötzer, Dr. Herbert Schui, Dr. Axel Troost, Sabine Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

500 000 Arbeitsplätze – Existenzsichernd und öffentlich gefördert

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Umfang und Tiefe der Wirtschaftskrise verpflichten dazu, den am härtesten Be-
troffenen in dieser Situation menschenwürdige Perspektiven zu eröffnen. Ins-
besondere Langzeiterwerbslose sind davon bedroht, noch weiter vom Arbeits-
markt abgehängt zu werden. Aus der großen Gruppe der älteren Beschäftigten,
die in den kommenden Monaten ihren Arbeitsplatz verlieren, werden viele keine
Chancen erhalten, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Sie werden die Zahl
der Langzeiterwerbslosen erhöhen. Für die große Gruppe jener Jüngeren, die
bereits vor der Krise keine Möglichkeit für eine Berufsausbildung erhielten, ver-
schlechtern sich die Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt weiter.

Ein Antikrisenprogramm erfordert deshalb zwingend, kurz- und mittelfristig
mehr öffentlich geförderte Arbeitsplätze mit existenzsichernden Löhnen für
Langzeitarbeitslose zu schaffen.

Mit den Programmen „Kommunal-Kombi“ und „JobPerspektive“ hat die
Bundesregierung bestätigt, dass zur Erledigung gesellschaftlich wichtiger Tätig-
keiten und bei besonders hoher und verfestigter Arbeitslosigkeit öffentlich ge-
förderte Beschäftigung dringend notwendig und ohne Alternative ist. Die 2007
aufgelegten Programme brachten jedoch aufgrund ihrer Konstruktionsmängel
bis Ende 2008 nur mäßige Resultate. Die beabsichtigten Änderungen beim
„Kommunal-Kombi“ beseitigen dessen Hauptschwächen nicht: die Möglich-
keiten der Gegenfinanzierung durch die Kommunen infolge ihrer finanziellen
Notlage werden durch die zu erwartenden Steuerausfälle noch mehr schrump-
fen. Außerdem wird der Bereich niedrig entlohnter Beschäftigung weiter aus-
gedehnt.

Seit Ende der neunziger Jahre existieren in der Bundesrepublik Deutschland
gute Erfahrungen mit öffentlich geförderter voll sozialversicherungspflichtiger
Beschäftigung, die in der Arbeitsmarktpolitik der letzten Bundesregierungen
weitgehend ignoriert wurden. Zunächst in Mecklenburg-Vorpommern und dann

in Berlin haben rot-rote Landesregierungen mit der Schaffung von mehreren tau-
send öffentlich geförderten Arbeitsplätzen außerhalb des Niedriglohnbereichs
unter Beweis gestellt, dass es sich um eine beschäftigungs- und arbeitsmarkt-
politische Alternative handelt, die krisensicher ist. Es entstanden dringend
notwendige Arbeitsplätze in Bereichen, die unsere Gesellschaft zukunftsfähig
machen, wie in Bildung und Erziehung, Gesundheit und Pflege, Kultur und
Ökologie. Die Ergebnisse bei der Schaffung öffentlich geförderter Beschäf-

Drucksache 16/12682 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tigung in Berlin hätten deutlich besser ausfallen können, wenn die Bundesregie-
rung diese Entwicklung nicht durch die Ablehnung der Zusammenführung von
passiven und aktiven Leistungen bei Erwerbslosigkeit im Rahmen des Zweiten
Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) blockiert hätte.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– bis zum Ende der Wahlperiode die gesetzlichen und finanziellen Grundlagen
für den Aufbau eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors als dauer-
hafte gesellschaftliche Einrichtung zu schaffen, um gesellschaftlich wichtige
Tätigkeiten zu erledigen und Langzeitarbeitslosigkeit zurückzudrängen;

beginnend ab 1. September 2009 sollen bis Ende 2010 mindestens 500 000
voll sozialversicherungspflichtige und existenzsichernde Arbeitsplätze ent-
stehen. Existenzsichernd bedeutet, dass mindestens ein Gehalt von 1 400
Euro (Arbeitnehmerbrutto) gezahlt werden muss. Zur Finanzierung werden
die im Rahmen des SGB II vorgesehenen passiven Leistungen (Grundsiche-
rung und Kosten der Unterkunft) und aktiven Leistungen (Eingliederungs-
leistungen) bei Erwerbslosigkeit zusammengeführt und durch staatliche Zu-
schüsse ergänzt. In diesem Zusammenhang werden adäquat die Ein-Euro-
Jobs abgeschafft. Die Vergabe öffentlich geförderter Arbeitsplätze erfolgt
transparent und nach dem Prinzip der Freiwilligkeit. Begleitende Qualifizie-
rungsmaßnahmen sollen dazu beitragen, Arbeitsplatzanforderungen und per-
sönliche Voraussetzungen in Übereinstimmung zu bringen.

Die Arbeitsplätze werden für die Dauer von mindestens drei bis fünf Jahren
eingerichtet. Sie sollen bei Personen ab dem 60. Lebensjahr den nahtlosen
Übergang in die Rente sichern;

– für die Bundesländer kurzfristige Lösungen zur Ausweitung öffentlich geför-
derter Beschäftigung bereits für 2009 zu schaffen, indem dafür die laufenden
Programme „Kommunal-Kombi“ sowie „JobPerspektive“ entsprechend an-
gepasst werden. Dabei wird

– das Programm „Kommunal-Kombi“ über das Jahr 2009 hinaus geführt so-
wie finanziell aufgestockt, um in diesem Rahmen wesentlich mehr als die
bisher geplanten Arbeitsplätze für die Dauer von mindestens drei Jahren
im öffentlich geförderten Sektor zu schaffen;

die Finanzierungsgrundlagen werden so verändert, dass alle finanzschwa-
chen Kommunen das Programm in Anspruch nehmen können und exis-
tenzsichernde Arbeitsplätze auch dort entstehen. Zugang sollen künftig
alle Bezieherinnen und Bezieher des ALG II haben, die in förderfähigen
Regionen leben – ohne weitere Anspruchsvoraussetzungen. Als förder-
fähige Regionen gelten alle Städte, Gemeinden bzw. Landkreise in Ost-
deutschland sowie alle Städte, Gemeinden bzw. Landkreise in West-
deutschland mit einer Arbeitslosenquote ab zehn Prozent;

– das Programm „JobPerspektive“ (Beschäftigungszuschuss nach § 16e
SGB II) finanziell so ausgestattet, dass in diesem Rahmen wesentlich
mehr als die bisher geplanten öffentlich geförderten Arbeitsplätze für die
Dauer von mindestens drei Jahren geschaffen werden können;

um die Zielgruppe zu vergrößern, müssen die Zugangsbedingungen zum
Beschäftigungszuschuss (§ 16e Absatz 1 Satz 1 SGB II) verändert werden.
Es wird nur noch ein Vermittlungshemmnis herangezogen. Die Förder-
dauer für den Beschäftigungszuschuss sowie die Kosten für begleitende
Qualifizierung in konstanter Höhe wird auf 36 Monate verlängert. Im
Rahmen dieses Programms sollen künftig voll sozialversicherungspflich-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12682

tige und existenzsichernde Arbeitsplätze wie auch im Rahmen des Pro-
gramms „Kommunal-Kombi“ entstehen.

Berlin, den 21. April 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.