BT-Drucksache 16/11677

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -16/10485, 16/11669- Entwurf eines Ersten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen

Vom 21. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11677
16. Wahlperiode 21. 01. 2009

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Otto Fricke, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael
Goldmann, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Elke
Hoff, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Dr. Erwin Lotter, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela
Piltz, Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph
Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 16/10485, 16/11669 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festsetzung
von Mindestarbeitsbedingungen

Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

1. Tarifverträge haben absoluten Vorrang vor staatlicher Lohnfestsetzung.

2. Eingriffe in die Tarifautonomie, insbesondere eine Verdrängung von konkur-
rierenden Tarifverträgen, werden ausgeschlossen.

3. Eine Anwendung des Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeits-
bedingungen setzt zwingend das Vorliegen klar definierter sozialer Ver-
werfungen voraus. Allein das Kriterium einer Tarifbindung von unter 50 Pro-
zent in einem Wirtschaftszweig ist für die Anwendung des Gesetzes nicht aus-
reichend.

Berlin, den 20. Januar 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Drucksache 16/11677 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

Die vorgesehenen Änderungen des Mindestarbeitsbedingungengesetzes be-
zwecken nicht, wie ursprünglich mit dem Gesetz beabsichtigt, den Schutz vor
sozialen Verwerfungen. Es geht darum, zusammen mit der Neufassung des
Arbeitnehmer-Entsendegesetzes den Boden für flächendeckende staatliche
Lohnfestsetzung und damit für die Einführung von Mindestlöhnen zu bereiten.
Mit diesem System staatlicher Lohnfestsetzung können bestehende tarifver-
tragliche Regelungen außer Kraft gesetzt werden. Es ermöglicht, dass massiv in
die positive und negative Koalitionsfreiheit eingegriffen werden kann.

Die bewährte Tarifautonomie darf nicht leichtfertig ausgehebelt und bestehende
Tarifverträge außer Kraft gesetzt werden. Die in dem Gesetzentwurf vorge-
sehene Übergangsregelung, wonach lediglich Tarifverträge, die bereits vor dem
16. Juli 2008 abgeschlossen waren sowie unmittelbare Folgetarifverträge staat-
lich festgesetzten Mindestentgelten vorgehen, stellt keine uneingeschränkte
Sicherung des Tarifvorbehalts dar. Dieser ist aber zum Schutz der Tarifautono-
mie verfassungsrechtlich geboten. Die Regelung der Arbeits- und Wirtschafts-
beziehungen muss vorrangig Sache der Tarifvertragsparteien bleiben. Sie wis-
sen am besten, welche Löhne für ihre Branche angemessen sind. Der Kritik
verschiedener Verfassungsrechtler, dass die Tarifautonomie mit dem vorgeleg-
ten Gesetzentwurf beschädigt werde, muss Rechnung getragen werden. Die
Schaffung und Durchsetzung angemessener Arbeitsbedingungen ist nicht die
Aufgabe des Staates, sondern durch den Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien
zugewiesen. Professor Dr. Thüsing führt in seinem Gutachten vom Juli 2008
aus: „Das Mindestarbeitsbedingungengesetz will keinen Mindestarbeitslohn im
Sinne der Existenzsicherung festschreiben, sondern soll Grundlage der Fest-
legung angemessener Löhne entsprechend der jeweiligen Tätigkeit sein. Damit
tritt der Gesetzgeber in direkte Konkurrenz zu den Tarifvertragsparteien.“

Die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne ist die falsche Antwort auf die aktu-
elle Finanzkrise und die konjunkturelle Entwicklung sowie die Herausforderun-
gen einer europäischen Erweiterung und den zunehmenden Wettbewerbsdruck
aufgrund deutlich niedrigerer Löhne, vor allem in den EU-Beitrittsländern. Sie
werden dauerhaft die Probleme des Arbeitsmarktes nicht lösen sondern ver-
schärfen. Gesetzliche Mindestlöhne führen zu einer Verdrängung von Arbeits-
plätzen insbesondere im geringqualifizierten Bereich. Für Geringqualifizierte
und Langzeitarbeitslose wird eine weitere Einstiegshürde in den Arbeitsmarkt
geschaffen.

Konsequenz gesetzlicher Mindestlöhne ist die Verlagerung von Arbeitsplätzen
ins Ausland und die Abwanderung in die Schwarzarbeit. Mindestlöhne führen
tendenziell auch zu höheren Preisen und schwächen darüber hinaus die Kauf-
kraft. Das führt im Ergebnis zu weiteren Nachfrageausfällen, die wiederum die
Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindern.

Deutschland braucht einen funktionsfähigen Niedriglohnsektor. Es müssen die
Voraussetzungen geschaffen werden, die die Aufnahme einer auch nur gering
entlohnten Beschäftigung gegenüber der alleinigen Inanspruchnahme staat-
licher Transferleistungen attraktiver machen. Die bestehenden Regelungen zur
sozialen Absicherung müssen vereinfacht und unbürokratischer ausgestaltet
werden. Dazu hat die FDP das Modell des liberalen Bürgergeldes entwickelt,
das bedürftigen Menschen ein Mindesteinkommen gewährleistet.

Dringend notwendig ist ein flexibleres Tarifrecht, damit sich die Löhne wieder
an der Produktivität orientieren können. Kein Unternehmen kann es sich dauer-
haft leisten, einen höheren Lohn zu zahlen als er dem Wert der Arbeitsleistung
entspricht. Wird daher ein Mindestlohn gesetzlich verordnet, der über den zu-
vor gezahlten und am Markt erwirtschafteten Lohnansätzen liegt, so werden die
betroffenen Arbeitsplätze unrentabel.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11677

Wir brauchen Öffnungsklauseln für betriebliche Bündnisse, damit maßgeschnei-
derte Lösungen vor Ort zum Erhalt von Arbeitsplätzen und zum Abbau der
Arbeitslosigkeit beitragen können. In einem flexibleren Arbeitsmarkt können
Unternehmen schneller auf sich verändernde Wettbewerbsverhältnisse reagie-
ren und neue Arbeitsplätze schaffen.

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