BT-Drucksache 16/12644

Bestandsaufnahme deutscher Lizenz- und Exportpolitik im Klein- und Schusswaffenbereich

Vom 16. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12644
16. Wahlperiode 16. 04. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Marieluise
Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid, Thilo Hoppe,
Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Omid Nouripour, Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Rainder Steenblock, Jürgen Trittin und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bestandsaufnahme deutscher Lizenz- und Exportpolitik im Klein- und
Schusswaffenbereich

Trotz einer als restriktiv bezeichneten Exportpolitik sind deutsche Handfeuer-
waffen weltweit verbreitet und tauchen immer wieder in Konfliktherden, wie
dem Sudan oder in Georgien auf. Über die Jahre und Jahrzehnte haben die bei-
den deutschen Staaten – nicht zuletzt die Bundesrepublik Deutschland – in
erheblichem Umfang zur Weiterverbreitung dieser Rüstungsgüter beigetragen.
Zu Handfeuerwaffen zählen nicht nur die kleinen und leichten Waffen (Klein-
waffen), die in erster Linie für militärische Zwecke und Endnutzer hergestellt
werden. Ein Großteil deutscher Rüstungsausfuhren besteht aus Schusswaffen
wie Jagd- und Sportwaffen oder Revolver und Pistolen, die im Empfängerland
überwiegend in den Händen von Zivilisten landen.

Die Bundesrepublik Deutschland gehört zu den führenden Produzenten und
Exporteuren im Klein- und Schusswaffenbereich. In vergangenen Jahrzehnten
praktizierte sie – z. B. hinsichtlich des Gewehrs G3 – eine großzügige
Lizenzgenehmigungspolitik. In einigen Ländern, wie z. B. Pakistan, werden
diese Waffen heute noch mit deutschem Know-how, auf Grund deutscher
Lizenzermächtigungen oder mit Hilfe deutscher Herstellungsausrüstung und
Zulieferungen hergestellt.

Klein- und Schusswaffen können jahrzehntelang zum Einsatz kommen und
relativ leicht und unkontrolliert weitergegeben werden. Der Erteilung einer Ge-
nehmigung kommt daher größte Bedeutung zu. Die Kontrolle des Endverbleibs
oder einer völkerrechtskonformen Verwendung von einmal exportierten oder in
Lizenz hergestellten Klein- und Schusswaffen ist ein Schlüsselproblem. Über-
schüssige Waffen werden häufig nicht vernichtet, sondern weiterverkauft. Viele
illegale Waffentransfers stammen aus legalen Produktionen und legalen Ex-
portgeschäften. Die Proliferation von Kleinwaffen einzudämmen und die Kon-
fliktparteien zu demilitarisieren, demobilisieren und reintegrieren ist in vielen
Konfliktregionen eine schwierige und langwierige Aufgabe.
Die Bundesregierung ist in ihren Exportberichten der vergangenen Jahre dan-
kenswerter Weise dazu übergegangen, die Transparenz im Bereich des Exports
von Kleinwaffen – u. a. über die Angabe von Empfänger, Genehmigungswert
und Stückzahlen – zu verbessern. Gleichwohl fehlt eine Bestandsaufnahme
über die Dimensionen einer Weiterverbreitung deutscher Handfeuerwaffen,
diesbezüglicher Munition und Herstellungsausrüstung.

Drucksache 16/12644 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Inwieweit hat die Bundesregierung einen Überblick darüber, in welchem
Umfang sich welche Handfeuerwaffen und die dazugehörige Munition deut-
schen Ursprungs in anderen Ländern befindet?

Welche Angaben werden bei einer Lizenzgenehmigung und einem Export
statistisch erfasst?

2. In welchem Umfang hat die Bundesregierung seit Bestehen der Bundesrepu-
blik Deutschland an andere Länder (bis Ende 2008) die Ausfuhr von Klein-
waffen genehmigt, und inwieweit wurde was geliefert (bitte in Anlehnung
an den Rüstungsexportbericht je Land aufgeschlüsselt nach den jeweiligen
Kleinwaffen/Bestandteilen dafür und Kleinwaffenmunition/Bestandteilen
dafür (Ausfuhrlisten-Position – AL-Pos –, Bezeichnung und Kaliber der
Kleinwaffen/Munition, Stückzahl, Wert))

Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über vergleichbare Lieferun-
gen der DDR?

3. In welchem Umfang hat die Bundesregierung an andere Länder bis Ende
2008 die Ausfuhr von Handfeuerwaffen, die nach der Definition der Bun-
desregierung keine Kleinwaffen sind, genehmigt, und inwieweit wurde was
geliefert (bitte je Land aufgeschlüsselt nach den Schusswaffentypen (ins-
besondere Jagdwaffen, Sportwaffen, Revolver, Pistolen) und dazugehöriger
Schusswaffenmunition (AL-Pos., Bezeichnung und Kaliber der Schusswaf-
fen/Munition, Stückzahl, Wert))?

Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über vergleichbare Lieferun-
gen der DDR?

