BT-Drucksache 16/11704

Die internationale, unternehmensinterne Migration verbessern

Vom 21. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11704
16. Wahlperiode 21. 01. 2009

Antrag
der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Max Stadler, Gisela Piltz,
Christian Ahrendt, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van
Essen, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund
Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen),
Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp,
Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Frank
Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Rainer Stinner, Carl-
Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Die internationale, unternehmensinterne Migration verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Deutschland wird von der weltweiten Finanzkrise nicht verschont und befindet
sich in einer wirtschaftlich herausfordernden Situation. Die Auswirkungen
bekommt die deutsche Wirtschaft immer deutlicher zu spüren. Die aktuellen
Voraussagen lassen einen Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Insolvenzen
befürchten. Gerade jetzt müssen deshalb Wirtschaftshemmnisse beseitigt und
Maßnahmen ergriffen werden, die die Auswirkungen der konjunkturellen
Schwierigkeiten abfedern. Maßnahmen, die nicht nur kurzfristig, sondern nach-
haltig wirken und Deutschland am Ende gestärkt aus der Krise hervorgehen las-
sen. Die derzeitige weltwirtschaftliche Lage wirkt sich negativ auf die deutsche
Wirtschaft aus, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch zahlreiche
hausgemachte Probleme gibt, die gelöst werden müssen, um Deutschland im in-
ternationalen Wettbewerb besser aufzustellen. In vielen Branchen stockte bereits
vor der öffentlich diskutierten Krise der wirtschaftliche Aufschwung. Einer der
Gründe ist darin zu sehen, dass bereits seit längerer Zeit ein akuter Fachkräfte-
mangel in Deutschland herrscht. Gerade jetzt werden aber Fachkräfte benötigt,
die innovative Ideen in Produkte einbringen. Innovation ist ein wirksames Mittel
gegen sinkende Verkaufszahlen in der Industrie. Die deutschen Unternehmen

müssen vorausdenken und sich gerade jetzt von den Wettbewerbern abheben.
Dann werden auch deutsche Produkte trotz der schwierigen Lage vermehrt ge-
kauft. Innovative Produkte ermöglichen bessere Absatzzahlen, sorgen für weni-
ger Entlassungen und bieten eine Chance auf die Minderung der Auswirkungen
der weltweiten Finanzkrise. Für die Herstellung innovativer Produkte benötigen
die Unternehmen die Zuwanderung von Hochqualifizierten und Fachkräften aus
dem Ausland sowie ein Konzept zur Internationalisierung des Arbeitsmarktes,

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da es in Deutschland momentan aus den verschiedensten Gründen nicht ausrei-
chend Fachkräfte gibt.

Die Fraktion der FDP hat bereits vor längerer Zeit die Initiative ergriffen und ein
Konzept zur teilweisen Beseitigung des Fachkräftemangels in den Deutschen
Bundestag eingebracht (vgl. Bundestagsdrucksache 16/8492). Ein weiterer
wichtiger Baustein zur Lösung der bestehenden Probleme im Bereich der feh-
lenden internationalen Fachkräfte ist eine grundlegende Änderung und Verein-
fachung der Zuwanderung von international tätigen Fachkräften aus dem Aus-
land im unternehmensinternen Bereich (sogenannte Expatriates).

Zahlreiche Unternehmen sind inzwischen international tätig. Durch diese glo-
bale Vernetzung sichern die Unternehmen auch Arbeitsplätze am Standort
Deutschland. Die internationale Vernetzung bedingt aber auch ein hohes Maß an
Mobilität für die Beschäftigten der Unternehmen. Die Unternehmen entsenden
ihre Mitarbeiter meistens für einen begrenzten Zeitraum, um die weltweite Zu-
sammenarbeit innerhalb des Unternehmens zu optimieren. Die Entsendungen
haben die unterschiedlichsten Gründe: So werden beispielsweise durch unter-
nehmensinterne Entsendungen Schlüsselpositionen besetzt, wenn an einem
Standort ein Fachkräftemangel herrscht, wie dies zum Beispiel in Deutschland
der Fall ist. Andere Gründe können die gewollte Zusammensetzung internatio-
naler Projektteams, die Ausbildung von Mitarbeitern oder der Austausch von
Know-how sein. Teilweise werden für einen bestimmten Zeitraum eingearbei-
tete Spezialisten benötigt, die den Arbeitsprozess wesentlich beschleunigen und
so dem in Deutschland ansässigen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil ge-
genüber Mitbewerbern aus anderen Ländern verschaffen können. Gerade in die-
ser schwierigen Phase für unsere Unternehmen müssen diese die Möglichkeit
haben, Mitarbeiter flexibel einsetzen zu können. Diese Mobilität von Mitarbei-
tern trägt auch dazu bei, dem drohenden Arbeitsplatzabbau entgegenzuwirken.
Die innerbetrieblich entsandten Mitarbeiter haben für die Unternehmen auch
den entscheidenden Vorteil, dass diese eingearbeitet sind, sich in der Unterneh-
mensstruktur auskennen und so ohne Reibungsverluste dem betreffenden Unter-
nehmen und der deutschen Wirtschaft von Nutzen sein können.

