BT-Drucksache 16/12583

Rettung des Chip-Herstellers Qimonda und des Technologie-Standortes Dresden

Vom 7. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12583
16. Wahlperiode 07. 04. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Sabine Zimmermann, Katja Kipping, Roland
Claus, Monika Knoche, Michael Leutert, Ulla Lötzer, Dr. Ilja Seifert, Dr. Petra Sitte,
Dr. Axel Troost, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Rettung des Chip-Herstellers Qimonda und des Technologie-Standortes Dresden

Während die Bundespolitik über Rettungspläne für Autobauer diskutiert, blei-
ben andere Branchen weitgehend unbeachtet. Für den Chip-Hersteller Qimonda
wurde mittlerweile das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Transfergesell-
schaft geschaffen. Wenn nicht schnellstens ein Investor für einen Neuanfang ge-
funden wird, kommt das endgültige Aus für tausende Arbeitsplätze in Dresden,
München und anderswo.

Qimonda war ein wichtiger Knotenpunkt für Forschungsstrukturen im Bereich
Nano- und Mikroelektronik in Sachsen mit verschiedenen Instituten (CNT,
Namlab etc.). Unter Beteiligung von Qimonda bewarb sich der Cluster „Cool
Silicon“ erfolgreich um eine Förderung im Rahmen des Spitzenclusterwett-
bewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Ziel des
Clusters, so die Selbstdarstellung, sei die Aufrechterhaltung des „Wachstums-
trends“ der Mikroelektronik in der Region.

Der Bereich der Mikroelektronik wurde lange als „Leuchtturm“ im Osten der
Bundesrepublik Deutschland gefördert und als eines der erfolgreichsten Bei-
spiele für die „Aufbau Ost“-Politik verschiedener Regierungen gelobt. Weil das
Verschwinden von Qimonda voraussichtlich mit einem Verschwinden von
vielen Zulieferern und mit einem Einbruch bei der Dresdner Forschungsinfra-
struktur verbunden wäre, müsste das als weiterer Rückschlag für den „Aufbau
Ost“ gewertet werden.

Zudem würden mit den Kapazitäten Qimondas die letzten in Europa verbliebe-
nen Kompetenzen im Bereich der Speichertechnologieentwicklung verloren
gehen – die Abhängigkeit von Produzenten in den USA und Korea würde
wachsen und die Gefahr einer Monopolisierung steigen. In anderen Bereichen,
wie dem Flugzeugbau, rechtfertigt dieses Problem massive staatliche Eingriffe.

Der Qimonda-Insolvenzverwalter Michael Jaffé sucht trotz des eröffneten
Insolvenzverfahrens weiter nach einem Investor, der ein Qimonda-Nachfolge-
unternehmen aufbauen könnte. Er warb noch im März unter anderem für eine
Beteiligung des Bundes und sagte: „Falls weder der Bund noch Sachsen und/

oder Bayern bereit sind, sich an dem Gesellschafts- und Finanzierungsmodell
zu beteiligen, wird sich ein Investorenkonzept im aktuellen (…) Finanzierungs-
umfeld (…) nicht realisieren lassen.“ Eine staatliche Beteiligung müsse mit
Eigenkapital erfolgen.

Drucksache 16/12583 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um eine Insolvenz
von Qimonda abzuwenden, und aus welchem Grund sind diese Maß-
nahmen gescheitert?

2. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung noch ergreifen, um einen
Neuanfang im Bereich der Speicherchiptechnologieentwicklung mit einem
Qimonda-Nachfolgeunternehmen zu ermöglichen?

3. Warum hat die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, bisher nicht den offe-
nen Brief der IG Metall Dresden vom Februar dieses Jahres beantwortet?

4. Welche Gespräche und gemeinsamen Aktivitäten hat die Bundesregierung
mit der portugiesischen Regierung zur Rettung der Qimonda-Standorte
durchgeführt, und was haben diese Gespräche ergeben?

5. Welche Standpunkte hat die Bundesregierung in Gesprächen mit Vertretern
der Europäischen Union und mit dem Qimonda-Insolvenzverwalter ver-
treten, und was haben diese Gespräche ergeben?

6. Beabsichtigt die Bundesregierung sich an der Transfergesellschaft für die
Dresdner Qimonda-Beschäftigten finanziell zu beteiligen, um diesen eine
mittelfristige Perspektive zu geben und mehr Zeit für die Suche eines
neuen Investors zu gewinnen, und wie begründet sie ihre Antwort?

