BT-Drucksache 16/11948

Vermietung der bundeseigenen Liegenschaft Flughafen Tempelhof an die Modemesse Bread & Butter

Vom 11. Februar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11948
16. Wahlperiode 11. 02. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hellmut Königshaus, Markus Löning, Ulrike Flach, Jens
Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Jörg van Essen, Otto
Fricke, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen,
Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter
Haustein, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia
Pieper, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig
Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Vermietung der bundeseigenen Liegenschaft Flughafen Tempelhof an die
Modemesse Bread & Butter

Das Land Berlin hat wesentliche Teile der Liegenschaft Flughafen Tempelhof
für die nächsten zehn Jahre für jeweils zwei Monate im Jahr an die Modemesse
„Bread & Butter“ vermietet. Von dieser Entscheidung sind auch die Eigen-
tumsinteressen des Bundes berührt. Die Liegenschaft steht in Teilen weiterhin
im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und damit mittelbar
im Eigentum des Bundes. Die landeseigene Berliner Immobilienmanagement
GmbH (BIM) ist zurzeit Geschäftsbesorger der Bundesanstalt für Immobilien-
aufgaben, die gegenüber der landeseigenen BIM Geschäftsherr ist.

Durch die Vermietung an „Bread & Butter“ ist zu befürchten, dass ein Verkauf
der Liegenschaft für die kommenden zehn Jahre deutlich erschwert, wenn nicht
sogar unmöglich wird. Da die Liegenschaft nur jeweils zwei Monate im Jahr
durch die Modemesse ausgelastet sein wird, droht ein Leerstand der Liegen-
schaft in den restlichen zehn Monaten der Jahre 2009 bis 2019. Es ist unwahr-
scheinlich, dass weitere Investoren gefunden werden können, die die Liegen-
schaft nachhaltig entwickeln. Als Miteigentümer könnte dies für den Bund zu
einem erheblichen finanziellen Schaden führen.

Diese Entwicklung hat nicht nur negative Auswirkungen auf die angrenzende
Freifläche, sondern beeinträchtigt auch die städtebauliche Entwicklung in den
Bezirken Tempelhof, Kreuzberg und Neukölln nachhaltig.
Wir fragen daher die Bundesregierung:

1. War die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Geschäftsherr der BIM
bei den Verhandlungen mit der Modemesse „Bread & Butter“ unmittelbar
beteiligt?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 16/11948 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Vertragspartner beim Vertrag
mit der Modemesse „Bread & Butter“ geworden?

3. Hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Geschäftsherr der BIM
dem Vertrag mit der Modemesse „Bread & Butter“ zugestimmt?

Wenn nein, wie beurteilt die Bundesregierung den Vertragsabschluss?

4. War das Bundesministerium der Finanzen (BMF) bei den Verhandlungen
mit der Modemesse „Bread & Butter“ unmittelbar beteiligt?

Wenn nein, warum nicht?

5. Wann genau wurde das Bundesministerium der Finanzen über den Ab-
schluss des Vertrages mit der Modemesse „Bread & Butter“ informiert?

6. Hat das Bundesministerium der Finanzen dem Vertrag mit der Modemesse
„Bread & Butter“ zugestimmt oder hat es den Vertrag genehmigt?

Wenn nein, warum nicht?

7. Wurde vom Bundesministerium der Finanzen in Hinblick auf die beson-
dere politische Bedeutung der Liegenschaft „Flughafen Tempelhof“ und
der finanziellen Folgewirkungen erwogen, den Haushaushaltsausschuss
des Deutschen Bundestages und/oder den Bundesrechnungshof im Vorfeld
des Vertragsabschlusses mit einzubeziehen?

Wenn nein, warum nicht?

8. Hatte die Bundesregierung, das Bundesministerium der Finanzen und/oder
die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben davon Kenntnis, dass sich feder-
führend der Regierende Bürgermeister des Landes Berlin in die Vertragsver-
handlungen des Geschäftsbesorgers BIM eingeschaltet hatte?

Wenn ja, wie schätzt die Bundesregierung diesen Vorgang ein?

