BT-Drucksache 16/12293

Adoptionen von minderjährigen Kindern fördern

Vom 18. März 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12293
16. Wahlperiode 18. 03. 2009

Antrag
der Abgeordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Miriam Gruß, Michael Kauch, Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Rainer
Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Mechthild Dyckmans, Jörg van
Essen, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen,
Hans-Michael Goldmann, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff, Birgit Homburger,
Hellmut Königshaus, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann,
Harald Leibrecht, Dr. Erwin Lotter, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Frank
Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele,
Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Adoptionen von minderjährigen Kindern fördern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die soziale Bedeutung der Adoption liegt in der Fürsorge für Kinder, deren
Eltern diese Verantwortung nicht oder nicht mehr wahrnehmen können. Eine
Adoption kann erfolgen, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten
ist, dass zwischen den Adoptiveltern und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis
entsteht.

2007 ist die Zahl der Adoptionen weiter gesunken. In Deutschland wurden im
Jahr 2007 insgesamt 4 509 Kinder und Jugendliche adoptiert, d. h. 5 Prozent we-
niger als im Vorjahr. Damit setzt sich die rückläufige Entwicklung der vergan-
genen Jahre fort. Gegenüber 1993 hat sich die Zahl der Adoptionen fast halbiert
(Statistisches Bundesamt vom 25. August 2008). Rund 55 Prozent der im Jahr
2007 adoptierten Minderjährigen wurden von einem Stiefelternteil oder von
Verwandten als Kind angenommen. Dies bedeutet gegenüber 2006 einen Rück-
gang um 4 Prozentpunkte. Dementsprechend hat sich der Anteil der Adoptionen,
bei denen Adoptiveltern und Kind einander „fremd“ waren, von 41 Prozent auf
45 Prozent erhöht. 32 Prozent der adoptierten Kinder besaßen nicht die deutsche
Staatsangehörigkeit. Da nicht alle Adoptionen ausländischer Kinder den deut-
schen Adoptionsvermittlungsstellen bekannt sind, sind nicht alle Auslandsadop-

tionen erfasst. Der Anteil der unbegleiteten Adoptionen an der Gesamtzahl der
Auslandsadoptionen wird auf 50 Prozent geschätzt (Antwort der Bundesregie-
rung zu Frage 45 auf Bundestagsdrucksache 16/12247). Die Zahl der zur
Adoption vorgemerkten Kinder blieb mit 886 gegenüber 2006 nahezu unverän-
dert. Demgegenüber lagen den Adoptionsvermittlungsstellen insgesamt 8 914
Adoptionsbewerbungen vor. Einem zur Adoption vorgemerkten Kind standen
rein rechnerisch zehn mögliche Adoptiveltern gegenüber.

Drucksache 16/12293 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Bundesrepublik Deutschland wurde 2002 Vertragsstaat des „Haager Über-
einkommens über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem
Gebiet der internationalen Adoption“ (HAÜ). Nach der Präambel muss das
Wohl des Kindes im Vordergrund stehen. Dies gelte auch und insbesondere
dann, wenn für das Kind mit der Adoption ein Wechsel in ein fremdes geografi-
sches und kulturelles Umfeld verbunden ist. Eine Adoption in ein anderes Land
soll danach grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn die Adoptionsbedürftigkeit
des Kindes feststeht, d. h. in der Herkunftsfamilie ein Verbleib nicht möglich ist
und sich im Heimatstaat des Kindes keine geeigneten Bewerber finden. Kinder-
handel sowie unstatthafte Vermögens- und sonstige Vorteile in Zusammenhang
mit einer Adoption sollen verhindert werden.

Adoptionen aus Nichtvertragsstaaten des Haager Übereinkommens sind nach
geltender Rechtslage möglich (Bundestagsdrucksache 16/4094, S. 13). Die
Berücksichtigung des Kindeswohls hängt von den im Herkunftsstaat geltenden
Anforderungen ab. 4 Prozent der Adoptionen werde die Anerkennung nach
§ 16a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
(FGG) bzw. jetzt § 109 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) in Deutsch-
land versagt. Unter Einbeziehung der Verfahren, die mit einer gerichtlich emp-
fohlenen Antragsrücknahme, Nichtbetreiben des Verfahrens u. Ä. beendet wor-
den sind, lässt sich feststellen, dass etwa 10 Prozent der gerichtlichen Anerken-
nungsverfahren nicht mit einer Anerkennung der ausländischen Adoptionsent-
scheidung abgeschlossen werden. Für die Jahre 2007 und 2008 ergibt sich bei
den Ablehnungsentscheidungen eine leichte Steigerung bis ca. 5,5 Prozent (Ant-
wort der Bundesregierung zu Frage 45 auf Bundestagsdrucksache 16/12247
m. w. N.).