7. Welche Gespräche und Aktivitäten gibt es zwischen der Bundesregierung
und der sächsischen Landesregierung hinsichtlich der Suche eines neuen
Investors und der Finanzierung der Transfergesellschaft?

8. Ist die Bundesregierung bereit, Qimonda bzw. dem möglichen Nachfolge-
unternehmen eine Bürgschaft in Aussicht zu stellen, wie es die Bundes-
kanzlerin, Dr. Angela Merkel, am 31. März 2009 gegenüber Opel gemacht
hat?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, unter welchen Bedingungen?

9. Wie verhält sich die Bundesregierung dazu, dass das chinesische Unter-
nehmen Inspur „ernsthaft an einer sehr weitgehenden Zusammenarbeit“
(Michael Jaffé) mit einem Qimonda-Nachfolgeunternehmen interessiert ist,
sich aber offenbar nur beteiligen will, wenn auch der Staat einsteigt (Frank-
furter Rundschau, 17. März 2009)?

10. Wird der Bund sich am Eigenkapital eines möglichen Qimonda-Nachfolge-
unternehmens beteiligen, und wie begründet die Bundesregierung ihre
Position?

11. Wie hoch sind die sozialen Folgekosten (Zahlung des Arbeitslosengeldes,
fehlende Steuer- und Beitragseinnahmen, mögliche Kosten für Umschulung
bzw. Fortbildung usw.) für einen möglichen Wegfall der mit Qimonda direkt
oder indirekt verbunden 8 000 bis 10 000 Arbeitsplätze?

12. Welche Fördergelder sind in welcher Höhe seit 1990 in den Bereich Mikro-
elektronik in Sachsen geflossen (bitte aufgliedern nach Mitteln des Bundes,
Mitteln des Landes und Mitteln der EU und jeweils die Bindungsfristen
angeben)?

13. Welche Fördergelder sind in welcher Höhe in das Unternehmen Infineon
bzw. Qimonda geflossen (bitte aufgliedern nach Mitteln des Bundes,
Mitteln des Landes und Mitteln der EU und jeweils die Bindungsfristen
angeben)?
14. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung dem Bereich der Mikro-
elektronik im Zusammenhang mit dem „Aufbau Ost“ bei?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12583

15. Wie wird die Bundesregierung ihre Aufbau-Ost-Strategie in Reaktion auf
die Qimonda-Insolvenz abändern, welche neuen Prioritäten wird sie ge-
gebenenfalls setzen, und wie begründet sie ihre Position?

16. Welche Auswirkungen auf den Wirtschafts- und Forschungsstandort
Sachsen, auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost- und
Westdeutschland und hinsichtlich des Ziels, eine selbsttragende Wirt-
schaftsstruktur in Ostdeutschland zu erreichen, erwartet die Bundesregie-
rung für den Fall eines endgültigen Verschwindens von Qimonda?

17. Inwiefern kann das mit der BMBF-Förderung verbundene Entwicklungs-
ziel des Clusters „Cool Silicon“, den Wachstumskurs der Mikroelektronik
in Dresden fortzusetzen, unter den gegebenen Umständen (Qimonda-
Pleite, AMD-Turbulenzen …) noch erreicht werden, und wie begründet die
Bundesregierung ihre Position?

18. Inwiefern plant die Bundesregierung eine gesonderte Zwischenevaluierung
oder eventuelle Neujustierungen in der Förderung für den Cluster „Cool
Silicon“ im Rahmen des Spitzenclusterwettbewerbs, und inwiefern wird
die Bundesregierung die aktuellen Probleme für eine grundlegende Über-
arbeitung des Spitzenclusterwettbewerbs zum Anlass nehmen?

19. Welche Konsequenzen wird die Qimonda-Insolvenz aus Sicht der Bundes-
regierung für die Neugründung des Fraunhofer-Instituts „All Silicon System
Integration Dresden“ haben, und inwiefern sind zusätzliche Stützungsmaß-
nahmen für die Fraunhofergesellschaft nötig, um die Gründung zu ermög-
lichen?

20. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Insolvenzverwalters Michael
Jaffé, dass „die Technologiekompetenz des ‚Rohstoffs Chip‘ auch viele an-
dere deutsche und europäische Industrien technologisch und wirtschaftlich
(…) weitergebracht hat und – bei einem Erhalt dieser Kompetenz in
Deutschland und Europa – weiterbringen wird“, und wie begründet sie ihre
Position?

Berlin, den 6. April 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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