9. Wurde von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vor dem Vertrags-
schluss mit der Modemesse „Bread & Butter“ die nach § 7 Absatz 2 Satz 1
der Bundeshaushaltsordnung erforderliche Wirtschaftlichkeitsberechnung
durchgeführt?

Wenn ja, zu welchem Ergebnis kam die Bundesanstalt für Immobilienauf-
gaben bei der Berechnung?

10. Wurde für die Wirtschaftlichkeitsberechnung ein vergleichendes, dynami-
sches finanzmathematisches Verfahren im Sinne der Richtlinien 2.1 und 2.3
zu § 7 der Bundeshaushaltsordnung gewählt?

Wenn ja, welche Fallgestaltungen wurden in der Wirtschaftlichkeitsberech-
nung miteinander verglichen, und mit welchem Ergebnis?

11. Wurde die Wirtschaftlichkeitsberechnung dem Bundesministerium der
Finanzen vor dem Vertragsschluss mit der Modemesse „Bread & Butter“
vorgelegt?

Wenn ja, gab es Einwände seitens des Bundesministeriums der Finanzen?

Wenn nein, warum nicht?

12. Hat die BIM als Geschäftsbesorger der Bundesanstalt für Immobilienauf-
gaben eine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt?

Wenn ja, zu welchem Ergebnis kam die BIM?

Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11948

13. Hat sich das Land Berlin als Eigentümer der BIM im Zusammenhang mit
dem Abschluss des Vertrages mit der Modemesse „Bread & Butter“ ver-
bindlich verpflichtet, die Liegenschaft für den vom Gutachterausschuss des
Landes Berlin festgestellten Verkehrswert von 40 Mio. Euro zu erwerben?

14. Rechnet die Bundesregierung damit, dass infolge der Vertragsgestaltung
mit der Modemesse „Bread & Butter“ der vom Gutachterausschuss des
Landes Berlin festgestellte Verkehrswert von 40 Mio. Euro reduziert wer-
den muss oder vom Land Berlin infrage gestellt wird?

Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diesen Vorgang?

15. Wann ist mit einem endgültigen Vertragsschluss zur Übernahme der Lie-
genschaft durch das Land Berlin zu rechnen?

16. Hat die Bundesanstalt für den Fall des Scheiterns der Vertragsverhandlun-
gen mit dem Land Berlin das Recht, vom Vertrag mit der Modemesse
„Bread & Butter“ zurückzutreten, den Vertrag neu zu verhandeln oder den
Vertrag zu kündigen?

Wenn ja, welche Kosten entstehen dann für den Bund?

17. Welches Konzept verfolgen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und
ihr Geschäftsbesorger BIM bei der Vermietung der Flächen in den jeweils
verbleibenden zehn Monaten eines jeden Jahres bis zum Jahr 2019?

18. Wie hoch ist unter Berücksichtigung der Einnahmen aus dem Vertrag mit
der Modemesse „Bread & Butter“ das jährliche Defizit für den Unterhalt
der Liegenschaft, wenn eine Vermietung in den verbleibenden zehn Mona-
ten unterbleibt?

19. Welche Investitionen sind im Zusammenhang mit dem Mietvertrag mit der
Modemesse „Bread & Butter“ von der Bundesanstalt für Immobilienaufga-
ben und/oder ihrem Geschäftsbesorger BIM durchzuführen?

20. In welcher Höhe hat sich die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben an
Investitionen und sonstigen Kosten im Zusammenhang mit dem Vertrag
mit der Modemesse „Bread & Butter“ zu beteiligen?

21. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die Vertragsgestaltung mit der
Modemesse „Bread & Butter“ dem Szenario 4 bzw. dem Szenario 5 des
empirica-Gutachtens entspricht (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage „Zu-
kunft des Flughafens Tempelhof“ auf Bundestagsdrucksache 16/10544)?

Wenn nein, aus welchen Gründen entspricht die Vertragsgestaltung nicht
den Szenarien 4 oder 5?

22. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die im empirica-Gutachten aus-
gewiesene mangelnde wirtschaftliche Tragfähigkeit der Szenarien 4 und 5
durch die Beschränkung der Nutzung auf zwei Monate und die Laufzeit
über zehn Jahre noch verschärft wird?

Wenn nein, warum nicht?