Das „Gesetz über die Vermittlung der Annahme als Kind und über das Verbot
der Vermittlung von Ersatzmüttern“ (Adoptionsvermittlungsgesetz/AdVermiG)
sieht vor, dass jede Adoptionsvermittlungsstelle mit mindestens zwei Vollzeit-
fachkräften besetzt sein muss. Adoptionsvermittlungsstellen in freier Träger-
schaft müssen nachweisen, dass sie für die Arbeit auf dem Gebiet der Adop-
tionsvermittlung in besonderem Maße geeignet sind. Sie unterliegen der Kon-
trolle durch die zentralen Adoptionsstellen der Landesjugendämter. Statistische
Erhebungen zur Verfahrensdauer liegen nicht vor. In der Regel nimmt die Eig-
nungsprüfung durch das örtliche Jugendamt zwischen sechs und zwölf Monate
in Anspruch; bei problematischen Bewerbungen kann es ein längerer Zeitraum
sein. Nach der Feststellung der Adoptionseignung hängt die Dauer des Verfah-
rens davon ab, ob Kinder zur Adoption freigegeben werden. Bei Auslandsadop-
tionen hängt die Verfahrensdauer vom Herkunftsstaat des Kindes sowie davon
ab, wer die Kinder vermittelt. Die Bandbreite reicht von wenigen Monaten bis
zu mehreren Jahren (Bundestagsdrucksache 15/4240, S. 6 f.).

Eingetragene Lebenspartner können nach § 1741 Abs. 2 des Bürgerlichen Ge-
setzbuchs (BGB) nur als Einzelpersonen adoptieren. Nach § 9 Abs. 6 des Le-
benspartnerschaftsgesetzes (LPartG) ist die Einwilligung des anderen Lebens-
partners erforderlich. Es besteht bisher lediglich die Möglichkeit einer Stief-
kindadoption, d. h. der Adoption eines leiblichen Kindes des Partners oder der
Partnerin aus einer früheren Beziehung. Das revidierte „Europäische Überein-
kommen über die Adoption von Kindern“, das vom Ministerkomitee am 7. Mai
2008 angenommen wurde, ermöglicht Alleinstehenden und heterosexuellen un-
verheirateten Paaren, deren Partnerschaft in einem Staat, der diese Verbindung
anerkennt, eingetragen ist, die Adoption eines Kindes. Das Übereinkommen
überlässt den Staaten die Entscheidung, in einer stabilen Partnerschaft zusam-
menlebenden gleichgeschlechtlichen Partnern die Adoption eines Kindes zu er-
möglichen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12293

Eine gesetzliche Altersbeschränkung bei Adoptionen nach oben gibt es in
Deutschland nicht, sondern nur gemäß § 1743 BGB nach unten (25 Jahre). Nach
Nummer 6.4.2.2 Absatz 2 der Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft
der Landesjugendämter zur Adoptionsvermittlung soll der Altersunterschied
zwischen dem zu adoptierenden Kind und den Adoptiveltern nicht größer als
40 Jahre sein. Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine An-
frage aus, dass diese Fragen letztlich in jedem Einzelfall von den zuständigen
Stellen geprüft und beantwortet werden müssten. In diesem Zusammenhang
sollten die gesellschaftliche Entwicklung und der veränderte Altersaufbau der
Gesellschaft berücksichtigt werden (Bundestagsdrucksache 15/4240, S. 9).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. bei unbegleiteten Adoptionen von Kindern vor Einreise der Kinder in die
Bundesrepublik Deutschland bzw. bei Visaerteilung eine summarische Prü-
fung der Anerkennungsfähigkeit der Adoption bei den deutschen Auslands-
vertretungen durchführen zu lassen;

2. sich bei den Landesjugendämtern angesichts des geplanten Ausbaus der Kin-
dertagesbetreuung für eine Streichung von Nummer 6.4.2.12 der Empfehlun-
gen zur Adoptionsvermittlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landes-
jugendämter einzusetzen, wonach die Erziehung des Kindes nicht über-
wiegend durch außerhalb der Familie stehende Personen wahrgenommen
werden soll;

3. in einer Lebenspartnerschaft zusammenlebenden gleichgeschlechtlichen
Paaren die gemeinsame Adoption zu ermöglichen;

4. bei den Landesjugendämtern darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Prü-
fung des Alters des Adoptionsbewerbers um ein Merkmal handelt, dessen
Bedeutung für die Adoption in jedem Fall individuell zu beurteilen ist;

5. § 1743 BGB dahingehend zu ändern, dass gesetzlich festgehalten wird, dass
ein Altersunterschied zwischen dem zu adoptierenden Kind und den Adop-
tionsbewerbern von mehr als 40 Jahren im Einzelfall als unschädlich angese-
hen werden kann;

6. gesetzliche Änderungen dahingehend vorzulegen, dass bei Stiefkindadoptio-
nen wie bei Erwachsenenadoptionen ermöglicht wird, das Verwandtschafts-
verhältnis zu beiden leiblichen Elternteilen bei einvernehmlichem Wunsch
von Mutter, Vater und adoptionswilligem Stiefelternteil bei notarieller Beur-
kundung beizubehalten;

7. auf der Grundlage der bereits durchgeführten Voruntersuchungen For-
schungsvorhaben zu initiieren, die ermitteln, welche Faktoren zu einem Ge-
lingen von Adoptionen beitragen, und in einem Forschungsprojekt zu unter-
suchen, inwieweit begleitete Adoptionen eine höhere Gewähr dafür bieten,
dass sich das angestrebte Eltern-Kind-Verhältnis entwickelt;

8. die Erfahrungen der letzten Jahre mit den geänderten adoptionsrechtlichen
Vorschriften zu evaluieren und den Deutschen Bundestag über die Ergebnisse
der ressortübergreifenden Bund-Länder-Gruppe zu informieren.

Berlin, den 17. März 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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