BT-Drucksache 16/11665

Mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie - Den Bau von Kindertageseinrichtungen in Deutschland erleichtern

Vom 21. Januar 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11665
16. Wahlperiode 21. 01. 2009

Antrag
der Abgeordneten Patrick Döring, Miriam Gruß, Horst Friedrich (Bayreuth),
Joachim Günther (Plauen), Jan Mücke, Hans-Michael Goldmann, Jens Ackermann,
Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), Uwe Barth, Angelika
Brunkhorst, Ernst Burgbacher, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike
Flach, Otto Fricke, Dr. Edmund Peter Geisen, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Michael Kauch, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke,
Dr. Erwin Lotter, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz,
Frank Schäffler, Marina Schuster, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler,
Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, Florian Toncar, Dr. Daniel Volk, Christoph
Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr),
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Mehr Rechtssicherheit und weniger Bürokratie – Den Bau von
Kindertageseinrichtungen in Deutschland erleichtern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Es ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2013 für bundesweit
im Durchschnitt 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz
in einer Kindertageseinrichtung oder der Kindertagespflege zu schaffen. Bisher
liegt die Besuchsquote von Kindern in Tageseinrichtungen bei 15,6 Prozent
(Stand: 15. März 2007). Ein Teil des Mehrbedarfs kann durch Betreuungsplätze
gedeckt werden, die frei werden, weil in Folge des demographischen Wandels
die Zahl der Kinder sinkt. Dennoch werden zahlreiche zusätzliche Einrichtun-
gen benötigt, um den Bedarf zu decken und ein möglichst wohnortnahes Ange-
bot zu gewährleisten. Die Bundesregierung hat 4 Mrd. Euro bereitgestellt, um
sich an den Gesamtkosten des Ausbaus in Höhe von 12 Mrd. Euro bis zum Jahr
2013 zu beteiligen. Weiterhin werden ab 2013 jährlich 770 Mio. Euro zur
Deckung der laufenden Betriebskosten zur Verfügung gestellt.

Zwar ist unter anderem zu kritisieren, dass öffentliche und private Träger nach
dem Kinderförderungsgesetz nicht gleich behandelt werden, Qualitätsstandards

in Betreuungseinrichtungen fehlen und ein geplantes Betreuungsgeld die durch
die Ausbauförderung verfolgten Ziele konterkariert. Dennoch besteht ein breiter
Konsens über die Notwendigkeit eines besseren Betreuungsangebotes in
Deutschland. Schon aus gesellschaftspolitischer Sicht ist es dringend geboten,
mehr Freiraum für die Lebensgestaltung zu schaffen und die Teilhabechancen
von Frauen und Männern zu verbessern. Familienpolitische Leistungen sind
keine sozialen Wohltaten, sondern eine Investition in die Zukunft. Dies gilt

Drucksache 16/11665 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
umso mehr vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Mehr Kinder
wird es nur dort geben, wo diese auch gesellschaftlich gewollt und akzeptiert
sind.

Damit der politische und gesellschaftliche Wunsch nach besserer Betreuung
Wirklichkeit werden kann, müssen Betreuungsplätze in entsprechender Zahl
geschaffen, das heißt insbesondere neue Kindertagesstätten gebaut werden.
Durch die unterschiedliche Rechtsprechung besteht jedoch Unsicherheit, unter
welchen Bedingungen solche Einrichtungen auch in reinen Wohngebieten nach
§ 3 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) zulässig sind. So haben zum Bei-
spiel das Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (2 Bs 171/08, 9 E 2161/08)
und das Amtsgericht Berlin-Schöneberg (77 II 18/07.WEG) entschieden, dass
Kindertagesstätten wegen zu hoher Lärmbelästigung für die Nachbarn in reinen
Wohngebieten nicht zulässig sind. Andere Gerichte hingegen (OVG Nordrhein-
Westfalen, OVG Baden-Württemberg, Verwaltungsgericht Osnabrück) halten
Kinderlärm für eine typische Begleiterscheinung kindlichen Verhaltens, der
auch in höherem Maße zumutbar sei.

Diese Fälle zeigen, dass die bisherigen Regelungen des Baurechts der neuen
Lebenswirklichkeit und den politischen Zielen nicht ausreichend Rechnung tra-
gen. Die Bedürfnisse von Familien und Alleinerziehenden erfordern Betreuungs-
angebote in der unmittelbaren Umgebung, auch wenn es sich dabei um ein reines
Wohngebiet handelt. Dies muss, ebenso wie die in reinen Wohngebieten zu be-
achtenden Zumutbarkeitsgrenzen, rechtlich klar gestellt werden, um die Planung
zu erleichtern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

§ 3 BauNVO dahingehend zu ergänzen, dass Kindertageseinrichtungen auch in
reinen Wohngebieten grundsätzlich zulässig sind, sofern sie vorwiegend der Be-
treuung von in diesem Wohngebiet lebenden Kindern dienen sollen. Die Zumut-
barkeitskriterien für die Genehmigung von Kindertagesstätten sind zu regeln.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kinderlärm nicht in gleicher Weise behandelt
werden kann wie Gewerbelärm, sondern zur freien Entfaltung der kindlichen
Persönlichkeit gehört.

Berlin, den 20. Januar 2009

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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