23. Waren der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und/oder ihrem Ge-
schäftsbesorger BIM andere Interessenten für eine Nachnutzung des Flug-
hafens Tempelhof bekannt?

Wenn ja, war bei diesen Investoren von einer gegenüber der Modemesse
höheren Wirtschaftlichkeit bei der Nachnutzung der Liegenschaft auszuge-
hen?

Drucksache 16/11948 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

24. Hatten die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben und/oder ihr Geschäfts-
besorger BIM mit diesen Interessenten vor dem Vertragsschluss mit der
Modemesse „Bread & Butter“ ernsthaft verhandelt?

Wenn ja, wann, und warum wurden die Verhandlungen mit diesen Interes-
senten abgebrochen?

25. Welche Interessenten haben sich aufgrund des Vertragsabschlusses mit
„Bread & Butter“ inzwischen zurückgezogen, da sie nur an einer ganzjähri-
gen Nutzung interessiert sind und ihr Nutzungskonzept nicht mit der Mo-
demesse vereinbar ist?

26. Enthält der Vertrag mit der Modemesse „Bread & Butter“ Wettbewerbs-
klauseln, durch die andere Modemessen oder andere branchennahe Veran-
stalter ausgeschlossen oder in sonstiger Weise tangiert werden?

Wenn ja, welche?

27. Warum wurden die Entwürfe der Interessenten im Interessensbekundungs-
verfahren „Call for ideas“ nicht in die Überlegungen der Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben und ihres Geschäftsbesorgers BIM einbezogen?

28. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass durch das parallele Interes-
senbekundungsverfahren „Call for ideas“ des Landes Berlin, das zugleich
Eigentümer des Geschäftsbesorgers BIM ist, ein Vertrauenstatbestand mit
dem Inhalt geschaffen wurde, dass in die Vergabe zur Nachnutzung die
Teilnehmer des Interessensbekundungsverfahrens hätten einbezogen wer-
den müssen?

Wenn nein, warum nicht?

29. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Teilnehmer des Interes-
senbekundungsverfahrens „Call for ideas“ wegen der offenkundigen Nutz-
losigkeit des Verfahrens infolge des Vertragsabschlusses mit der Mode-
messe „Bread & Butter“ gegenüber der Bundesanstalt für Immobilienauf-
gaben oder ihrem Geschäftsbesorger, der BIM, und/oder dem Land Berlin
Ansprüche auf Schadensersatz, entweder wegen nutzlos gewordener Auf-
wendungen oder wegen eines entgangenen Gewinns, haben?

Wenn nein, warum nicht?

30. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass durch die vorsätzliche
Behinderung des Interessensbekundungsverfahrens „Call for ideas“ der
Vertragsschluss mit der Modemesse „Bread & Butter“ gemäß § 138 des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig ist?

Wenn nein, warum nicht?

31. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass durch die Vergabe des Ver-
trages an die Modemesse „Bread & Butter“ durch die Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben und ihrem Geschäftsbesorger, der BIM, ein unzulässi-
ger Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Mitbewerbern aus dem „Call
for Ideas“ gewährt wurde?

Wenn nein, warum nicht?

32. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass im Hinblick auf die be-
kannten Vertragsbestandteile (Laufzeit des Vertrages über zehn Jahre und
die kurze Belegung von zwei Monaten während eines Jahres) ein auffallen-
des Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, so dass
durch den Vertrag die Modemesse „Bread & Butter“ eine verdeckte Sub-
vention oder Beihilfe erhält?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11948

33. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Vertrag mit der Mode-
messe „Bread & Butter“ im Hinblick auf die europäischen und nationalen
Vergabevorschriften und der jüngsten Rechtsprechung zu Grundstücksver-
trägen der öffentlichen Hand gemäß den §§ 134, 138 BGB unwirksam sein
könnten?

Wenn nein, warum nicht?

34. Hätte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben bei Berücksichtigung ihres
gesetzlichen Auftrags den Vertrag mit der Modemesse „Bread & Butter“ zu
den bekannten Bedingungen auch dann abgeschlossen, wenn ein Verkauf
der bundeseigenen Liegenschaftsteile an das Land Berlin nicht bevorstehen
würde?

Wenn ja, warum?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 11. Februar 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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