BT-Drucksache 16/1232

Novellierung des Urheberrechts

Vom 11. April 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1232
16. Wahlperiode 11. 04. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jerzy Montag, Grietje Bettin, Volker Beck (Köln), Kai Boris
Gehring, Ekin Deligöz, Priska Hinz (Herborn), Monika Lazar, Irmingard
Schewe-Gerigk, Silke Stokar von Neuforn, Wolfgang Wieland und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Novellierung des Urheberrechts

Am 22. März 2006 hat die Bundesregierung im Kabinett den Entwurf eines
Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesell-
schaft verabschiedet. Mit diesem Gesetz will die Regierung die nicht zwingen-
den Vorgaben der Richtlinie 2001/29 EG zur Harmonisierung bestimmter
Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informa-
tionsgesellschaft umsetzen. Der Entwurf betrifft im Wesentlichen die Ausgestal-
tung von Schrankenbestimmungen bei der Privatkopie, der Wissenschaft und in
Unterricht und Forschung sowie die Neugestaltung des Vergütungssystems.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN halten den Entwurf an vielen Stellen für nachbes-
serungsbedürftig. Er weist insbesondere in strittigen Punkten die Argumentation
der Geräteindustrie und der Rechteverwerter auf, während die Anliegen der Ur-
heber, Verbraucher und die Bedürfnisse von Unterricht und Forschung kaum
Eingang in die Formulierungen gefunden haben. Daraus ergeben sich zwingen-
de Fragen zu einzelnen Komplexen des Entwurfs:

Der Gesetzentwurf schlägt ein neues Vergütungssystem (§§ 54, 54a UrhG) vor.
In § 54a Abs. 4 UrhG wird das Verhältnis von Geräte- und Speichermedien zur
Vergütungshöhe konkretisiert, wonach die Gerätehersteller nicht unzumutbar
beeinträchtigt werden dürfen und die Vergütung im Verhältnis zum Preis der
Geräte wirtschaftlich angemessen sein soll. In Satz 3 heißt es weiter: „Die Ver-
gütungsansprüche aller Berechtigten für einen Gerätetyp darf fünf vom Hundert
des Verkaufspreises nicht übersteigen“. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das
zur Vervielfältigung benötigte Zubehör der Geräte oft besonders teuer ist, wäh-
rend die Geräte an sich sehr billig angeboten werden.

Die Schrankenregelung des § 52a UrhG zur öffentlichen Zugänglichmachung in
Unterricht und Forschung ist im ersten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts
in der Informationsgesellschaft eingeführt und gemäß § 137k UrhG bis zum
31. Dezember 2006 befristet worden. Hintergrund für die Befristung war, dass
zunächst evaluiert werden sollte, welche Auswirkung die Schrankenregelung

auf die Wissenschaftsverlage haben würde. Der Gesetzentwurf sieht keine Strei-
chung der Befristung vor.

Der Entwurf regelt in § 53a Satz 2 UrhG den elektronischen Kopienversand auf
Bestellung. Danach ist den Bibliotheken der elektronische Versand von Kopien
aus Zeitungen und Zeitschriften sowie kleiner Teile von Büchern als graphische
Datei erlaubt, soweit die Verlage kein eigenes elektronisches Angebot machen.
Damit bezweckt die Bundesregierung, auf das Primärverwertungsrecht der Ver-

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lage Rücksicht zu nehmen. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es:
„Dabei geht die Bundesregierung davon aus, dass diese Rücksicht auf die Inte-
ressen der Verlage nur insoweit geboten ist, als deren eigene Angebote in elek-
tronischer Form zu angemessenen Konditionen gemacht werden.“

Der Gesetzentwurf hat ein Bibliotheksprivileg eingeführt (§52b UrhG). Nach
§ 52b Satz 1 ist es zulässig, veröffentlichte Werke in Bibliotheken, Museen und
Archiven an elektronischen Leseplätzen zur Forschung und für private Studien
zugänglich zu machen. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es hinge-
gen: „Satz 1 gestattet lediglich die Zugänglichmachung von Werken, die von den
genannten Einrichtungen erworben wurden oder die sie als Pflichtexemplare er-
halten haben. Die Regelung erlaubt also nur die öffentliche Zugänglichmachung
von Werken aus dem Bestand der jeweiligen Institution.“

Wir fragen die Bundesregierung:

I. Vergütung

1. Liegen der Bundesregierung bereits empirische Untersuchungen (Umfrage-
und Verkehrsgutachten) vor, die Aussagen über die tatsächliche Nutzung
der heute bereits bekannten Geräte und Speichermedien treffen und damit
eine Bemessungsgrundlage für die Urhebervergütung darstellen?

2. Welche Institute sollen mit dieser Marktforschungsaufgabe betraut werden
und wer soll diesen Auftrag vergeben?

3. Wie lang schätzt die Bundesregierung den von ihr in der Begründung ge-
nannten „gewissen Zeitraum“, den es bedarf, um empirische Untersuchun-
gen bei unbekannten Gerätetypen durchzuführen?

4. Inwiefern kann und soll ebenfalls zur Vervielfältigung benötigtes Zubehör
der Geräte zwecks Bemessung der Vergütungshöhe Berücksichtigung fin-
den?

5. Findet Zubehör bei der Bemessung der Vergütungshöhe im Verhältnis zum
Gerätepreis noch oberhalb der in § 54a Abs. 4 Satz 3 UrhG genannten 5-Pro-
zent-Hürde Berücksichtigung?

II. Schranken des Urheberrechts zugunsten von Unterricht und Forschung

6. Hat bereits eine Evaluation der Schrankenregelung in § 52a UrhG statt-
gefunden?

Wenn ja, zu welchen Ergebnissen hat sie geführt?

7. Falls nein, ist anderweitig bekannt, welche Erfahrungen mit der Regelung
in § 52a UrhG gemacht worden sind?

8. Wie soll in Zukunft sichergestellt werden, dass zumindest in kleinem
Umfang Kopien zu Unterrichtszwecken hergestellt und verwendet werden
können?

9. Wie soll künftig Rechtssicherheit für den Einsatz des Intranets an Schulen
und Hochschulen gewährleistet werden?

III. Elektronischer Kopienversand

10. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die Verlage von ihrem Primär-
verwertungsrecht nur zu „angemessenen Konditionen“ Gebrauch machen
werden?
Wenn ja, auf welchen Tatsachen beruht die Annahme der Bundesregierung?

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11. Was versteht die Bundesregierung unter „angemessenen Konditionen“ für
Onlineangebote der Verlage?

12. Warum hat die Bundesregierung „zu angemessenen Konditionen“ nicht in
den Wortlaut des § 53a UrhG mit aufgenommen?

13. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Aufwand für die öffentlichen
Bibliotheken ein, bei jeder Anfrage für eine digitale Kopie zu überprüfen,
zu welchen Konditionen ein Verlag das Werkstück bereits online anbietet?

14. Wie sieht die Bundesregierung die Zukunft des Versanddienstes „Subito“?

IV. Bibliotheksprivileg

15. Wie versteht die Bundesregierung den Widerspruch zwischen dem Geset-
zestext, in dem veröffentlichte Werke zugänglich gemacht werden dürfen,
und der Begründung des Gesetzentwurfs, in dem von erworbenen Werken
die Rede ist?

16. Warum nutzt die Bundesregierung den von der EU-Richtlinie gegebenen
Spielraum zugunsten Bildungseinrichtungen im § 52b des Gesetzentwurfs
nicht aus und schließt Schulen, Universitäten oder Forschungsinstitute bei
der Schrankenregelung nicht mit ein?

Berlin, den 11. April 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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