BT-Drucksache 16/11747

Großbanken vergesellschaften

Vom 28. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11747
16. Wahlperiode 28. 01. 2009

Antrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Gesine Lötzsch, Roland Claus, Ulla Lötzer,
Ulrich Maurer, Dr. Herbert Schui und der Fraktion der DIE LINKE.

Großbanken vergesellschaften

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung hat mit der Rettung von IKB Deutsche Industriebank AG,
Hypo Real Estate AG und Commerzbank AG die Allgemeinheit mit Verlusten
oder Risiken in Höhe von rund 100 Mrd. Euro belastet. Der Versuch, die Finanz-
krise dadurch zu lösen ist gescheitert. Die bisherige Praxis der Bundesregierung,
diesen Banken Risiken und Verluste abzunehmen, stellt eine Veruntreuung von
Steuermitteln dar.

Die privaten Großbanken drosseln die Kreditversorgung und gefährden damit
Betriebe und Arbeitsplätze. Gleichzeitig reißt die Serie von Verlustmeldungen
nicht ab. Der Abschreibungsbedarf im Finanzsektor in Deutschland wird auf bis
zu 1 Bio. Euro geschätzt. Schon bereitet die Bundesregierung die Öffentlichkeit
auf weitere Rettungspakete für die Finanzinstitute vor.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

die privaten Großbanken zu 100 Prozent zu vergesellschaften und dem Bundes-
tag die hierzu erforderlichen gesetzlichen Regelungen vorzulegen.

Im Anschluss müssen folgende Maßnahmen ergriffen werden:

1. Die Kontrolle des operativen Geschäfts der Großbanken muss sichergestellt
werden. Dabei muss eine Offenlegung aller „toxischen“ Papiere und Anlagen
erfolgen.

2. Die Gründung von Zweckgesellschaften, Leerverkäufe und Ausschüttungen
an bisherige Aktionäre werden verboten.

3. „Toxische“ Papiere und Anlagen werden ausgelagert. Die damit entstehen-
den Verluste werden abgetragen durch die Bankgewinne aus dem operativen
Geschäft, den Verkauf eines Teils der riskanten Anlagen nach Prüfung der
Marktsituation. „Schrottpapiere“ und nicht abtragbare Verluste werden nicht
sozialisiert, sondern durch die Aufnahme einer Zwangsanleihe für Einkom-
mensbezieherinnen und -bezieher ab einem zu versteuernden jährlichen Ein-

kommen von über 1 Mio. Euro finanziert.

4. Effektive Maßnahmen zur Bekämpfung von Steueroasen werden umgehend
umgesetzt.

Berlin, den 28. Januar 2009

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Drucksache 16/11747 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Begründung

Der verantwortungsvolle Umgang mit Steuergeldern gebietet, dass die Finanz-
krise effektiv und ohne Kostenabwälzung auf die Steuerzahlerinnen und -zahler
gelöst wird.

Alle bisherigen Experimente zur Rettung der Großbanken haben zu immensen
finanziellen Belastungen der öffentlichen Hand geführt, ohne dass der damit be-
absichtigte Zweck erreicht worden wäre: Die Kreditversorgung der Wirtschaft
hat sich weiterhin verschlechtert. Die Großbanken vergeben weiterhin kaum
Kredite, da sie den Großteil der faulen, unverkäuflichen verbrieften Kredite
noch abschreiben müssen. Eine von der Deutschen Bundesbank und der Bundes-
anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht durchgeführte Umfrage unter den
20 größten Banken in Deutschland förderte zu Tage, dass noch mindestens
300 Mrd. Euro abzuschreiben sind; andere Schätzungen gehen inzwischen sogar
von einem abzuschreibenden Volumen in Höhe von 1 Bio. Euro aus. Das Bei-
spiel Großbritannien zeigt, dass die dortigen Rettungspakete durch gezielte
Attacken unterlaufen werden: Spekulanten wetten weiterhin mit Leerverkäufen
auf fallende Aktienkurse und torpedieren so sämtliche Rettungsversuche.

Der Londoner Wirtschaftswissenschaftler Willem Buiter, Professor an der re-
nommierten London School of Economics and Political Science, stellt neben der
Kostengünstigkeit einen weiteren Vorteil der Komplettverstaatlichung heraus:
Auf diesem Wege kann auch problemlos eine „Bad Bank“ zur Abnahme der fau-
len Kredite eingerichtet werden. Unter den bisherigen Bedingungen birgt die
Gründung einer „Bad Bank“ die Gefahr, dass „toxische“ Papiere und Anlagen
zu teuer von der öffentlichen Hand aufgekauft werden – die Bestimmung eines
„fairen“ Preises für diese Papiere erweist sich als undurchführbar. Dieses Be-
wertungsproblem entfällt bei einer Vergesellschaftung und die Banken wären
damit wieder in der Lage, neue Kredite auszugeben.

Der Fall der Commerzbank AG demonstriert eindringlich, dass die Komplett-
übernahme billiger ist als die Subventionierung der Großbanken: Für maximal
5 Mrd. Euro wäre die Bank im Januar komplett aufzukaufen gewesen, während
sich die staatlichen Zuschüsse inzwischen auf mehr als 18 Mrd. Euro belaufen.

Nur die 100-prozentige Vergesellschaftung gewährleistet eine Einflussnahme im
öffentlichen Interesse und die Verhinderung einer Kreditklemme.

Eine mögliche Reprivatisierung der verstaatlichten Banken zu einem späteren
Zeitpunkt ist nicht ausgeschlossen. Entscheidend ist, dass zuvor die Verluste
samt Verzinsung aus der Finanzkrise ausgeglichen wurden.

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