Die Sorge einer Zuwanderung „in die Sozialsysteme“ ist bei der unternehmen-
sinternen Entsendung keinesfalls gerechtfertigt, da diese Zuwanderer alle be-
reits über einen Arbeitsplatz verfügen und in der Regel auch nur für einen be-
grenzten Zeitraum in Deutschland bleiben. Aus diesem Grund ist es gängige
Praxis, dass für Entsandte die Sozialversicherung im Heimatland fortgeführt
wird. Die unternehmensinterne Zuwanderung besonders qualifizierter Arbeit-
nehmer erhält nicht nur Arbeitsplätze, sondern schafft dabei auch neue Arbeits-
plätze für weitere Arbeitnehmer unterschiedlicher Qualifikation in Deutschland.
Es liegt also auch im wirtschaftlichen Interesse der Bundesrepublik Deutsch-
land, die Zuwanderung im unternehmensinternen Bereich grundlegend zu er-
leichtern.

Die bislang bestehenden Verfahren und Vorschriften helfen den Unternehmen
nicht. Im Gegenteil: Bei der unternehmensinternen Entsendung von Mitarbeitern
stoßen Unternehmen in Deutschland vielfach auf Schwierigkeiten. Dabei geht es
nicht nur um die Arbeitnehmer selbst, sondern auch darum, die Familienangehö-
rigen der „Expatriates“ einfacher hier aufzunehmen. Deutsche und internationale
Vorschriften enthalten Regelungen, die Unternehmen die Entsendung dringend
benötigter Mitarbeiter erschweren und die der Mobilität der Mitarbeiter entge-
genstehen. Diese Probleme bestehen in den unterschiedlichsten Rechtsgebieten.
Sie betreffen zum einen das Ausländerrecht, aber beispielsweise auch das Ar-
beitsrecht, EU-Verordnungen, bilaterale Versicherungsabkommen sowie deut-
sches Steuerrecht und internationale Steuer- und Sozialversicherungsabkommen.
Im europäischen Vergleich der steuerlichen Belastung für Unternehmen schnei-
det Deutschland schlecht ab. Internationale Unternehmen wählen neue Stand-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11704

orte auch nach der Höhe der Steuerlast für besonders qualifizierte Mitarbeiter.
Bei Auslandseinsätzen von „Expatriates“ trägt das entsendende Unternehmen in
der Regel die Bruttolohnkosten inklusive der persönlichen Einkommensteuer
und ähnlicher Belastungen. Der Vergleich der für „Expatriates“ gültigen Steuer-
belastungen wird deshalb für die immer größer werdende Zahl an international
agierenden Unternehmen, aber damit auch für die Politik, immer wichtiger. Viele
andere europäische Länder sind in diesem Bereich wesentlich besser aufgestellt
als Deutschland. Sie holen im Gegensatz zu Deutschland hoch qualifizierte Fach-
kräfte und Führungskräfte beispielsweise mit steuerlichen Anreizen ins Land.
Beispiele hierfür sind niedrige, pauschale Steuersätze oder eine steuerliche Frei-
stellung von typischen Gehaltsbestandteilen, die bei einem Auslandsaufenthalt
anfallen (z. B. Ausgleich für Heimreisen oder Schulgebühren). Dies hat zur
Folge, dass auch ausländische Unternehmen aufgrund der Steueranreize für diese
Arbeitnehmer, ganze Geschäftsbereiche ihrer Unternehmen in diese Länder ver-
legen. In Deutschland existieren bislang weder steuerliche Anreize im Bereich
der „Expatriates“ noch ist eine wirkliche Strukturreform zur Absenkung der
Steuerbelastung allgemein festzustellen, die den Standort auch sonst attraktiver
machen könnte. Deutschland muss hier im internationalen Wettbewerb nachzie-
hen und dringend Korrekturen vornehmen. Hierin liegt ein bislang nicht ausge-
schöpftes Potential der Schaffung von Arbeitsplätzen am Standort Deutschland.

Auch die Verwaltungsverfahren sind viel zu kompliziert. Der Verwaltungsweg
durch die verschiedenen Behörden verzögert das Verwaltungsverfahren und es
bestehen große Hürden für die Unternehmen. So sollten beispielsweise langwie-
rige Vorrangprüfungen abgeschafft werden. Mangelnde Flexibilität hinsichtlich
Einsatzzweck und -dauer entsprechen nicht den Bedürfnissen der Praxis.

Den Unternehmen müssen Anreize geschaffen werden, mehr Mitarbeiter inner-
betrieblich nach Deutschland einfacher zu entsenden. Durch einen solchen
Schritt kann Deutschland seinen Fachkräftemangel teilweise eindämmen, die
Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise abfedern und es können neue Ar-
beitsplätze am Standort Deutschland entstehen. Dies ist insbesondere angesichts
der derzeitigen Entwicklungen in der Weltwirtschaft und in der deutschen Wirt-
schaft dringend geboten.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. alle bestehenden Vorschriften im Hinblick auf die Vereinfachung des Zuzugs
von „Expatriates“ auf den Prüfstand zu stellen, die die unternehmensinterne
Zuwanderung von Arbeitskräften nach Deutschland regeln;

2. bestehende Hürden abzubauen und praxisorientierte Anreize für Unterneh-
men zu schaffen, die Arbeitskräfte unternehmensintern nach Deutschland
entsenden möchten;

3. baldmöglichst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Zuwanderung von
„Expatriates“ wesentlich vereinfacht;

4. sich auf EU-Ebene für eine Vereinfachung der Zuwanderung von „Expatria-
tes“ einzusetzen;

5. die rechtlichen und verfahrensbezogenen Hemmnisse der internationalen
Mobilität zu identifizieren und zu deren Abbau beizutragen. Dazu gehören
z. B. die Vereinfachung von Verwaltungsverfahren, die Schaffung von größe-
rer Rechtssicherheit, eine eindeutige Klärung von Auslegungswidersprüchen
oder auch der Abbau von Benachteiligungen.

Berlin, den 20. Januar 2009
Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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