BT-Drucksache 16/11703

Umsatzsteuer auf bürgerschaftliches Engagement

Vom 22. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11703
16. Wahlperiode 22. 01. 2009

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Hans-Michael Goldmann, Ina Lenke,
Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Miriam Gruß,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein,
Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Hellmut Königshaus,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Harald
Leibrecht, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Link (Heilbronn),
Markus Löning, Dr. Erwin Lotter, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke,
Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Frank Schäffler, Dr. Konrad Schily, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms,
Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph Waitz, Dr. Claudia
Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle
und der Fraktion der FDP

Umsatzsteuer auf bürgerschaftliches Engagement

Nachdem vor einigen Jahren ein Finanzamt und in der Folge das Bundesminis-
terium der Finanzen (BMF) die Auffassung vertrat, es handle sich beim Freiwil-
ligen Sozialen Jahr um eine Art Arbeitnehmerüberlassung, die einen umsatz-
steuerpflichtigen Leistungsaustausch zwischen FSJ-Träger und der Einsatzstelle
begründe, vertritt das BMF nun in einem weiteren wichtigen Bereich des bür-
gerschaftlichen Engagements die Auffassung, dass ein umsatzsteuerpflichtiger
Vorgang begründet sei.

Nach Auffassung des BMF bzw. eines Finanzamtes liegt in der kostenlosen
Überlassung von Telefondienstleistungen der Deutschen Telekom an die Tele-
fonseelsorge ein der Umsatzsteuer unterliegendes Tauschgeschäft vor. Die kos-
tenfreie Erreichbarkeit der Telefonseelsorge durch den Ratsuchenden soll somit
künftig der Umsatzsteuer unterliegen, was deren gesamte Arbeit infrage stellt.

Das BMF konstruiert aus dem bürgerschaftlichen Engagement von Unterneh-
men nun tauschähnliche Umsätze, da z. B. auf der Internetpräsenz der wohltäti-
gen Organisation auf den Sponsor verwiesen wird.
Die Arbeit der Telefonseelsorge, wie vieler anderer wohltätiger Organisationen,
ist elementar an die kostenfreie Überlassung von Sachleistungen durch Unter-
nehmen gekoppelt. Das Aufbringen der Umsatzsteuer durch die Sponsoren,
könnte zum Rückzug der Sponsoren führen. Weder die Telefonseelsorge noch
andere Organisationen könnten aus eigenen Mitteln diese Sachleistungen finan-
zieren. Das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen würde von Staats
wegen vernichtet.

Drucksache 16/11703 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Die Auswirkungen, die ein solches Handeln auf das in der Bundesrepublik
Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten noch unterentwickelte Engage-
ment von Unternehmen haben wird, sind unabsehbar.

Hinzu kommt, dass angesichts der Finanzkrise und der beginnenden Rezession
bereits Unternehmen von Sponsorenaktivitäten im Bereich des bürgerschaft-
lichen Engagements zurücktreten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Stellenwert hat das bürgerschaftliche Engagement für die Bundes-
regierung?

2. Welche Auswirkung hat die zunehmende Bürokratie auf die Motivation der
bürgerschaftlich Engagierten?

3. Weshalb gab es bisher beim Sponsoring des bürgerschaftlichen Engage-
ments keine Umsatzsteuerpflicht wegen „tauschähnlicher Umsätze“?

4. Für welchen Zeitraum ist in diesen Fällen mit einer steuerlichen Nachzah-
lung zu rechen?

5. Welche anderen Bereiche des bürgerschaftlichen Engagements sind von der
Konstruktion eines „tauschähnlichen Umsatzes“ betroffen und müssen
demnächst um den Fortbestand ihrer Arbeit bangen?

6. Welche Steuermehreinnahmen erwartet die Bundesregierung durch diese
Umsatzsteuerpflicht?

7. Welche Mehrausgaben sind zu erwarten, wenn sämtliche Angebote des
bürgerschaftlichen Engagements in diesem Bereich zusammenbrechen und
sie staatlich organisiert werden müssen?

Erwartet die Bundesregierung Ausgaben, die unter den Steuermehreinnah-
men liegen?

8. Welche anderen Bereiche des bürgerschaftlichen Engagements sollen dem-
nächst der Umsatzsteuerpflicht unterliegen nachdem Bereiche der Jugend-
freiwilligendienste und die Telefonseelsorge der Umsatzsteuerpflicht unter-
worfen wurden bzw. werden?

9. Wie will die Bundesregierung die Ergebnisse der Enquetekommission
„Bürgerschaftliches Engagement“ im Bereich der Förderung von unterneh-
merischem bürgerschaftlichem Engagement in der Bundesrepublik
Deutschland umsetzen, wenn sie das Engagement der Bürger zunehmend
der Umsatzsteuer und damit der Bürokratie unterwirft?

10. Welche Auswirkungen wird nach Einschätzung der Bundesregierung die
Finanzkrise auf die Einnahmesituation sowie die Sponsorenförderung und
damit auf die Aktivität von Vereinen haben?

11. Was versteht das Bundesministerium der Finanzen genau unter „Hilfe für
Helfer“?

Berlin, den 21. Januar 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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