BT-Drucksache 16/12303

Finanzumsatzsteuer auf EU-Ebene einführen

Vom 18. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12303
16. Wahlperiode 18. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Kai Gehring, Ulrike Höfken, Thilo Hoppe,
Ute Koczy, Markus Kurth, Anna Lührmann, Kerstin Müller (Köln), Manuel Sarrazin,
Christine Scheel, Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Finanzumsatzsteuer auf EU-Ebene einführen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Gegenwärtig sind Umsätze mit Aktien und Derivaten innerhalb der EU weit-
gehend frei von Besteuerung. Diese Ausnahme ist ungerecht. Wie andere Pro-
dukte und Dienstleistungen auch sollen Finanztransaktionen mit einer Umsatz-
steuer belegt werden. Es ist auch kein steuersystematisches Argument erkenn-
bar, warum Umsätze an Finanzmärkten im Gegensatz zu Umsätzen bei Waren
und Dienstleistungen nicht besteuert werden sollen. Eine Einführung ist zu-
nächst für die EU und den wichtigen Finanzplatz Schweiz, später weltweit an-
zustreben.

Von der Steuerbefreiung auf Finanzprodukte profitieren insbesondere Akteure,
die sehr aktiv an den Kapitalmärkten tätig sind, sowie wenige Finanzplätze.
Langfristig orientierte Kapitalanlagen wie z. B. zur privaten Altersvorsorge
werden durch eine Finanzumsatzsteuer kaum belastet, wohl aber häufige Trans-
aktionen wie z. B. von Daytradern.

Schon ein sehr geringer Steuersatz würde aufgrund der hohen Umschlagshäufig-
keit zu einem solidarischen Finanzierungsbeitrag der Kapitalmarktakteure an
den öffentlichen Haushalten sorgen. Das Österreichische Institut für Wirtschafts-
forschung geht in einer Studie von einem Steuersatz von 0,01 Prozent aus.
Daraus ergibt sich ein EU-weites Steueraufkommen von gut 70 Mrd. Euro pro
Jahr. Einbezogen werden dabei alle Umsätze an Börsen und der außerbörsliche
Handel zwischen Finanzmarktakteuren (over the counter). Letzterer sorgt für den
Großteil der Umsätze.

Eine Finanzumsatzsteuer kann auf überschießende Entwicklungen einwirken
und den Hang der Finanzmärkte zur Konstruktion von risikoreichen und von
der Realwirtschaft weitgehend abgekoppelten Finanzprodukten mäßigen.

Die Finanzumsatzsteuer ist eine wichtige Ergänzung anderer europäischer

Maßnahmen für mehr Finanzmarktstabilität wie eine europaweite Aufsicht für
große Banken und Versicherungen, Eigenkapitalvorschriften und die Regulie-
rung von Hedgefonds und Ratingagenturen.

Ebenso wie die Einnahmen der gemeinsamen Zollpolitik im Wesentlichen der
EU zufließen, sollte auch eine Besteuerung von Finanztransaktionen zur Finan-
zierung der EU beitragen, da sie nicht sinnvoll einem einzelnen Staat zuzuteilen

Drucksache 16/12303 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
sind. Programme wie der Europäische Sozialfonds, die Verlierern des Struktur-
wandels helfen sollen, sollten in einem sozialen Europa überwiegend von den
Gewinnern des Finanzbinnenmarkts bezahlt werden. Die Belastung tragen all
jene, die die Finanzmärkte intensiv durch häufige Transaktionen nutzen. Wohl-
habende Länder mit einer großen Finanzbranche würden in einem solchen Sys-
tem mehr an die EU abführen als kleine und weniger reiche Länder.

Fließen die Einnahmen aus der Finanzumsatzsteuer weitgehend vollständig in
das EU-Budget, können die Mitgliedsbeiträge der Staaten gekürzt werden. So
bleibt die Gesamtbelastung der Bürgerinnen und Bürger gleich, sie verschiebt
sich aber tendenziell zu Akteurinnen und Akteuren auf den Finanzmärkten. Um
den Mitgliedstaaten einen Anreiz für die effektive Erhebung der Finanzumsatz-
steuer zu geben, soll ein Teil der Steuereinnahmen in den nationalen Haushal-
ten verbleiben.

Die Finanzumsatzsteuer ist umfassender als beispielsweise die Tobin-Tax,
die sich nur auf Devisenumsätze bezieht. Gelder aus der Devisenbesteuerung
können also in die Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit fließen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich für die Einführung einer Finanzumsatzsteuer einzusetzen:

● In einem ersten Schritt wird die EU-Kommisson aufgefordert einen Vor-
schlag für die Einführung einer Finanzumsatzsteuer vorzulegen.

● In einem zweiten Schritt soll die verbindliche Einführung einer Finanz-
umsatzsteuer im EU-Ministerrat beschlossen werden. Dabei sollen sowohl
ein Zeitplan, die Ausgestaltung einer solchen Steuer und die Verwendung
beschlossen werden.

● Drittens soll die EU auf internationaler Ebene die Einführung einer welt-
weiten Finanzumsatzsteuer fordern und einen globalen Umsetzungsplan
vorschlagen. Diese Forderung soll die EU bei den Gesprächen innerhalb der
G20 einbringen.

Berlin, den 18. März 2009

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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