4. Welche Länder haben von Seiten der Bundesregierung in den vergangenen
Jahrzehnten Lizenzgenehmigungen für die Herstellung von Kleinwaffen/
Kleinwaffenmunition und Schusswaffen/Schusswaffenmunition erhalten?

Was ist im Wesentlichen Gegenstand und Umfang der erteilten Lizenzen?

Welche Waffen- und Munitionstypen können damit in den jeweiligen Län-
dern in welchem Umfang hergestellt werden?

5. Wer sind in der Regel die Lizenzinhaber, und welche Auflagen gibt es, z. B.
für die Weitergabe an Dritte?

6. In welchem Umfang hat die Bundesregierung bislang in einzelne Länder je-
weils die Ausfuhr von Ausrüstung für die Herstellung von Handfeuerwaffen
und diesbezüglicher Bestandteile und Munition genehmigt bezüglich

a) Kleinwaffen und dazugehöriger Munition und Rüstungsmaterialien,

b) sonstiger Handfeuerwaffen und dazugehöriger Munition und Rüstungs-
materialien?

Um was für Herstellungsausrüstung handelte es sich dabei im Wesentlichen?

7. Inwieweit sind Lizenzen zeitlich oder anderweitig beschränkt bzw. heute
noch gültig?

8. Welche Herstellungsanlagen für Handfeuerwaffen und Munition, die in we-
sentlichen Teilen deutsche Technologien oder Herstellungsausrüstung nut-
zen, sind heute noch in welchen Ländern in Betrieb, und welche Waffen und
Munition werden damit produziert?

9. Welche Staaten/Endempfänger haben heute noch einen Rechtsanspruch auf
die Lieferung von Ersatzteilen, Zulieferungen u. Ä. für solche Herstellungs-
anlagen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12644

10. Wie viele Waffen der Firma Heckler & Koch (aufgeschlüsselt nach Typ)
wurden bislang nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils in den einzel-
nen Ländern hergestellt/nachgebaut, und in welchen Ländern geschieht das
noch heute?

11. Inwieweit unterliegen Exporte von Firmen, die – wie z. B. die Firma Heck-
ler & Koch – Niederlassungen und Produktionsstätten in anderen Staaten
haben, deutschen Rüstungsexportkontrollen?

12. Welche Lehren hat man von Seiten der Bundesregierung aus der Lizenz-
politik der Vergangenheit gezogen, und wann hat die Bundesregierung was
an der Lizenzpolitik im Kleinwaffen/Schusswaffenbereich (inkl. Munition)
konkret geändert?

Wo sieht die Bundesregierung noch Handlungsbedarf?

13. Wie wird heute die Einhaltung von erteilten Lizenzen im Handfeuerwaf-
fenbereich überwacht und ein Missbrauch verhindert?

14. In welchem Umfang und auf welchen Wegen wird nach Kenntnis/Schät-
zung der Bundesregierung die deutsche Kleinwaffenexportkontrolle im
Klein- und Schusswaffenbereich umgangen, und was sind dabei die gän-
gigsten Methoden?

15. Welche Verifikationsinstrumente und welche personellen, finanziellen und
sonstigen Ressourcen stehen der Bundesregierung und nachgeordneten Be-
hörden dafür konkret zur Verfügung?

Wo sieht die Bundesregierung noch Handlungsbedarf?

16. Welche Firmen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland oder Tochter-
firmen/Beteiligungen im Ausland haben oder hatten eine Lizenz zur
Herstellung von

a) Kleinwaffen,

b) Schusswaffen,

c) Munition für Klein- oder Schusswaffen?

17. Wie viele Kleinwaffen und Kleinwaffenmunition aus dem Bestand der
Bundeswehr, der NVA oder der deutschen Polizeibehörden sind mit Ge-
nehmigung der Bundesregierung bis Ende 2008 in welche Länder geliefert
worden (bitte aufgeschlüsselt nach Land, Waffentyp, Lieferjahr, Stückzahl,
Wert)?

18. Wie viele Kleinwaffen und Kleinwaffenmunition aus dem Bestand der
Bundeswehr und der NVA wurden bis Ende 2008 unbrauchbar bzw. ver-
nichtet?

19. a) Wie viele Kleinwaffen wurden in der Bundesrepublik Deutschland
(bzw. in der ehemaligen DDR) bislang (bis Ende 2008) hergestellt (bitte
aufschlüsseln nach Waffentyp, Kaliber, Jahr, Stückzahl)?

b) Wie viele Schusswaffen wurden in der Bundesrepublik Deutschland
(bzw. in der ehemaligen DDR) bislang hergestellt (bitte aufschlüsseln
nach Waffentyp, Kaliber, Jahr, Stückzahl)?

c) Welche Mengen an Munition für Klein- und Schusswaffen wurden in
der Bundesrepublik Deutschland (bzw. in der ehemaligen DDR) bislang
hergestellt (bitte aufschlüsseln nach Munitionstyp, Jahr, Stückzahl)?

Berlin, den 16. April 2009
Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.