Vom 28. Januar 2009
Deutscher Bundestag Drucksache 16/11765
16. Wahlperiode 28. 01. 2009
Antrag
der Abgeordneten Rainder Steenblock, Omid Nouripour, Winfried Nachtwei,
Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, Dr. Uschi Eid,
Thilo Hoppe, Ute Koczy, Kerstin Müller (Köln), Claudia Roth (Augsburg),
Manuel Sarrazin, Jürgen Trittin und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Die Westeuropäische Union als überholtes Konstrukt auflösen
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag setzt seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen
Versammlung der Westeuropäischen Union (WEU) aus. Er fordert die Bundes-
regierung auf, die Gelegenheit des deutschen Vorsitzes der WEU in der ersten
Jahreshälfte 2009 zu nutzen, sich für eine Auflösung der WEU einzusetzen.
Berlin, den 28. Januar 2009
Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion
Begründung
Die WEU wurde 1954 aufgrund des europäischen Ost-West-Gegensatzes mit
dem Ziel gegründet, die Sicherheit der Partner durch automatischen Beistand
zu erhöhen und die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland zu ge-
währleisten. Als sicherheitspolitisches Konsultationsforum sollte die WEU als
Interessengemeinschaft einen „europäischen Pfeiler der NATO“ bilden.
Die NATO übernahm bereits kurz nach der Gründung der WEU einen Großteil
der vormals für diese vorgesehenen Aufgaben. Zunehmend stand den WEU-
Mitgliedern zudem die Europäische Gemeinschaft als Kommunikationsforum
mit größeren politischen Spielräumen zur Verfügung.
Mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation und der erfolgreichen und fort-
schreitenden europäischen Integration, nach 1989 auch über die bisherigen
Blockgrenzen und den westeuropäischen Raum hinaus, und spätestens seit dem
Vertrag von Nizza und der darin geregelten Überführung der vormals formal
durch die WEU wahrgenommenen Aufgaben in die Europäische Sicherheits-
und Verteidigungspolitik (ESVP) und die Gemeinsame Außen- und Sicher-
heitspolitik (GASP) der EU ist die WEU als Beistandsbündnis historisch über-
holt und politisch obsolet. Das Entscheidungsgremium der WEU, der Minister-
rat, hat folglich seit seinem letzten Treffen im November 2000 in Marseille
nicht mehr getagt. Nach den Erweiterungen der EU vertritt die WEU als Bünd-
nis lediglich zehn von 27 EU-Mitgliedsländern. Damit spiegelt sie die politi-
sche Realität einer erweiterten Europäischen Union nicht wider.
Drucksache 16/11765 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Im Dezember 2008 entschieden das spanische Abgeordnetenhaus und der Senat
die Teilnahme an der Parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen
Union und all ihren Organen auszusetzen. Als maßgebliche Kriterien für die
Entscheidung wurden ein effizienter Einsatz von öffentlichen Mitteln und Maß-
nahmen zur Rationalisierung der internationalen Aktivitäten des Parlaments ge-
nannt. Die Entscheidung, so die Präsidenten des spanischen Abgeordnetenhau-
ses und des Senats, stehe am Ende von Überlegungen, die von Kriterien der
Effizienz und der Kostenersparnis getragen werden.